KREISGEMEINSCHAFT BRAUNSBERG (OSTPREUSSEN) Franz Buchholz: Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte (Festschrift vom Stadtjubiläum 1934) Nachtrag vom Webmaster: XI. Das Ende Der Erste Bürgermeister bei Beginn der Ära des Nationalsozialismus und auch noch zur Zeit des Stadtjubiläums war der Münsteraner Ludwig Kayser. Nach den beiden juristischen Staatsprüfungen wandte er sich der kommunalen Laufbahn zu und wurde Stadtassessor in Trier. Als solchen wählte ihn das Braunsberger Stadtparlament 1929 zum Ersten Bürgermeister der Passargestadt. Von seiner Bewerbung und Wahl wird Folgendes berichtet: Als Kayser schließlich von über 60 Bewerbern übrig blieb, teilten ihm die Braunsberger Parlamentarier mit, dass er zwar den Anforderungen voll genüge, daß man ihn aber trotzdem nicht nehmen könne. Auf seine Frage, warum das denn nicht, erhielt der die Antwort, weil er Rheinländer sei - und Trier, wo er doch wohne und arbeitete, sei nun einmal Rheinland! Als er dann erklärte, daß er erst nach seinem Studium in Trier angefangen habe, und daß er als Münsteraner ein waschechter Westfale sei, war er eingestellt: "Na, ein Westfale, der paßt anders als ein Rheinländer eben zur ermländischen Art!" Kayser, selbst Mitglied der Zentrumspartei, zeigte ein kritisch-distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus. So ließ er z. B. am 6. März 1933 morgens die Hakenkreuzfahne entfernen, die in der Nacht zuvor eine Gruppe uniformierter SA- und SS-Männer, die sich gewaltsam Zugang zum Rathaus verschafft hatten, auf dem Rathausturm gehisst hatten. Und es gelang ihm auch durch geschickte Verteidigung ("Katz- und Mausspiel"), daß seine Maßnahme akzeptiert wurde. Man brauchte den geschickten Organisator ja wohl auch noch zur 650Jahrfeier. Jedoch war ein solcher Erster Bürgermeister für die nationalsozialistischen Machthaber im Reich auf Dauer nicht tragbar. So wurde er 1935 in den Ruhestand versetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kayser von 1946 bis 1964 als Oberstadtdirektor in Bocholt tätig. Er hat insbesondere die Patenschaft der Städte Braunsberg und Münster begründet und gefördert. Darüber hinaus galt sein besonderes Interesse der Geschichte Braunsbergs, des Ermlandes und Ostpreußens. Sein früher Ruhestand als Braunsberger Erster Bürgermeister könnte für uns Braunsberger heute von Vorteil sein, denn er konnte alle seine privaten Unterlagen und Erinnerungsstücke bei seinem Umzug in den Westen mitnehmen. Sie befinden sich heute im Stadtarchiv in Münster und harren der Auswertung. Anmerkung des Webmasters: Mein Onkel Gregor Preuschoff konnte sich noch erinnern, wie Ludwig Kayser am sonntäglichen Hochamt in der St. Katharinenkirche auf einem für ihn als Bürgermeister reservierten Platz teilnahm. Ludwig Kayser hat seine besonderen Erlebnisse als nichtangepaßter Bürgermeister in der Nazizeit in einem Brief zusammengefaßt, bitte klicken Sie HIER!
Ludwig Kayser, Erster Bürgermeister von Braunsberg 1929 - 1935 Der Bürgermeister trägt die dem Bürgermeister Sydath 1913 verliehene Amtskette, die nach 1935 eingeschmolzen und durch eine Bernsteinkette ersetzt wurde.
Die Nachfolger im Amt des Ersten Bürgermeisters, Petrusch (1935 - 1938) und Mayer (1939 - 1941), waren nur noch Marionetten der nationalsozialistischen Machthaber.
Von der Staatlichen Akademie sind während der "Endphase Braunsbergs" drei Professoren besonders in Erscheinung getreten: Das waren zunächst einmal die beiden Professoren Barion und Eschweiler, die ein Gutachten zur Euthanasie im Sinne der Nationalsozialisten angefertigt hatten, siehe den Beitrag von Dr. Hans Preuschoff "Zur Suspension der Braunsberger Professoren Eschweiler und Barion im Jahre 1934".
Und dann war das noch der Luxemburger Joseph Adam Lortz. Er wurde besonders bekannt im Zusammenhang mit seiner Reformationsforschung, die bestimmt ist von einem historischen Verständnis für Martin Luther und sein Anliegen. Ein anderer Professor im Zusammenhang mit Braunsberg war Max Meinerz (1880 - 1965). Doch er war zwar in Braunsberg geboren und hatte auch hier an der Staatlichen Akademie sein Studium begonnen, doch bis auf eine kurze Tätigkeit als außerordentlicher Professor an der Staatlichen Akademie von 1907 bis 1909 spielte sich seine Lebenswirklichkeit im Westen ab, vor allem in Münster.
Joseph Adam Lortz, deutscher katholischer Kirchenhistoriker (1887 - 1975) Professor in Braunsberg, Münster und Mainz. Lortz war einer der letzten Professoren an der Staatlichen Akademie in Braunsberg.
Das Ende 1945 kennen wir, die Zerstörung Braunsbergs, die Flucht vieler über das zugefrorene Haffe, die Vertreibung...
Ruinen der Pfarrkirche St. Katharina
Seit 1945 hat die Stadt Braunsberg einen polnischen Namen. Die durchaus noch wiederaufbaufähigen Ruinen von Rathaus und Altstadt wurden abgerissen und das freie Gelände wurde in der kommunistischen Zeit lieblos teilweise zugebaut. Lediglich die Pfarrkirche St. Katharina wurde dank der Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren, also noch zu kommunistischer Zeit, wieder aufgebaut. Die Polen witzelten, dass man so viel Geld bekommen und die Devisensituation so gut ausgenutzt habe, dass man von dem Geld nicht nur eine, sondern drei Kirchen bauen konnte.
Eine polnische Stadt mit der wiederaufgebauten Pfarrkirche St. Katharina...
voriges Kapitel weiter zum Anhang und zu den Besprechungen Dies ist kein Kapitel mehr der Festschrift "Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte" von Franz Buchholz zum 650jährigen Stadtjubiläum |