KREISGEMEINSCHAFT BRAUNSBERG (OSTPREUSSEN)

Franz Buchholz: Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte (Festschrift vom Stadtjubiläum 1934)


VI. Im Jahrhundert der Schwedenkriege (1826—1721)

Schon seit Jahren hing ein neues Kriegsgewitter in der Luft. Während der unselige dreißigjährige Religionskrieg Deutschland zu zerfleischen begann, erfüllte auch Osteuropa Waffenlärm. Der ebenso ehrgeizige wie tapfere König Gustav Adolf wollte die Ostsee in ein schwedisches Meer verwandeln, entriß den Russen i. J.1617 das baltische Küstengebiet Ingermanland, seinem polnischen Vetter i. J. 1621 Livland. Sollte er in seinem Eroberungsdrang vor den Grenzen des Ermlandes Halt machen, auf dessen Bischofsthron seit 1621 der polnische Königssohn Johann Albert saß? Die Einsichtigen witterten Unheil. Schon 1622 beschäftigte sich der Heilsberger Landtag mit Verteidigungsmaßnahmen, und die Altstadt Braunsberg, die bei diesen Versammlungen mit einem Bürgermeister, einem Ratsherrn und dem Stadtnotar vertreten zu sein pflegte, machte sich an die Ausbesserung ihrer Befestigungswerke. Die Wormditter Tagfahrt v. J. 1624 beschloß, fremdes Kriegsvolk anzuwerben. Die Braunsberger kauften Pulver, rückten ihre Geschütze aus der Rüstkammer auf die Mauern und Türme und warfen Schanzen auf. Wer es konnte, sollte eine Muskete anschaffen, die Bewaffneten sollten von den Wachtmeistern ausgebildet werden.

In diese sorgenvollen Vorbereitungen platzte die Schreckenskunde hinein, in Danzig sei die Pest ausgebrochen. Neue Vorsichtsmaßnahmen sind notwendig. Der Rat nimmt mit dem Erzpriester Rücksprache wegen des Versehens der Kranken, und einer der Vikare wird mit dieser opfervollen Aufgabe betraut. Man stellt einen Pestbarbier ein, der sich in Grätz bereits bewährt hat; er soll die Kranken am Halse schmieren, zur Ader lassen u. a. Da entdeckt man auf dem Köslin den ersten Pestfall. Irgend ein Wanderbursche hat vielleicht das Gift aus einer verseuchten Stadt mitgeschleppt; nun liegt er da tot, mit Beulen bedeckt und blauschwarz angelaufen. „Die Pest ist da! Der Schreckensruf verbreitet sich alsbald wie ein Lauffeuer durch die Stadt; angstvoll stehen die Bürger auf den Straßen zusammen, Erinnerungen von der letzten Pestzeit werden aufgefrischt und die schlimmen Botschaften aus der Nachbarstadt eifrig besprochen. Der Rat tritt zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und beschließt angesichts des Ernstes der Lage, alle Mittel zur Unterdrückung der Seuche anzuwenden. Ein Ausschuß von Mitgliedern des Rats und der Bürgerschaft soll als collegium sanitatis (Gesundheitsausschuß) gewählt werden und täglich im Rathause eine Sitzung halten; die ganze Stadt wird in Bezirke eingeteilt und ein decurio (Hauptmann) mit der speziellen Aufsicht und Anzeige aller Verdächtigen in seinem Revier beauftragt. Das Haus, in dem der Fremde gestorben ist. wird vernagelt und mit einem weißen Kreuze bezeichnet, allen Insassen aber bei Strafe das Verlassen desselben untersagt.

Indes das Verhängnis läßt sich nicht mehr aufhalten, ein zweiter und ein dritter Fall wird gemeldet, und bald steht die ganze Stadt unter dem Szepter des Allbezwingers. Die Bader haben alle Hände voll zu tun mit Aderlassen und mit 115 Schropfköpfesetzen, überall qualmen dicke Rauchwolken von Kaddik, Wermut, trockenen Eichenblättern, Hühnermist, alten Schuhen und erfüllen Stuben und Straßen mit einem „pestilenzischen" Gestank. Der Erzpriester wird gebeten, das Läuten einstellen zu lassen, um die Schrecken nicht noch zu vermehren; in den von Kaddigqualm erfüllten Kirchen drängen sich angstvoll betende Menschen und bestürmen den erzürnten Gott mit Tränen und Gelübden." (G. Matern, die Pest im Ermland.)

Als der Pestbarbier gestorben war, wurde ein neuer aus Hamburg angestellt, der zum Zeichen eine weiße Binde um den Hut erhielt. Ein Bürger, bei dem die Pest ausgebrochen, wollte sein Haus nicht schließen lassen, sondern setzte sich mit geladener Muskete und brennender Lunte zur Wehr. Der Rat beschloß, dem Ungehorsamen das Bürger- und Gewerberecht zu entziehen.

Nachdem so die Pest, mit Unterbrechungen auftretend, in den Jahren 1624 und 25 wie oft zuvor zahlreiche Opfer gekostet hatte, nahte das gefürchtete neue Unheil: der Schwedenkrieg. Noch hatte der Guttstädter Landtag i. J. 1625 die Anwerbung von 300 fremden Söldnern beschlossen, den Dienstpflichtigen das Gewissen geschärft und den Polenkönig um Schutz angerufen, da richtete sich im Sommer 1626 der erste Ansturm der Schweden gegen das Bistum.

Am 19. Juni berief der Rat die ehrbare Gemeine aufs Rathaus, weil ein „groß Geschrei von Gustav von Schweden ausgebracht." Man beschloß eine Wache auf dem Glockenturm aufzustellen, die Waffen und Geschütze zu untersuchen, sich für 2—3 Monate zu verproviantieren; jeder Quartierherr sollte die Wehren, Mauern und Brücken mit dem Zimmermann besichtigen. Am 25. hielt der Rat einen „Durchgang der Bürgerschaft mit ihrem Gewehr" auf dem Rathaus; manche hatten eine „Röhre" mit Feuerschloß, andere nur Spieße. Nun sollten alle binnen Monatsfrist Musketen anschaffen.

Am 5. Juli warfen 80 wohlausgerüstete schwedische Kriegsschiffe mit einer Besatzung von etwa 15 000 Mann auf der Pillauer Reede die Anker. Nachdem König Gustav Adolf diesen schwach verteidigten Hafen seines Schwagers, des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm, kampflos gewonnen und 3 Regimenter dort zurückgelassen hatte, schlug er am 9. Juli den Kurs südwärts ein gegen „die Pfaffenknechte im Bischthum Ermeland."

Am 6. Juli drang nach Braunsberg „böse Zeitung aus der Pillau, daß die schwedische Armada" dort gelandet. Wieder wurde die Gemeinde zur Beratung auf das Stadthaus geladen. Man dachte, die Elbinger um Hilfe anzugehen. Matthis Thiel aus der Neustadt wurde für einen Monat gegen 100 Gulden Gehalt als Kapitän (Hauptmann) angenommen und vereidigt. 63 städtische Handwerksgesellen, unter ihnen ein „Drommenschläger", wurden für 8 Gulden als Soldaten eingestellt. Sie mußten schwören, „den beiden Städten Braunsberg getreu und hold zu sein, an und vor dem Feind, zu Zug und Wacht, wohin sie gestellt und erfordert werden, mit der Setzung Leibs und Lebens zu Tag und zu Nacht fleißig und getreulich zu dienen, auch dem Kapitän Thielen in allem Gehorsam zu leisten, als mir Gott hilft und sein heiliges Wort." Schließlich wurde als Büchsenmeister Andres Sahm mit einem Monatslohn von 50 Gulden verpflichtet.

Die Altstadt Braunsberg mochte damals nach den letzten Pestopfern etwa 3500 Einwohner zählen. Rechnete man die wehrpflichtigen Bürger aus der Stadt und ihrer Gemarkung und die geworbenen Söldner zusammen, so dürften wenig mehr als 500 Verteidiger vorhanden gewesen sein. Allerdings trafen noch im letzten Augenblick schwache polnische Hilfstruppen ein, Dragoner unter Kapitän Zeridongo und drei Fähnlein „guten Volkes" unter den Hauptleuten Butler, Siatansky und Fordy. Mauern und Türme boten freilich gegen die fortgeschrittene Artillerie nicht mehr dieselbe Sicherheit wie vor 100 Jahren. Die Aussichten eines Widerstandes gegen das kampferprobte Schwedenheer waren also keineswegs günstig; trotzdem waren Rat und Gemeinde entschlossen, um ihrer Ehre und Treue willen die Stadt zu verteidigen.

Nachdem die schwedische Flotte an der Passargemündung unweit des Braunsberger Bollwerks angelegt hatte, rückte Gustav Adolf am folgenden Tage, den 10. Juli, mit etwa 4000 Mann Infanterie und vier Reiterschwadronen gegen die Stadt vor, wohl überrascht, daß die Einwohnerschaft nicht freiwillig die Tore öffnete. Sein Hofmarschall Dietrich von Falckenberg und der schottische Kapitän Lamm führten den Vortrupp. Unterwegs stießen diese auf Zeridongos Dragoner und die dienstpflichtige städtische Reiterei. Es entspann sich ein leichtes Scharmützel, das bald mit der Flucht der Verteidiger endete. Vor dem Weichbilde der Stadt waren neue Schanzen aufgeworfen, die von den Söldnern und den polnischen Hilfstruppen Verteidigt werden sollten. Aber angesichts der schwedischen Übermacht und der Flucht der eigenen Reiterei räumten auch sie ihre Stellung. Um den Feind in ihrer Verfolgung aufzuhalten, steckten sie die Ziegelscheune hinter dem alten Kirchhof 117 in Brand. Aber bald gingen auch der ganze Köslin, die vor den Toren liegenden Scheunen, Speicher, Holzhöfe, Krambuden, das Packhaus, der Hohe Krug und das 1573 von Bürgermeister Johann Bartsch für arme Bürgerwitwen am Rodelshöfer Weg begründete Hospital in Flammen auf. Nach schwedischer Darstellung soll Kapitän Butler den Rat zu dieser Einäscherung gegeben haben, vermutlich um dadurch die dort vorhandenen reichen Vorräte der Benutzung durch die Schweden zu entziehen. Der König ließ deshalb dem Flüchtigen und seiner Mannschaft zu Roß nachjagen und sie teils niederhauen, teils gefangennehmen; auch Butler gehörte zu den Gefangenen.

Und so flackert hier, jetzt dort, bald allerorts die vernichtende Brandfackel empor; gierig verschlingt das Flammenmeer die von der sommerlichen Hitze ausgedörrten Holz- und Fachwerkbauten, und dicke Rauchschwaden lagern sich über der gequälten Stadt. Wie jammern die bedauernswerten Besitzer, deren wertvolle Habe in Asche sinkt; und niemand kann und darf dem verheerenden Elemente Einhalt gebieten. Voller Verzweiflung und Schrecken drängen flüchtige Bürger zu den rückwärtigen Toren hinaus, schließen sich den Hilfstruppen und Söldnern an, die nach kurzer Wehr weiteren Widerstand für sinnlos halten, dem siegreichen Könige nicht in die Hände fallen wollen. Vielleicht geschah es bei diesem letzten schwachen Widerstand vor den Mauern, daß Bürgermeister Simon Wichmann durch einen feindlichen Schwertstreich in Lebensgefahr geriet. Schon fluten die Feuerwogen hinüber zu den Toren und Häusern der Stadt, da bleibt dem Rat nichts übrig, als den Hofmarschall Falckenberg um „Quartier zu bitten" und ihm die Schlüssel von Braunsberg zu übergeben. Dieser, der spätere Verteidiger von Magdeburg, der i. J. 1631 bei der Erstürmung der Stadt den Soldatentod sterben soll, rückt als erster in der verängstigten Stadt ein, und bald hält der „großmächtigste, durchleuchtigste, hochgeborene Fürst und Herr", König Gustav Adolf als Eroberer seinen feierlichen Einzug. Leider berichten die Ratsakten auffallend wenig über diesen denkwürdigen Tag, der für die Stadt über 9 Jahre schwerster Heimsuchungen anbrechen ließ. Zerstreute Nachrichten ergeben etwa folgendes Bild:

Vor versammelter Mannschaft schlug der König seinen Hofmarschall und den Kapitän Lamm zur Belohnung für ihren raschen Erfolg zu Rittern. Die ganze Bürgerschaft, Mann und Weib, wurde in die Pfarrkirche befohlen, wo Gustav Adolf ihnen wohl eröffnete, daß „ihm nicht mit ihrem Menschenblut, sondern mit Frieden, dem er nachjage, gedient wäre," wo sie vielleicht dem neuen Herrn den Huldigungseid schwören mußten und zur Auslieferung sämtlicher Waffen aufgefordert wurden. Während dieser Zeit plünderten die Soldaten die Häuser der flüchtigen Bürger; dabei fiel ihnen alles dem Artushof gehörige Silber, das der Vogt aus Sicherheitsgründen an sich genommen hatte, in die Hände. Auch die Kirchen erfuhren bald eine schwere Beraubung. Altäre, Bilder und gottesdienstliche Geräte wurden teils zerstört, teils fortgeschafft, teils entweiht; sogar die hl. Hostien wurden in der Pfarrkirche auf dem Boden verstreut, und der König soll nach einer Notiz diesem sakrilegischen Treiben höhnisch zugeschaut haben. Besonders gegen das Jesuitenkolleg lichtete sich die Wut der fremden Eroberer; galt es doch jener verfemten Lehrstätte, jenen verhaßten Patres, die ihrer schwedischen Heimat den Glauben hatten entreißen wollen. Freilich auch der gelehrte Johann Messenius, ein Lehrer des Königs, hatte hier in zehnjährigem Studium das wissenschaftliche Rüstzeug erarbeitet, das ihn zum Prinzenerzieher und zum Vater der schwedischen Geschichte und Dramatik befähigte. In klarer Voraussicht des kommenden Unheils hatten die Ordensmitglieder und Schüler die Flucht ergriffen, nur die Patres Nikolaus Kirstein aus Lübeck und Leonhard Kinard aus Schottland mit drei Laienbrüdern waren zum Schütze des Hauses zurückgeblieben. Diese wurden sofort gefangengesetzt und mußten länger als zwei Jahre im „Turm mit dem weißen Kreuz" zu Elbing schmachten. Das Kolleg und die Kirche lieferten den Eroberern reichste Beute. Die kostbare Bibliothek mit vielen Handschriften und Wiegendrucken, die kunstvolle Orgel und anders wertvolles Inventar wurden auf königlichen Befehl zur Verfrachtung nach Schweden bestimmt. Den Ortspfarrer der Stadt Lorenz Friese und seinen Vikar beorderte der König ins Schloß zu sich und verwies sie sofort aus der Stadt; der papistische Gottesdienst sollte nun hier ein für allemal abgetan sein. Die Bevölkerung aber beider Stadtgemeinden sollte eine „Brandschatzung" von 200000 schwedischen Talern binnen 4 Wochen aufbringen; auf flehentliches Bitten ermäßigte der König die ungeheuerliche Summe auf 50 000 Taler. Außerdem verblieb eine beträchtliche schwedische Besatzung in bürgerlichen Quartieren. Der schwedische Hofdichter Johann Narsius aber feierte in einem im nächsten Jahre zu Stockholm erschienenen Heldenepos in lateinischen Distichen auch die schonungsvolle Eroberung der festen Stadt Braunsberg.

Die Einnahme der ermländischen Hauptstadt durch die Schweden fand i. J. 1628 eine weitere literarische Behandlung. Eine lateinische Lobschrift des Elias von Nukrois auf Gustav 119 Adolf rühmte, wie der König im polnischen Preußen fast gleich, zeitig Braunsberg, Elbing und Marienburg dem Feind entrissen habe. Die Verwegenheit Braunsbergs, Widerstand zu versuchen, habe den König nur zum Lachen gereizt, aber nicht im Kampfe ermüdet. Daraufhin veröffentlichte ein gewisser Ahamot Crusius im selben Jahre eine dem Kulmer Bischof Jakob Zadzik und den Danzigern gewidmete Gegenschrift, worin er in feinem Latein ausführte: „Über den Fall Braunsbergs wundern wir uns nicht. Es ist nämlich schon lange eine Stadt gelehrter Ratsherren und mehr ein Wohnsitz der in Linnen gekleideten Minerva als der mit Lanze und Helm, fast ungewohnt kriegerischen Geistes und kriegerischer Einrichtungen, außer wenn bei den frohen Fastnachts-Kampfspielen jene langen Pfähle und stumpfen Ruderstangen als Lanzen auf dem gefrorenen Markt über den Ruhm der Fischer entscheiden."

Als Gustav Adolf am nächsten Mittage seinen Siegeszug über Frauenburg nach Elbing fortsetzte, während andere Trup Üpenabteilungen ins mittlere Ermland abrückten, hinterließ er eine dem Elend geweihte Stadt, die nach dem furchtbaren Erleben des letzten Tages sofort daran ging, die verlangte Geldsumme zusammenzubringen, um noch Schlimmerem zu entgehen. Die in einer dieser Nächte wohl aus militärischen Gründen von den Schweden in Brand gesteckte Johanniskirche (vor dem Hohen Tor) schien Warnung genug. Am 13. Juli konnte der Rat 10630 polnische Gulden abliefern, aber wie die Restschuld begleichen? Für den nächsten Tag berief der Rat die Gemeindevertreter ins Steinhaus, offenbar weil militärische Befehlshaber das Rathaus beschlagnahmt hatten. Man beschloß, das private Silber- und Zinnwerk anzugreifen, ebenso alles Silber des Gewerkes, wie die Willkommen-Humpen, und auch das Silber des Rates, wie die Vogellette (vom Pfingstschießen) nicht zu schonen. Den Neustädtern wurde am 17. eröffnet, sie sollten wenigstens ein Drittel der Restsumme beisteuern, obwohl sie das als unmöglich ablehnten; aber das „Landvolk" sollte ihnen mit Silber, Kupfer, Messing und Zinn Hilfe leisten. Am 18. wurden die Bürger des 1. und 2. Stadtviertels, am 20. des 3. und 4. Quartiers auf dem Artushof versammelt und ihnen klargelegt, daß man auch Kindergelder gegen die Bürgschaft des Rates angreifen müsse, daß sich aber kein Leistungsfähiger „auf die faule Seite legen" dürfe, es würde ihm nötigenfalls der Eid über sein Vermögen zugeschoben werden. Inzwischen reiften drei Ratsmitglieder nach Elbing und Danzig, und es gelang ihnen, bei Bekannten 21 000 Gulden aufzubringen. Durch Verhaftung von Ratsherren suchte der schwedische Gouverneur Oberst Andreas Erichson die Gelder flüssiger zu machen, und schließlich wurde unter größten Opfern der Betrag zusammengebracht.

Schon im Juli ergriff der lutherische Prediger Magister Johann Rüdiger von der Pfarrkirche und ihren Einkünften Besitz, dem der Rat im September 1629 wohl bei seinem Fortgang auf seinen Wunsch bescheinigte, daß er bisher mit seiner Person zufrieden gewesen sei. Als Diakon war Magister Andreas Zachert tätig, dem vom König die Einnahmen aus den Kirchenbenefizien zugewiesen wurden.
Bevor Gustav Adolf Anfang November nach Schweden zurücksegelte, wollte ihn der Braunsberger Gouverneur in Pillau wegen schwebender Fragen sprechen. Auf seinen Rat schlossen sich ihm am 5. November die drei Bürgermeister Hans und Andreas Hintz und Simon Wichmann an. Sie wurden „in gnädiger Audienz" empfangen und brachten als Hauptwünsche der Bürgerschaft vor: 1. habe der König versprochen, wenn die Gelder richtig abgeliefert seien, wolle er ihre Privilegien bestätigen; 2. bäten sie um das Recht zur Ausübung ihrer Religion. Aber Gustav Adolf verschanzte sich hinter seinem Reichskanzler Axel Oxenstierna in Elbing, dem er in den preußischen Dingen Vollmacht gegeben habe. Nun wurden dieselben Abgeordneten zum königlichen Statthalter entsandt, aber wie groß war hier ihre Überraschung, als ihnen auseinandergesetzt wurde, daß der schwedische Taler nicht mit 42, sondern mit 48 Groschen zu rechnen sei, daß also nicht 70000 Gulden der Forderung genügten, sondern 10000 zuzuzahlen seien. Von der Erfüllung der Wünsche war natürlich keine Rede, ja Hans Hintz und Wichmann scheinen vom Kanzler festgehalten worden zu sein. Der Gemeindevertretung wurde dieser unerwartete Bescheid mitgeteilt, aber keiner „wußte Rat zu Gelde; also ist überall difficultas (Schwierigkeit) und größter Mangel." Der Rat hielt es bei dieser Befragung für notwendig, zu „vermahnen und verwarnen, daß jeder sein Mund in guter Acht haben soll; denn alle Bürger wären der Garnison verdächtig, gleichsam man den Schweden gedrohet hätte." Durch Anleihen in Königsberg und Beitreibungen mußte der Rat die Restsumme beischaffen.

Schon aus diesem Beispiel ist die Verarmung und Not der Bürgerschaft erkennbar. Nun mußte die Stadt aber im Winter 1626/27 drei Kompagnien finnischer Reiter unter ihrem Oberstleutnant Zacharias Pauli und 5 Kompagnien finnischer Infantilsten unter dem Obersten von Nessa beherbergen und verpflegen. Was diese Quaitierlasten für den einzelnen Hausstand 121 bedeuteten, welche materiellen Opfer, Demütigungen und Zusammenstöße sie mit sich brachten, sei später an ein paar Beispielen aus d. J 1629 beleuchtet.

Nachdem der Schwedenkönig den preußischen Kriegsschauplatz verlassen hatte, gingen die Polen zum Angriff vor. Mitte Dezember begegnen wir einer ihrer Abteilungen im „fichtenen Wäldchen zwischen Braunsberg und Frauenburg", um einen aus 14 Fahrzeugen bestehenden Transport von Heringen, Salz und anderen Lebensmitteln abzufangen; doch wußte man dem bekannt gewordenen Anschlage durch Umleitung zu entgehen. Am 6. Januar 1627 erfolgte auf Befehl der polnischen Heeresleitung ein gleichzeitiger Ansturm auf mehrere von den Schweden besetzte preußische Städte; auch Braunsberg wurde von den Polen berannt, doch endete das Unternehmen verlustreich und erfolglos.

Etwa in den März dürfte die Freveltat schwedischer Soldaten zu setzen sein, von der zwei Briefe des bei Braunsberg lagernden polnischen Husaren-Obersten Kozakowski vom April die erste Kunde geben. Damals hing in der Nähe der heutigen Kreuzkirche am Wege nach Neu-Passarge an einem alten Eichenstamm ein auf Holz gemaltes Bild des gekreuzigten Heilandes; Gott Vater hält die beiden Arme des Kreuzesstammes, darüber schwebt der Hl. Geist in Taubengestalt. An diesem Heiligtum kamen dauernd schwedische Soldaten vorüber, wenn sie von ihren Schiffen von der Passargemündung zur Stadt wollten. Nun ließen sich drei rohe Kameraden dazu hinreißen, an diesem Zeichen „papistischen Aberglaubens" ihren Frevelmut auszulassen. Sie legten an und durchbohrten mit Flintenkugeln die beiden Kreuzesarme und das Gewand, mit dem Gott Vater bekleidet ist. Aber den Schußöffnungen entquoll eine rötliche Flüssigkeit, die von vorübergehenden Katholiken als Blut angesehen wurde, wodurch der Allmächtige in wunderbarer Weise das Verbrechen der Gotteslästerung offenbaren wollte. Die ruchlose Tat und die blutige Erscheinung konnten in der gequälten Braunsberger Bevölkerung nur im geheimen erörtert werden, aber die Kunde davon drang später auch zu den polnischen Truppen, die unter dem Prinzen Wladislaus bei Regitten lagen. Im Auftrage des Prinzen holte der aus Demut stammende Kapitän Lambert Ehlert in einer stürmischen Nacht das geschändete Bild vom Eichenstamme und brachte es ins polnische Lager. Wladislaus schickte es auf Rat seiner Offiziere über Mehlsack, wo ihm von der Einwohnerschaft und der polnischen Besatzung ein feierlicher Empfang bereitet wurde, zu seinen königlichen Eltern nach Warschau, und hier wurde es am 13. Oktober 1628 in Prozession durch die Straßen der Hauptstadt getragen. Religiöse und nationale Gründe waren es, die dem von dem schwedischen Feinde entweihten Kreuzbilde in Polen hohe Verehrung zuteil werden ließen. König Sigismund III. stellte es in einem Zimmer seines Schlosses auf, und hier verblieb es auch unter seinen Söhnen und Nachfolgern Wladislaus IV. und Johann Kasimir, bis es der Bischof von Kiew Thomas Ujeyski i. J. 1672 an feinen Ursprungsort zurückbrachte.

Hier war schon i. J. 1651 von den Jesuiten an der Stätte des Frevels eine hölzerne Kapelle errichtet worden, die i. J. 1669 - 70 einem vergrößerten Neubau Platz machte, bis am 2. September 1731 die jetzige massive Kuppelkirche mit dem denkwürdigen Kreuzbilde im Hochaltar durch bischöfliche Konsekration ihrer Bestimmung übergeben wurde.

Im Mai 1627 kehrte König Gustav Adolf mit frischen Regimentern nach Preußen zurück, und damit setzte sogleich beiderseits eine kräftige Offensive ein. Während der König vor Dirschau lagerte, suchten stärkere Truppen unter dem Kommando des Starosten von Halle Potocki zur Neustadt vorzudringen und die Altstadt durch Überrumpelung zu nehmen. Bei dem in der Stadt herrschenden Unwillen über die schwedische Gewaltherrschaft gelang es ihnen, einige Bürger zu einem geheimen Anschlag zu gewinnen. Von der Wohnung des Schmiedes Andreas Meißner im Kütteltor arbeitete man ein Loch durch die Stadtmauer, um nachts polnische Soldaten einzulassen. Diese sollten innerhalb der Stadt die Torwachen überfallen und töten, indessen von draußen die Polen eindrangen. Schon waren in der Nacht vom 10. zum 11. Juni etwa 15 Polen im Keller des Schmiedes, der auch Bier ausschenkte, beisammen, als der Major der Garnison die Runde ging. Als der eine brennende Lunte sah und die unbekannten, lärmenden Stimmen derer hörte, „so sich ein Herz zu machen bezechet hatten und jauchzeten", traf er in das Haus und rief: „Wer da?" Die Antwort: „Gut Freund!" genügte ihm nicht, und er fragte, was für ein guter Freund gemeint sei. Da fingen sie in ihrer Trunkenheit an zu schimpfen, zeigten ihre brennenden Lunten und nahmen eine drohende Haltung ein. Der Major schrie nun nach der Wache und ließ in den Keller schießen, so daß einige getroffen niedersanken, die übrigen aber zurückwichen. Nun wurde die ganze Garnison alarmiert und der Anschlag vereitelt.

Schon am nächsten Tage mußte der Rat eine genaue Untersuchung über den „verräterischen Anlauf" vornehmen; quartierweise wurde die Bürgerschaft vernommen und festgestellt, daß schon seit acht Tagen einige Neustädter in dem Meißnerschen 123 Hause ein- und ausgegangen seien. Die drei Hauptschuldigen, die von dem Vorhaben gemußt und die Werkzeuge verschafft hatten, wurden auf Befehl des Stadtgubernators mit einem grausamen Tode bestraft: Meißner sollte lebendig gespießt weiden, Hans Prange sollte enthauptet und geviertelt werden, der Kopf auf einen Pfahl gesteckt und die Körperviertel aufs Rad geflochten werden; Christoph Zimmermann sollte auch geköpft und gepfählt und sein ganzer Körper gerädert werden. Andere Verdächtige wurden verhaftet.

Auf die Kunde von der Bedrohung des wichtigen Braunsberg durch die Polen brach der Schwedenkönig am 17. Juni die Belagerung von Dirschau ab und rückte mit einem Viertel seines Heeres und 10 groben Geschützen gen Braunsberg, wo er am 21. die Polen in der Neustadt und ihrem nahegelegenen Lager antraf. Die Polen forderten den König zum Scharmützel heraus; dieser aber erwiderte, wie ihm zwar nicht mit Scharmützel und Kampf, sondern mit was mehrem für diesmal gedient sei, aber er wolle ihnen folgenden Tages begegnen. Trotzdem folgte er dem zurückgesandten Voten auf den Fersen nach. Sobald die Polen seines Heeres ansichtig wurden, räumten sie Vorstadt und Lager und ließen bei 50 Last Hafer, über 100 Fuder Heu und 2 Geschütze zurück. Nachdem der König aus Pillau und anderen Orten über Wasser noch beträchtliche Verstärkungen erhalten hatte, so daß sein Heer auf 6 000 Mann anwuchs, wandte er sich am 23. Juni nach Mehlsack, das er einnahm, plündern und niederbrennen ließ. Das von einer starken polnischen Besatzung verteidigte Wormditt wagte er nicht zu bestürmen und kehrte deshalb mit seinen Streitkräften am 26. nach Braunsberg zurück. Am 29. bestieg er mit kleinem Gefolge eine Jacht und fuhr nach Pillau hinüber, um dort das neue Befestigungswerk zu besichtigen und weitere Befehle zu erteilen. Während seiner Hinreise kam durch Unvorsichtigkeit seiner Soldaten, die sich „mit der Beute über Gebühr fröhlich erzeigeten", in der Neustadt ein Schadenfeuer aus, das 7 wohlgebaute Scheunen und darin über 100 Pferde von 6 Kompagnien des Oberstleutnants Kallenbach, Rittmeisters Benheim und anderer samt „vielem reisigen Zeug an Rüstungen, Pistolen, Satteln u. dgl." verzehrte. Als die Schwadronen Anfang Juli im großen Werder Quartier bezogen, sollten sie sich hier von dem Feuerschaden erholen und neu ausstaffieren.

Für den 12. November hatte Reichskanzler Oxenstierna Vertreter der besetzten Städte, so auch von Braunsberg, nach Elbing geladen. Außer der Bespeisung von 300 Mann verlangte er ein halbes Jahr hindurch Geldzahlung von 24 000 Gulden, die er dann auf 16 000 ermäßigte. Bei dieser Gelegenheit baten die Braunsberger um einen katholischen Priester. Aber der Kanzler schlug die Bitte kurzweg ab. Auf das weitere dringende Ersuchen, daß die Kirchen „nicht also spoliieret" (beraubt) werden möchten, erwiderte er: „hin ist hin," wollte aber an den Braunsberger Gubernator schreiben, daß fortan ohne königliche Erlaubnis nichts weiter weggenommen werden sollte. Wie sehr die vielfältige Not die Bürgerschaft dem Kummer und der Verzweiflung anheimfallen ließ, ist daraus ersichtlich, daß sich im März 1628 der Bürgermeister Hintz in einem Anfall von Schwermut „mit einem kleinen Messerlein die Gurgel abschnitt und ums Leben brachte".

Gegenseitige Plünderungszüge, so der Polen Ende Januar 1628 vor Braunsberg, denen die Obersten Nessa und Pauli mit 1500 Mann nachsetzten, und der Schweden Ende März in die Heilsberger Gegend bildeten die Kampfhandlungen der feindlichen Parteien. Als dann Gustav Adolf im Mai in Preußen erschien, beorderte er den größten Teil der Garnisonbesatzungen für seine westpreußischen Unternehmungen, die doch zu keinem entscheidenden Erfolg führten.

Auf Befehl des Reichskanzlers mußte die Braunsberger Bürgerschaft im Sommer zwei Häuser in Pillau bauen von 34 Schuh Länge und 16 Schuh Breite. Ein königlicher Ingenieur schlug der Gemeindevertretung vor, die Häuser vor der Stadt, „so der Defension (Verteidigung) und forteza (Festung) hinderlich sein," abzubrechen und für Pillau zu verwenden. Die Gemeinde war aber nur für den Abbruch des Ratsmalzhauses, hatte übrigens bei den Bauten Aufwendungen von 1145 Gulden. Im August mußte sie zur Verstärkung der Befestigungen unter Leitung eines schwedischen Ingenieurs und Hilfe der Soldaten einen Schutzwall um die Kupfer- und große Mühle aufführen, was weitere Kosten von 528 Gulden verursachte.

Nässe und Mißwuchs erzeugten Viehsterben und Seuchen, die auch unter den schwedischen Truppen sehr viele Opfer forderten.
Am 3. November reiften Simon Wichmann und Michael Protmann erneut zum König nach Pillau, um wegen der Bestätigung ihrer Privilegien und der Bespeisung der Garnison vorstellig zu werden; aber zu der ersten Bitte äußerte Gustav Adolf im Tone der Selbstverständlichkeit: „Wie änderst?" zeigte aber für die religiösen Wünsche der katholischen Bürgerschaft nicht das geringste Entgegenkommen. Wenn er aber wegen der Quartierlasten möglichste Schonung versprach, so 125 zeigte sich recht bald, wie wenig der Kanzler Oxenstierna dieser Zusicherung nachkam. Er verlangte eine neue Kontribution von 15 000 Talern, die binnen 5 Monaten zu zahlen sei. Die Gemeinde, die am 1. Dezember sorgenvoll zusammentrat, beschloß, monatlich 1000 Gulden zu bieten und eine Verkaufssteuer auf Heringe, Salz, Roggen usw. aufzulegen, im übrigen aber um eine Ermäßigung der Summe zu bitten. Oxenstierna, der die Soldforderungen seiner Offiziere und Mannschaften nicht mehr befriedigen konnte, setzte zwar die Kontribution auf 10000 Taler herab, erklärte aber, „sie mögen genommen werden, woher sie kommen," und lieh sich auch durch wiederholte Vorstellungen der weit über ihre Leistungsfähigkeit erschöpften Stadt nicht zur Nachgiebigkeit bewegen. Hier lagen in diesem Winter 5 Kompagnien deutsche Reiter unter Oberstleutnant Nessa, die im Dezember mit „allerleifarben Tücher" neu eingekleidet wurden. Im April 1629 forderte Oberst Ehrenreuter von Wormditt 2000 Taler der rückständigen Kontribution: „wo die Gelde nicht in parat (bereit) sein werden, wollte man etwas anderst der Stadt beweisen." Wie es hier aber aussah, zeigt in erschütternder Sprache das Protokoll der Gemeindesitzung vom 24. April: Beim Bollwark ist hochnötig zu scheppen (baggern), aber kein Geld dazu. Weder Saathafer noch Geld dazu ist vorhanden. Die Bauern können nicht mehr scharwerken wegen Mangel der Pferde; man weiß nicht Pferde aufzutreiben, wenn eilige Post gefordert wird. Die ruinierten Wehren zu bessern, fehlt es an Dielen. Im Mai sollte man trotzdem 20 000 Pfähle 7 Schuh lang und 1 Schuh breit nach Pillau liefern, wollte aber mit dem Gouverneur reden, ob dazu die Schloßbauern herangezogen werden könnten.

Im August sah sich der Rat wegen der „grassierenden Pestgefahr" veranlaßt, durch die Bürgerschaft Tagwachen in den Toren einzustellen, weil die Soldaten die fremden Durchreisenden nicht kannten. Aus diesem Monat haben wir eine Reihe Beschwerden über die schottischen Quartiergäste, die sich besonders anspruchsvoll und undiszipliniert benahmen. Sie verlangen „Tafelbier, viel Betten, auf jedes Bett zwei Laken, brechen Kammern mit Gewalt auf, wollen an Sonntagen Zugemös (Gemüse) und Bier haben, jagen die Leut aus ihren Betten und nehmen vor sich heraus, was ihnen dienet. Dem Voigtlender hat ein Soldat 2 Topf mit Tafelbier vorn Kopf geworfen, Bette aus dem Haus anderwärts genommen, gestern aufn Abend ihm die Tür mit einer Axt wollen aufbrechen. Den Kleinschnitt ist einer mit bloßem Messer zu Halse gelaufen, dem Peter Rohden die Kammer mit einer Musketen aufgeschlagen.

Fordern und brennen den Tag durch Licht beim Tabak und sollen ihnen der Fisch fett aus der Putter gekocht werden; Gregor Zimmermann klaget, daß sie ihn geschlagen haben und ihm den Arm zerschmettert; desgleichen bei Mattes Kirsten haben sie sich lassen Bier auftragen, als nun die Tochter die Zahlung fordert, haben sie mit Schlage ausgezahlet, und was des mutwilligen, unbändigen Gesindlnis übermütiges, mutwilliges Beginnen mehr übergelaufen."

Die mit großen Hoffnungen begrüßten Friedensverhandlungen ermutigten den Rat am 7. September in einer Supplikation an den König um Abstellung solcher Beschwerden zu bitten. Die einquartierten deutschen Reiter und schottischen Soldaten begehrten nicht allein Holz, Salz, Essig, sondern auch allerlei Gewürz; jeder wolle ein aufstehendes Bett besonders haben, sie traktierten ihre Wirte nicht allein mit bösen Worten, sondern auch mit Schlägen. Mit ihrem Servis sind die schottischen Kapitän nicht befriedigt, halten daneben große Banketts bis in und durch die ganze Nacht; dazu muß ihnen der Hauswirt auch frei Holz, Salz, Essig, Gewürz und andere überflüssige Zubehörung schaffen und nicht allein des Nacht unterschiedliche Tafellicht, sondern auch den Tag durch beim Tabakpfeifen frei Licht auftragen; und wollen darüber in der Woche zweimal ihre Bette mit reiner Leinwand überzogen haben. Nicht ungleicher hausieren die gemeinen Knechte schottischer Nation, welche nicht allein die Gekochgarten bei der Stadt gewaltsam ausreißen, sondern auch bei den naheliegenden Dörfern mit Kisten- und Kastenanschauen und anderem Mutwillen großen Schaden tun." Deshalb wünschte man, da die Stadt dem Vernehmen nach unter schwedischem Gubernament bleiben sollte, Quartiergäste schwedischer Nation, bat aber, wegen völliger Erschöpfung von weiterer Kontribution verschont zu werden, und endlich um ein „frei öffentlich erercitium catholicae religionis" (Ausübung der katholischen Religion) und Zulassung eines katholischen Priesters.

Als am 26. September zu Altmark ein sechsjähriger Waffenstillstand das unentschiedene Ringen ablöste, verblieben Braunsberg und Tolkemit mit ihrem Gebiet bei Schweden. Den religiösen Wünschen der Passargestadt wurde wenigstens insofern Rechnung getragen, als den Katholiken die kleine neustädtische Kirche freigegeben wurde.

Die trotz aller Vorsichtsmaßnahmen um sich greifende Pest, die dauernde Quartierlast und neue Kontributionen waren Grund genug zu dem ergreifenden Gebet des Stadtschreibers 127 in den Ratsakten zu Beginn d. J. 1630: salve nos, domine, perinus: Rette uns, o Herr, denn wir gehen zugrunde!

Der alte Brauch, zu Petri Stuhlfeier (22. Februar) vor der Bürgerschaft feierlich die Ratswahl und den Wechsel der Ämter vorzunehmen, war in den letzten Leidensjahren außer Übung gekommen; jetzt nach Abschluß des Waffenstillstandes wurde er der Notzeit entsprechend schlicht wieder aufgenommen und der in Krieg und Frieden vortrefflich bewährte Simon Wichman zum präsidierenden Bürgermeister erkoren. Einer angesehenen Braunsberger Familie i. J. 1581 entsprossen und auf den Schulen seiner Vaterstadt klassisch gebildet, gehörte er seit 1623 dem Rate an, wurde bald einer der drei Bürgermeister und bewies nicht nur bei der Eroberung der Stadt seinen persönlichen Heldenmut, sondern leistete auch seinen Mitbürgern durch seine kluge und gerechte Führung, vor allem auch durch seine charaktervollen Verhandlungen mit den schwedischen Machthabern wertvolle Dienste. Schon im März finden wir ihn wieder bei Kanzler Oxenstierna in Elbing, um die Freigabe der leerstehenden Jesuitenkirche für die Katholiken zu erwirken; vergeblich, der Kanzler schützte den Altmarker Vertrag und den königlichen Willen vor. Der katholische Priester, über dessen Berufung sich der König das Patronatsrecht vorbehalten, müsse der Krone Schwedens vereidigt werden und dürfe nicht einer von Heilsberg sein, sondern aus Frankreich (!) oder Deutschland, dürfe auch nicht dem Heilsberger Bischof unterworfen und vor allem kein Jesuit sein. Als nun Wichmann den alter Pfarrer Friese vorschlug, der ein frommer, stiller Mann sei, meinte der Kanzler, der sei auch ein Jesuit. Darauf wurde ihm klargemacht, daß die Stadt ihre besonderen Pfarrer und Priester gehabt habe, worauf er sich schließlich mit der Berufung einverstanden erklärte; mißtrauisch fügte er noch hinzu, der katholische Pfarrer dürfe wohl Briefe schreiben, aber „keine Praktiken machen wie dem Schmiede helfen, Mauern durchhauen."

Bild: Bürgermeister Simon Wichmann.
*1581  + 1638
Original im Amtszimmer des Bürgermeisters im Braunsberger Rathaus.
Photo: Robert Schubert, Braunsberg

So war endlich nach vier Jahren für die Braunsberger die gegründete Aussicht da, öffentlichen katholischen Gottesdienst und eine geregelte Seelsorge, wenn auch in bescheidensten Grenzen, wieder zu erhalten. Unter den rückwandernden Flüchtlingen stellten sich jetzt auch 9 Nonnen ein, die den Schweden aber als staatsgefährlich erschienen und den Reichskanzler im August zu einer Anfrage beim Magistrat veranlaßten. Erst am 26. Juli wurden die Schlüssel der neustädtischen Kirche dem altstädtischen Rat überliefert; die letzten Hindernisse zur Abhaltung des katholischen Gottesdienstes scheinen jedoch erst bei einem Besuch des Reichskanzlers Oxenstierna gefallen zu sein. Am 2. Dezember wollte der Rat ihm ein Präsent offerieren, „damit man wieder einen gnädigen Herrn haben möchte", und beschloß, ihm einen vergoldeten Pokal im Werte von 140 Gulden und dazu 300 Taler zu verehren. Bürgermeister Wichmann sollte allerdings zuvor den Sekretarius fragen, „ob solches dem Herrn Reichskanzler auch annehmlich sein möchte." Immerhin konnte am 10. Dezember „auf des Rats Vokation der achtbarwürdige und hochgelahrte Herr Laurentius Frisius gewesener Pfarrherr feiner verlassenen Schäflein väterliche Sorge und Cur wiederumb in diesen gefährlichen Zeiten auf sich nehmen." Als Kaplan wurde ihm der frühere Pfarrei Jakob Paternoster beigesellt, der in den letzten Jahren „viel Gutes bei der Bürgerschaft getan", im geheimen den Katholiken die Sakramente und geistlichen Trost gespendet hatte. Ihren Unterhalt bestritten sie aus opferwilligen Spenden der Bürgerschaft, da die lutherischen Prediger die Einkünfte der Pfarrgüter und kirchlichen Stiftungen bezogen. Sie durften übrigens nicht einmal in der Altstadt in dem Hause des Georg Schmidt wohnen bleiben, sondern wurden auf fremde Veranlassung in die Neustadt verwiesen.

Der schwedische Kanzler stieß in seinem Bestreben, die Selbstverwaltung und das angestammte Bekenntnis der Bürgerschaft zu unterhöhlen, auf zähen Widerstand des Rates. Die Spannungen wuchsen. Als die Mühle am 1. April 1631 abbrannte, schoben die Schweden die Schuld daran der katholischen Bürgerschaft zu. Am 16. ernannte Oxenstierna den Arzt Dr. Peter Burmeister zum Braunsberger Burggrafen, der im Juli mit drei anderen Evangelischen, die eben das Bürgerrecht erworben hatten, in den Rat aufgenommen werden mußte. Er bestimmte, daß die bisherigen Kirchen- und Spitalväter abgesetzt und durch evangelische ersetzt würden und alle unmündigen Kinder evangelische Vormünder erhielten. Licentiat Andreas Hoyer aus Danzig, der nach dem Abzuge des Hauptpredigers Rüdiger (September 1629) nach Braunsberg gekommen war, beantragte am 30. Juli, daß das Kolleg für ihn instand gesetzt werde, da er als erster Inspektor eine neue höhere Schule eröffnen sollte. Der Rat mußte dazu einen „gemeinen Hausschoß" von 10 Groschen auf alle Kirchspielskinder ausschreiben.

Im August verlas der Reichskanzler den ins Steinhaus berufenen katholischen Ratsmitgliedern eine Reihe von Verwarnungen und Verordnungen, wie die, daß niemand die Ausbreitung des Evangeliums hindern und durch Wort oder Tat die Katholiken vom Evangelium abhalten dürfe, daß die katholische Schule in der 129 Neustadt aufzulösen sei, daß kein Bürger seine Kinder nach einer auswärtigen Schule — gemeint war das eben begründete Jesuitenkolleg Rößel — schicken dürfe bei Verlust der Güter, daß auch die katholischen Bürger in der lutherischen Pfarrkirche taufen und trauen lassen sollten. Wenigstens dieser letzte Gewissenszwang wurde von dem Kanzler nach einigem Zögern zurückgenommen.

Am 11. Dezember 1632 erst langte von Elbing her die Nachricht an, daß Gustav Adolf „in dem blutigen Treffen vor Lützen in Leibes- und Lebensgefahr geraten und zeitlichen Todes gefallen sei. Damit nicht etwa durch Unbedachtsamkeit der Soldateska Ursach zu Unwillen und bösem Argwohn gegeben werde, ist der Bürgerschaft angesagt, daß sie sich hinfort aller äußerlichen Musik, Saitenspiels und Fröhlichkeit enthalten sollen, sich auch in der Zeit, bis etwas Gewisses einkommt, mit Worten, Sitten und Gebärden also erzeigen und stellen, damit die Soldateska und andere nicht bösen Argwohn nehmen, als täte man sich des Unglücks und Unfalls erfreuen." Am 15. wurde dann dem Rat im Schloß die amtliche Todesnachricht bekannt gegeben. Daraufhin wurden Kanzeln und Altar in beiden Kirchen mit schwarzem Trauertuch bekleidet und alle musikalische Fröhlichkeit untersagt. Nunmehr sollte die Bürgerschaft gemäß ihrem Eid bei der Einnahme der Stadt der jungen Königin Christine treu und hold sein.

Am 21. März 1633 erschien Feldmarschall Hermann Wrangel in der Stadt. Er befahl, daß zur größeren Sicherheit des nunmehr außenpolitisch gefährdeten Stützpunktes neue Wallungswerke errichtet würden. Die Altstadt führte mit einem Kostenaufwand von 3289 Gulden ein Hornwerk (2 halbe, hörnerähnliche Vorwerke) vor dem Hohen Tor und mit einem Aufwand von 1460 Gulden eine Revalin (inselartiges Fort) auf dem Reiserdamm auf. Die Neustädter mußten den Wallbau vor dem Mühlentor erstellen. Diese starken, durch Sturmpfähle mit Eisenspitzen und Gräben geschützten Verteidigungsbauten sieht man auf dem ausgezeichneten Stadtplan von 1635, den der Amtsschreiber Paul Stertzell in sorgfältiger Aufnahme zeichnete und durch Conrad Götke in Kupfer gravieren ließ. Die Platte schenkte Stertzell am 13. September dem Rate, der sie als „ewiges Gedächtnis" gern entgegennahm und sich mit einem Honorar von 100 Gulden erkenntlich zeigte. (Abbildung 2.)

Inzwischen hatte das Unglück, das nach Gustav Adolfs Tod über die Schweden hereingebrochen war, besonders der Verlust der Schlacht von Nördlingen (5. 9. 1634) sie geneigt gemacht, den Waffenstillstand mit Polen nach Ablauf des Altmarker Vertrages für weitere 26 Jahre zu verlängern. So wurde denn unter Vermittlung der englischen, französischen und brandenburgischen Gesandten am 12. September 1635 in Stuhmsdorf ein Vergleich geschlossen, wonach Schweden die in Preußen besetzten Orte, darunter auch Braunsberg, ihrem Landesherrn zurückgab. Am 16. langte die Freudenkunde in der ermländischen Hauptstadt ein. Gott hatte endlich „die vielfältigen schweren Seufzer und bitteren Tränen in Gnaden erhört und sein hochbedrängtes Volk von der schweren Dienstbarkeit und Drangsal der fremden Herrschaft erlöst." Auch die Schweden waren des langen Krieges überdrüssig, freuten sich des Friedens. In den Kirchen fanden Dankgottesdienste für die beiden Bekenntnisse statt. Nachmittags wurde die ganze Garnison bewaffnet, teils rund um die Stadt auf die Mauern, teils an die Schanzen, teils auf den Markt geführt und mit brennenden Lunten aufgestellt. Dann krachte aus allen groben Stücken rings um die Stadt der Donner der Geschütze, und die Musketiere auf dem Markt und den Mauern antworteten mit den Salven ihrer Gewehre. Noch einmal wiederholte sich diese militärische Freudenkundgebung, das weithin schallende Signal, daß die Kriegsnot nunmehr ihr Ende gefunden habe.

Nun verabschiedeten sich die fremden Zuzöglinge, die von den schwedischen Machthabern verlassene Bürgergrundstücke erhalten hatten, darunter die evangelischen Herren des Rates, denen auf ihre Bitten Zeugnisse ihres Wohlverhaltens ausgestellt wurden.

Am Mittwoch, 3. Oktober erfolgte die feierliche Übergabe der Stadt. Kommandant der Schweden war damals Oberst Andres Koßkull aus Livland, der ein Regiment Fußvolk befehligte. In und vor der Stadt lagen drei Fahnen Deutscher unter Major Kiest und den Kapitänen Schnur und Dürast, ferner drei Fahnen Schweden unter einem unbekannten Major und den Kapitänen Jost Brockenhusen und Nils Steffenson und das unvollständige Regiment des Andres Wasen. Mittags um 1 Uhr kam der Oberst der polnischen Leibgarde Reinholt von Rosen in einem Wagen in die Stadt, ihm folgte der Dompropst und Offizial Albert Rudnicki als Vertreter des ermländischen Bischofs Nikolaus Sziszkowski. Sie gingen zwischen 3 und 4 Uhr aufs Schloß und mit ihnen die Bürgermeister und Nettesten des Rats. Koßkull trat zu ihrer Begrüßung auf den Platz, richtete einige Worte an sie und übergab die Schlüssel der Stadt und des Schlosses im Namen der Krone Schweden an Oberst Rosen als Vertreter Polens. Dieser 131 reichte sie an den bischöflichen Kommissar Rudnicki weiter, und dieser lieferte sie Bürgermeister Wichmann aus. Dann ward die schwedische Trommel gerührt, die Kriegsknechte sammelten sich auf dem altstädtischen Markte, und zwischen 5 und 6 zogen sie in guter Ordnung mit fliegenden Fähnlein, Sack und Pack, ohne allen zugefügten und empfangenen Schaden, mit vielem Krachen und Schießen, Umsehen und Seufzen durchs Hohe Tor hinaus zum Haff, wo Schiffe ihrer warteten.

Bevor die Schweden abrückten, hatten sie zwei entlaufene Fußknechte erwischt; den einen, einen Deutschen und Katholiken, ließen sie laufen, den andern, einen Engländer und Kalvinisten, henkten sie auf dem Markt gegenüber der Stadtschreiberei. Am Abend ließ Oberst von Rosen die Leiche abnehmen, im Feld begraben und den Galgen durch den Büttel umhauen.

Am nächsten Vormittag hielt Pater Andreas Klüngel in der Jesuitenkirche ein feierliches Amt. Danach versammelte sich der ehrsame Rat im großen Remter des Schlosses, die Bürgerschaft unten im Hof, um dem ermländischen Bischof den Huldigungseid zu leisten. Zuvor rühmte Rudnicki in lateinischer Rede höchlich die in schwerster Zeit bewiesene Treue der Bürgerschaft gegen ihre Landesherrschaft und Religion und versprach ihnen Bestätigung und Mehrung ihrer Privilegien. Nachmittags wurde die St. Katharinenkirche durch den bischöflichen Kommissar neugeweiht und nach einer Litanei das Te Deum mit Trompetenbegleitung gesungen, während polnische Truppen Kanonenschüsse lösten. Pater Klünger und Simon Berent übernahmen das arg geplünderte und verwüstete Besitztum ihres Ordens, und allmählich bevölkerten sich wieder die verlassenen Anstalten mit Lehrern und Schülern.

Von der ganzen Bürgerschaft aber waren nur noch 68 Mann übriggeblieben, von denen 23, darunter auch Bürgermeister Wichmann und der Stadtnotar Martin Schröter, der Zunft der Kaufleute und Mälzenbräuer angehörten, je 9 waren Schuster und Bäcker, je 5 Tuchmacher und Schneider, 4 Schmiede, 3 Kürschner, je 2 Böttcher, Höker und Riemer, je 1 Töpfer, Leinweber, Kannengießer und Tischler.

„Daß aber dieser Zeit eine solche Rarität und Wenigkeit der Bürgerschaft befunden, ist nicht zu verwundern; denn der vornehmste und reichste Teil derselben, die vorm Kriege ihrem Vermögen reputierlich und ansehnlich genug war, teils anno 1627 durch viele Mühe und Widerwillen, teils anno 1629 durch grassierende Pest aufgeraffet hinweggestorben, teils auch der Stadt verzogen und in fremden Orten ihr Domicilium angeleget."

9 Jahre, 2 Monate und 23 Tage hatte die schwedische Fremdherrschaft gedauert. An Kontributionen rechnete der Stadtsekretär einen Gesamtbetrag von 166 548 polnischen Gulden, an Bauten und sonstigen öffentlichen Leistungen 9178 Gulden zusammen. Wenn wir hören, daß i. J. 1636 das Gut Rosenort und die Wecklitzmühle, einen Verkaufspreis von 9000 Gulden erbrachten, gewinnen wir einen ungefähren Maßstab für die Beurteilung dieser Verlustziffern. Diese gewaltigen Summen waren größtenteils von der Bürgerschaft aufgebracht, zum Teil auch geliehen. „Was sonsten an unterschiedlichen Reisen, Unkosten, Honorarien (Ehrengeschenke), Stationen (Post) und Extraordinarien (außergewöhnliche Leistungen) aufgegangen; item wie jämmerlich die Stadtwalde mit Staketen (Latten), Kortegarden, Holz und durch schwedischen Schiffsmajor verhauen, ist hierin nicht comprehendieret (eingerechnet). Denn was die Bürgerschaft an Privatkonten, Alimentation (Verpflegung). Bettkleider, Laken, Tisch- und Handtücher, Servis, Licht, Esser (Essig), Pfeffer, Salz, Holz und andere Beschwerd getroffen, wird mancher und sein Nachkömmling besser gedenken als verschmerzen und erwinden."

Am 5. Oktober trat der aus 10 einheimischen Mitgliedern bestehende Rat zu seiner ersten freien Sitzung zusammen und beglückwünschte einander. Nun waren sie wieder Herr im Haus und durften des zum Zeichen mit den zurückerlangten Stadtschlüsseln die Tore schließen, wenn es gegen Abend beginnt zu schimmern und die Schließglocke geläutet ist und die Bürger die Wache bezogen haben.Im Dezember verlautete, Bischof Sziszkowski und König Wladislaus IV. wollten in Kürze die Stadt besuchen. Man wollte die hohen Gäste bei ihrem ersten Einzüge „mit Manier" einholen: Das schien aber schwierig, da nicht alle Bürger bewaffnet waren. Man beschloß eine Musterung und die Anschaffung neuer Trommeln und rotweißer Fahnen. 3 Kompagnien zu Fuß und möglichst viele Reiter sollten ausstaffiert werden. Am 5. Januar 1636 erschien der polnische Kommissar Alexander Butler, der in Braunsberg bei den Jesuiten studiert hatte und beim Schwedeneinfall dem Feind mit einer Muskete entgegengetreten war, um im Namen des Königs dessen großes Mitleiden mit der Stadt wegen der ausgestandenen Drangsal und Verfolgung und Freude über die Erlösung auszusprechen, zugleich aber auch die Anerkennung, daß „die Bürgerschaft im ersten Angriff des Feindes also getreu und parat (bereit) und nach Vermögen dem feindlichen Anfall Widerstand getan, daß sie dadurch bei männiglich Lob und Ehr erlanget, in Ansehung, 133 daß sie mehr getan als andere Städt mit mehr und stärker befestiget mit Stücken. Kriegsmunition und Volk versehen. gleichwohl nicht ein einzigen Schuß dem Feind entgegengeschickt; hätte also Ihro Kgl. Majestät ein groß Gefallen an erzeigter Fidelität (Treue) und Standhaftigkeit sowohl im ersten Anlauf als die Jahr hero bezeuget."

Dieser dankbaren Anerkennung wollte der Polenkönig persönlichen Ausdruck geben. Zu seinem Empfange traf am 13. Februar Bischof Sziszkowski in Braunsberg ein. Diesen holte eine berittene Kompagnie junger Bürger vom Kreuz im Neustädter Feld ein. Hier überreichten ihm die Bürgermeister, die im Wagen mitgefahren waren, die Stadtschlüssel in rotem Taft, die er ihnen mit freundlichen Worten wiedergab. Dann bewegte sich der Zug zur Stadt, wo Trompetensignale und Kanonenböller ihn begrüßten. 3 Kompagnien mit Ober- und Untergewehr bildeten von der Vorstadt bis zum Schloß „eine Gasse." Sie führten drei verschiedene Fahnen: eine von weißem Taft mit dem zeitigen Ratssiegel bemalt: ein grüner Lorbeerbaum, zu beiden Seiten ein Engel, welche zwei Halbmonde, das Wappen des Bischofs, über dem Baume halten, unten ein Drache mit einem Hirsch; die klassische Unterschrift lautete: Sub hoc sidere truncata viresco (Unter diesem Zeichen werde ich auch verstümmelt wieder ergrünen.) Die zweite Fahne war rot und weiß mit der Stadt großem Wappen, nämlich drei Türme, darunter im grünen Feld ein laufender Hirsch, oben von einer Seite ein schweres Ungewitter von Hagel, auf der anderen Seite Sonnenschein; darunter das lateinische Sprichwort: post nubila Phoebus (Auf Regen folgt Sonnenschein). Die dritte Fahne war ebenfalls rot und weiß, darin das Gerichtssiegel, ein Kreuz mit dem ermländischen Lamm. So hatte der Rat die mittelalterlichen Wappenbilder der Stadt in barocker Gestaltungsfreude mit dem Gedächtnis an das schwere Erleben der Schwedenzeit und zuversichtlicher Hoffnung auf eine bessere Zukunft sinnig verbunden. Der erste Besuch des Bischofs galt der Pfarrkirche, wo das Te Deum gesungen wurde, dann begab er sich ins Schloß.

Am 15. abends langte auch der König an, der im Kriege als Prinz selbst vor der Stadt gelegen hatte. Durch Vermittlung seines bischöflichen Unterkanzlers Peter Gembicki, der ebenfalls im hiesigen Kolleg studiert hatte, empfing Wladislaus den Rat. Der präsidierende Bürgermeister Lukas Schulz begrüßte ihn, gratulierte ihn zur „herrlichen Viktorie wider der Krone Feinde" und legte ihm die überstandene Kriegsnot dar. Im Namen des Königs antwortete dann Gembicki in lateinischer Rede, die der tapferen, vorbildlichen Pflichttreue der Braunsberger Bürgerschaft hohe Anerkennung zollte. Dann ließ der König die Herren zum Handkuß zu, wobei er Tränen des Mitleids und der Rührung vergoß.

Der Rat aber beschloß, das Eisen zu schmieden, so lange es warm war. Man trug dem Unterkanzler allerlei Wünsche vor: Da der Stadt im Kriege ihre groben Geschütze geraubt seien, bitten sie um Ersatz; der Hafen von Frauenburg möge nicht ausgebaut werden, da er der Stadt zu nahe und zu verderblichem Untergang sei; der Rat möchte Patrizierrechte genießen, mit rotem Wachs siegeln und das Stadtsiegel etwas verbessern; die Ratsherren möchten ihre Hausmarke unterm offenen Helm führen; der König möge von seinem Wappen zum ewigen Zeichen etwas dazutun, weil alles Unglück für die Stadt vom Hause Wasa durch Gustav und die Erlösung aus demselben Hause von Wladislaus gekommen sei; da dies Königsgeschlecht eine Garbe führe, möchte die Stadt dieses Zeichen zur freudigen Erinnerung übernehmen. Damit aber diese Bitten geneigteres Gehör fänden, beschloß man, dem Unterkanzler ein kostbares vergoldetes Silbergeschirr zu verehren. Da er dem König nach Königsberg gefolgt war, suchte ihn dort eine Deputation auf, an deren Spitze wieder Bürgermeister Wichmann stand, dessen Initiative wohl die meisten dieser aus einem gesteigerten Lebensgefühl entsprungenen Ehrungswünsche entstammten. In gnädiger Audienz wiederholte der Vizekanzler, wie Braunsberg allen Städten die Palme der Treue und Standhaftigkeit entrissen habe und den verdienten Lohn ernten solle. Das kostbare Geschenk setzte ihn in Verlegenheit, „da er es um die Stadt nicht verdienet", doch ließ er sich endlich bewegen es anzunehmen. Freundlich sagte er den Bitten Erfüllung zu und bat der Einfachheit halber, ihm einen Entwurf für das Patriziats-Diplom, „wie sie es immer konnten," zu verfassen und nach Königsberg zuzusenden.

Seinen Versprechungen folgte bald die Tat. Am 11. März überwies der König den Braunsbergern durch Bischof Sziszkowski als Ersatz 6 Geschütze mit Kraut und Lot. „daß der Ort wohl bewahrt bleibe", und am 23. Mai konnte Wichmann seinen erfreuten Ratskollegen das königliche „herrliche und schöne Diploma lateinisch auf Pergament fein deutlich geschrieben" vorzeigen, das ihm vom Vizekanzler Gembicki zugegangen war, „darein die Stadt herrlich gelobet wird." Wunschgemäß wurde ihr altes Wappen verbessert: die beiden ursprünglichen Wappentiere Lindwurm und Hirsch umstanden jetzt einen grünen Lorbeerbaum im weißen Feld. Neu hinzukamen zwei Engel, 135 die in einer Hand grüne Lorbeerzweige hielten, oben drei volle Ähren und darunter zwei Halbmonde, die die Engel mit der andern Hand trugen. Unter dem Ganzen die Unterschrift: Sub hoc sidere truncata viresco. Weiter erhielt der Rat das Patriziat und damit das Recht, mit rotem Wachs zu siegeln. Die Familien des zeitigen Rates wurden zu Geschlechtern d. h. in den Patrizierstand erhoben und mit Wappen aus gezeichnet, in denen sie über dem weiß-roten Schilde mit dem Haus- oder Familienzeichen einen offenen Helm mit drei Ähren führen sollten. Die ausgezeichneten Patrizier waren die drei Bürgermeister Wichmann, Matthias Kirsten, Lukas Schulz und die Ratsherren Peter Augsten, Peter Schuknecht, Michael Protmann, Christoph Schmidt, Georg Protmann, Peter Siewert und Andreas Ludwig. Bürgermeister Wichmann, der wegen seiner ausgezeichneten Tüchtigkeit, Treue und eifrigen Arbeit für die Vaterstadt noch besonders gerühmt wurde, durfte in seinen Wappenschild zu seiner Hausmarke noch die Halbmonde des Bischofs Sziszkowski aufnehmen und außer den Wasa-Ähren über dem Helm einen das Schwert schwingenden Arm zum Gedächtnis seines bewiesenen Heldenmutes i. J. 1626. Dieses Wappen weist auch das schöne Brustbild im heutigen Amtszimmer des Bürgermeister auf, das uns Simon Wichmann den „ersten Patrizier Braunsbergs dem Range und den Verdiensten nach," im vornehmen Schnürrock und weißen Spitzenkragen zeigt, das Haupt mit den ernsten, klugen, entschlossenen Zügen und dem leichten Schnurrbart von langem, dunklem Haar umwallt. Ein anderes weniger gutes, 1644 gemaltes und 1766 erneuertes Bild, das ihn in Lebensgröße darstellt, schmückt den alten Stadtverordneten-Sitzungssaal.

Anscheinend gab es nun, wie üblich, Neid und Zank bei anderen Familien, die mit demselben Rechte hätten in das Patriziat erhoben werden müssen, da ihre Häupter auch während der Kriegsjahre zum Rat gehört, die Elendjahre aber nicht mehr überlebt hatten. Deshalb dehnte das auf dem Warschauer Reichstag am 22. Februar 1637 feierlich wiederholte königliche Diplom die Standeserhöhung auch auf die Rats» familien Andreas Foltert, Johann und Andreas Hintz, Matthäus Wichmann, Michael Kirsten den Älteren und den Jüngeren und Bartholomäus Follert aus. Die polnische Krone hatte durch diese Auszeichnungen, die keine Aufwendungen kosteten, aneifernd und werbend gewirkt. Auch der Bischof stellte durch weitgehendste Bestätigung aller bisherigen Privilegien und Rechtstitel der Altstadt die Bürgerschaft zufrieden. Nachdem der bischöfliche Sekretär Albert Bialobreszky seiner Zusage entsprechend den Entwurf der Urkunde an Bürgermeister Wichmann geschickt hatte und der Rat sich „sehr wohl content" (zufrieden) gezeigt hatte, unterfertigte Sziszkowski die Pergamentausfertigung am 26. Dezember 1636.

Im Januar 1635 erstand der Rat von Frau Anna Euphrosina von Dohna auf Schlobitten, der Witwe des Georg von Preuck, das Gut Rosenort und die Wecklitzmühle für 5 000 Gulden bar und die Verpfändung von 6 Köslinschen Hufen im Werte von 4000 G. Wenn die Stadt auch nicht Bargeld besaß, so war sie doch nach Friedensschluß kreditfähig, und deshalb lieh ihr der Mehlsacker Burggraf Johann von Schwaben am 17. Dezember 1635 6000 Gulden gegen den Jahreszins von 420 Gulden, mit denen Auhof belastet wurde. Die „kleine Mühle hinterm Köslin" wollte der Rat im Mai zu einer Papiermühle einrichten, für die er sich einen Papiermachergesellen verschrieb. So wußte der Rat umsichtig Stadtbesitz und Erwerbsmöglichleiten zu mehren.

Bürgermeister Wichmann überlebte nicht lange seine verdienten Ehrungen. Die letzten Lebenstage waren ihm noch mit „mancherlei nachteiligen Afterreden" vergällt, die wohl kleinlicher Mißgunst entstammten und durch einen Erbschaftsstreit mit Frau Eisenbletter vergrößert wurden. Im Gefühle seiner Unschuld bat er seine Ratskollegen um einen Verhandlungstermin, jedoch die Eisenblettersche zog es vor, nach Danzig zu verreisen. Wichmann aber fiel am Terminstage, den 26. April 1638 plötzlich in eine schwere Krankheit, an der er am 9. Mai verschied. Der zur Zeit präsidierende Bürgermeister Lukas Schultz setzte das Ratskollegium von dem schweren Verlust in Kenntnis und wünschte, daß nach altem Brauch vom Tage des Abschiedes bis zum Begräbnis die vier Hauptgewerke täglich eine ganze Stunde mit allen Glocken läuteten und bei der Beisetzung in der Kirchengruft die vier jüngsten Ratsherren die Leiche zur Kirche trügen; aber die in Frage kommenden Herren weigerten sich, wohl weil sie sich für die „veraltete Sitte" zu fein blinkten, und beschränkten sich, neben dem Sarge zu gehen, den die Welkleute tragen mußten.

Hatte es auch in den früheren Jahrhunderten in Braunsberg nicht an vereinzelten Fällen gefehlt, wo in der Regel Frauen der Wahrsagerei und Zauberei bezichtigt wurden, so mehrten sich diese Hexenprozesse doch im 17. Jahrhundert ganz erheblich. Eine wahre Psychose erfaßte Deutschland in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, und die Verrohung und Verwilderung des dreißigjährigen Krieges trug zur Verschlimmerung des beklagenswerten Hexenwahns das ihrige bei. 137 Obwohl der Jesuit Friedlich von Spee auf Grund seiner traurigen Erfahrungen i. J. 1631 energisch diesem Aberglauben zu Leibe rückte, dauerten die letzten Hexenprozesse noch bis ins 18. Jahrhundert hinein. In Braunsberg erreichte die Hexenvervolgung in der Mitte des 17. Jahrhunderts, teilweise wohl auch als Auswirkung der Schwedenzeit, ihren Höhepunkt. Soweit das lückenhafte Aktenmaterial Feststellungen ermöglicht, wurde in der Altstadt 1605 die erste und 1670 die letzte Hexe, in der Neustadt wahrscheinlich 1610 die erste und 1686 die letzte verbrannt. In der Altstadt lassen sich bis 1772 über 70 Anklagen wegen verschiedenartiger Zauberei nachweisen; von den Angeschuldigten wurden 11 Frauen und 1 Mann zum Feuertod verurteilt, 17 Frauen und 3 Männer aus der Stadt verbannt und die übrigen mit Geld oder Turmstrafe belegt oder auch unbestraft entlassen. 22 dieser Klagefälle und 8 Verbrennungen gehören aber in die Zeit von 1637 - 52. Ebenso fallen in dieselbe Zeitspanne in der Neustadt von über 50 Hexenprozessen 35 und von 32 Hinrichtungen 23.

Da befaßte sich vielleicht eine Frau nach altem Brauch mit Quacksalberei, Besprechen von Krankheiten und anderen abergläubischen Kuren; hatte sie Pech, erregte sie leicht den Unwillen der enttäuschten Patienten, konnte sie in ihrem geheimnisvollen Getue den Verdacht erwecken, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Oder ein häßliches Weib oder eine Bettlerin war vielleicht in ein Haus oder einen Stall gekommen, wo zufällig gleich darauf eine Person oder Vieh erkrankte, Grund genug zu der Annahme, jene Frau habe durch bösen Blick oder Verwünschung die Krankheit hervorgerufen. Ein andermal machte sich ein hysterisches oder gar fallsüchtiges Weib durch unvernünftiges Gerede und sonderbare Gebärden verdächtig. An gutgläubigen und böswilligen Angebern fehlte es nicht. So muhte das Stadtgericht den Straffall untersuchen. Natürlich leugnete die Beschuldigte die unsinnigen Anklagen, worauf die Zeugen ihre Aussagen beschwören mußten. Nun wurden der Unglücklichen die Marterwerkzeuge gezeigt oder auch leicht angelegt, um sie zum Geständnis zu bewegen. Wirkte dieses Mittel noch nicht, so schritt man zu den Daumenschrauben, dann zu den spanischen Stiefeln. Meist fühlten schon diese Foltern zu den unmöglichsten Bekenntnissen. Blieb aber die Gequälte bei der Behauptung ihrer Unschuld, so ging das Gericht zu den höheren Graden der Tortur über. Die Angeklagte wurde auf die Folterbank gelegt, die Füße angebunden und der Körper mittels einer Kurbel an den zurückgebogenen Armen jammervoll auseinandergezogen. Zuweilen tropfte man noch brennenden Schwefel auf bloße Stellen des Körpers. Wenn das gepeinigte Weib wenig oder gar nicht weinte und schrie, wenn es die Augen nach oben lichtete oder rot wurde, galt das als besonders verdächtig. Hatte die Folterung trotz allem noch nicht den gewünschten Erfolg, so konnte sie an den nächsten Tagen noch ein zweites und drittesmal wiederholt werden.

Bis 1637 griff man auch zu dem Gottesurteil der Wasserprobe. Die Beschuldigte mußte den Arm in siedendes Wasser tauchen, dann wurde dieser in einen Sack gesteckt und, um sicher zu sein, daß inzwischen kein Heilmittel angewandt werden könne, der Sack versiegelt. Zeigte sich der Arm nach einigen Tagen unverletzt, dann erblickte man darin ein Zeichen der Unschuld. In jenem Jahre wurde das sogenannte Hexenbad eingefühlt, durch das man eher hinter die Wahrheit zu kommen glaubte. Die Angeklagte wurde nackt, Hände und Füße kreuzweise gebunden, dreimal aufs Wasser gelegt oder anderthalb Ellen hinuntergelassen. Das Nichtuntergehen wurde als Beweis der Schuld angesehen. Schon 1643 wurde dieses Verfahren von der bischöflichen Behörde verboten. Später bitten manche Weiber selbst, um ihre Unschuld darzutun, die Richter mögen sie schwemmen. Wenn ihnen ohnehin die Todesstrafe bevorstand, wären sie auf diese Weise wenigstens den Folterqualen entgangen.

Was die Richter nun hören wollten und daher die verdächtigten Frauen in der Pein der Tortur aussagten, das war in der Regel die Hingabe an den Teufel, der hier meist den Namen Kasper führte. Als junger, stattlicher Mann pflegte er schwarz gekleidet zu sein, einen schwarzen Hut mit einer loten Feder, einen Degen und lange Schnabelschuhe zu tragen. Mit dem Satan vergnügten sich nun die Hexen gewöhnlich zu Walpurgis und Johannis auf dem Kaddig-, Blocks-, Schwalken- oder Hünenberg, dem Tanzplatz oder der Venuswiese. Meist fuhren sie dorthin in einem von schwarzen Böcken oder einem Rappen bespannten Wagen ohne Fuhrmann, manche ritten auch auf einem Bock, Pferd oder Hund. An Ort und Stelle angelangt, setzte man sich zunächst zum gemeinsamen Mahl, wobei allerlei Fleisch, Fische. Grütze, Käse und Butter verzehrt und Bier getrunken wurde. Rasch war man damit fertig, dann begann der Tanz. Vermummte oder die Teufel selbst machten mit Pfeifen, Fiedeln, Trommeln, Pauken, Harfen oder Zithern Musik. Nach dem Tanze entfernte sich jeder Teufel mit seiner Buhle. Einem brausenden Winde gleich verschwand alles um Mitternacht oder beim Hahnenschrei. Die „Kleinen", die der Umgang mit dem Bösen zur Welt brachte, hatten 139 entweder menschliche oder affen- oder mäuseartige Gestalt. Nicht jeder konnte sie sehen und ihre quiekende Sprache verstehen. Sie verlangten Gelegenheit, Unheil anzurichten. Durch Anhauchen oder ein teuflisches Gift konnten diese Kobolde, Alfen in die Körper von Menschen und Tieren hineinpraktiziert werden und dort allerlei Krankheiten, gichtische Leiden, Hexenschuß, Seuchen und den Tod hervorrufen.

Solche Ausgeburten einer verirrten Phantasie und wahnfinniger Folterqualen wurden damals überall als Wirklichkeiten geglaubt. Oft genug widerriefen natürlich die unglücklichen Frauen ihr Geständnis, wenn die Pein aufhörte. Dann hielten das die Richter für Wankelmut und nahmen die Tortur wieder auf, bis die bedauernswerten Opfer sich eine Aussage fest einprägten und bei ihr bis zum Tode verharrten; dadurch konnten sie sich wenigstens ihre Martern verkürzen. War das Geständnis erpreßt, so fragten die Richter noch auf der Folter nach den Teilnehmerinnen am Hexentanz. Die Angeklagten nannten nun zuweilen ganz beiläufig, oft auch aus Haß und Feindschaft die eine oder andere ihrer Bekannten. Wollten sie später diese Angaben widerrufen, so drohte man von neuem mit der Folter. Die Aussage einer für überführt gehaltenen Hexe, die auf diese Worte starb, erhob ohne weiteres Zeugnis alles zur vollen Gewißheit. So zog oft ein Hexenprozeß eine Reihe weiterer nach sich.

Als Strafe für schwere Zauberei kam nach dem lübischen Recht der Tod mit Feuer und Schwert zur Anwendung. Doch wurde den Verurteilten der Empfang der Sterbesakramente nicht verwehrt. Auf dem Wege zur Richtstätte wurden besonders gefährliche Hexen noch mit glühenden Zangen gezwackt; dann mußten sie den Scheiterhaufen besteigen, um den schrecklichen Irrwahn ihrer Zeit mit einem qualvollen Tode zu büßen. I. J. 1671 ging der altstädtische Rat zu einer etwas milderen Todesstrafe über, indem er auch in Berufung auf die Auffassung des bischöflichen Landesherrn beschloß, die Hexen zuerst zu enthaupten und dann zu verbrennen.

Diese Prozesse dauerten in Braunsberg gewöhnlich 8—14 Tage; der längste währte zwei Monate, der kürzeste einen Tag. Die Gerichtskosten wurden durch einen besonderen Bürgerschoß (1637 von jedem Hause 10 Groschen) aufgebracht. War die Angeklagte aus einem Stadtdorfe, so mußte dieses dafür aufkommen. Der Scharfrichter bezog übrigens nach einer Taxe v. J. 1661 fürs Verbrennen 7 Gulden, fürs Hängen 6, fürs Vierteilen 8, fürs Kopfabhauen 15 Gulden. Ein Brandmal brachte ihm 20 Groschen, die Tortur 1 Gulden ein.

Wenden wir uns von diesen düstern Bildern einer internationalen Massenpsychose zurück zu den politischen Entwicklungen des 17. Jahrhunderts.

Als Königin Christine von Schweden wegen ihres Übertritts zum Katholizismus i. J. 1654 zu Gunsten ihres Vetters, des Pfalzgrafen Karl Gustav von Zweibrücken, auf ihren Thron verzichtete, erhob der polnische König Johann Kasimir Erbansprüche auf die schwedische Krone. Karl Gustav antwortete mit einem Einfall in Polen. Der 2. schwedisch-polnische Krieg kam i. J. 1655 zum Ausbruch.

Nachdem „allerhand böse Avisen wegen besorglichen Einfall der Schweden spargieret" (Nachrichten verbreitet) worden waren, richtete der bischöfliche Schloßhauptmann an den Rat die Aufforderung, die Mauern und Schanzen auszubessern, eine Musterung abzuhalten und für den Notfall vorzubereiten, was sonst zur Verteidigung erforderlich sei. Am 5. April beschlossen Rat und Gemeinde nach langer Beratung, obwohl „ihre arme Stadt ohne genügsamen Schutz und Entsatz ihrer hohen Obrigkeit sich gegen einen mächtigen Feind zu defendieren (verteidigen) gar schlecht bestandt befindet, jedennoch ihren vorigen Fußstapfen inhaerirend (folgend) das ihrige als redliche und treue Bürger, so lange menschliche Müglichkeit vorhanden, zu tun." Demzufolge wollte man die Musterung vornehmen, die großen Löcher in den Mauern „vermachen", die Schanze vor dem Hohen Tor, als der Stadt schädlich, schleifen, die kleine notwendige am Mönchentor aber bis zum Wasser erhalten und instandsetzen, weil man von der Flußseite den feindlichen Einfall fürchtete. Ein polnisches Schreiben des ermländischen Bischofs Wenzeslaus Leszczynski von seinem Kuraufenthalt Baden bei Wien an den Braunsberger Schloßhauptmann, das der Bürgermeister ins Deutsche übertragen ließ, und eine Steuerforderung des Heilsberger Scheffers (bischöflicher Finanzbeamter) ließen die Kriegsgefahr dringlicher erscheinen. Am 19. Mai verlangte die Gemeindevertretung kräftige Förderung des Schanzenbaus durch Scharwerk unter Aufsicht zweier Bürger, Anschaffung von Musketen für die Stadt, Musterung der bürgerlichen Waffen und Munition, Annahme „eines verständigen und zu dieser Stadt sich schickenden Kommandanten, etzlicher in der Artillerie und Büchsenmacherzunft erfahrener Männer." Zur Bistumskontribution wollte man nichts beisteuern, „sintemalen man mit sich selbst genügsam zu tun habe, und nicht die Stadt das Land zu entsetzen, sondern vielmehr die Landschaft dieser Stadt, an welcher Konservierung (Erhaltung) des Landes Wohlfahrt hanget, zu Hilfe zu kommen schuldig ist." 141 Interessant ist die Schlußbemerkung des Sitzungsprotokolls, daß man beim Pater Rektor Beschwerde geführt habe, weil die polnischen Studenten in kriegerischer Begeisterung nachts geschossen und anderen Lärm gemacht hatten. Der Rektor wollte die jungen Leute verwarnen; würde das nichts verschlagen, so sollte die Bürgerschaft ihr Bestes tun und keinen verschonen.

Am 25. Juli berührte Bischof Leszczynski auf einer Reise nach Frauenburg die Stadt, vom Rat und der Bürgerschaft feierlich empfangen und eingeholt. Er ließ einen Leutnant und 60) Mann zurück, die von der Bürgerschaft zunächst im Unterkrug (Adlerkrug) untergebracht wurden. Bald stellte sich heraus, daß der Fürstbischof diese Truppen zum Schutz der Stadt geworben habe, um anderer und vielleicht polnischer Besatzung damit zuvorzukommen. So konnten sich die einzelnen Bürger der Quartierlast doch nicht entziehen. Im übrigen redete man in den Gemeindesitzungen viel und ließ den Worten wenig die Tat folgen, so daß der Ratsschreiber unmutig den Akten die Bemerkung einfügte: „Weil aber insgemein nichts Richtiges beschlossen, und wo ja noch irgend etwas endlich beliebet wird, das Geringste doch nicht ad effectum (zur Durchführung) kommt, sondern wie man von einander gehet, gemeiniglich auch alles vergessen bleibet, ist unnötig, viel anhero zu verschreiben und die Acta, wie bishero geschehen, ferner mit vergeblichen Kalenderien zu erfüllen."

Wenn auch Bischof und Domkapitel zur Landesverteidigung im August Herrn Heinrich Ludwig von der Demut als Major bestellten mit dem Auftrage, 150 Dragoner und 200 Mann zu Fuß zu werben, so konnte selbst diese ermländische Streitmacht den Schutz des Bistums unmöglich sicherstellen. Gegenüber den starken Heeren der benachbarten Mächte blieb das militärisch unorganisierte Ermland völlig wehrlos. Dieses Bewußtsein beeinträchtigte letzlich die Entschlußkraft der Braunsberger, und die Erfahrungen des ersten Schwedenkrieges ließen sie den kommenden Dingen mit trüber Ergebung entgegensehen.

In dem Krieg zwischen Polen und Schweden war die Haltung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der als Herzog von Preußen der polnischen Krone lehnspflichtig war, von höchster Bedeutung. Schon i. J. 1652 hatte der Kurfürst den ermländischen Bischof auf die drohende Kriegsgefahr hingewiesen und gemahnt, die Plätze im Bistum, besonders Braunsberg gut zu befestigen; er werde es an nachbarlicher Hilfe nicht fehlen lassen. Als nun die Feindseligkeiten tatsächlich zum Ausbruch kamen, näherte er sich den Schweden und verlangte von ihnen als Preis für die Neutralität oder Waffengemeinschaft außer der Souveränität Preußens auch den Besitz des Bistums Ermland. Die Schweden boten im Juli 1655 die Souveränität, aber das Ermland ohne Braunsberg, weil die Schweden diesen wichtigen Platz für sich behalten wollten. Der Kurfürst entgegnete darauf in klarer Würdigung der Bedeutung der Passargestadt: „Ermland ohne Braunsberg halten wir für einen Leib ohne Seele." Und er gab seinen Gesandten den Auftrag, das ganze Bistum mit Stadt und Hafen Braunsberg von den schwedischen Unterhändlern zu verlangen. Trotzdem sicherte der Geheimvertrag von Rogasen (9. 8. 1655) dem Kurfürsten nur das Ermland ohne Braunsberg als schwedisches Lehen zu, für Braunsberg sollte er anderweitig entschädigt werden.

Das siegreiche Vorrücken der Schweden in Polen und ihr Einzug in Warschau (8. September) spornten den Kurfürsten an, die ihm im Rogaser Vertrage versprochenen Vergünstigungen sich mit Waffengewalt zu sichern. Die ermländischen Söldner und die Landesmiliz kehlten eben von einer unnützen Hilfsaktion nach Masovien zurück, wo sie durch die Schweden vom Gros des polnischen Heeres abgeschnitten wurden, als Ende September brandenburgische Truppen im Bistum einrückten.

Graf von Waldes eröffnete mit etlichen Kompagnien und 12 Geschützen in Braunsberg den Durchzug der Brandenburger. Die Bürgermeister ließen auf Wunsch des Obersten von Kreutz dem Militär durch die Stadtbauern 30 Tonnen Bier und Brote von 1/2 Last bis nach Pillau nachschicken. Darüber große Entlüftung in der Gemeinde, daß der Rat nicht gefragt sei; aber schon wenige Tage danach passierten die Völker des Obersten von Kalkstein die Stadt und wurden wieder mit einigen Tonnen Bier und Brot bewirtet.

Bischof Leszczynski, der nichts von den Rogaser Geheimabmachungen ahnte, begrüßte am 28. September in einem Schreiben den Kurfürsten als Erretter in der Not, bat aber schon wenige Tage später dringend, das Bistum von dauernden Quartierlasten zu befreien. Friedrich Wilhelm drückte von Pr. Holland aus am 9. Oktober sein höfliches Bedauern über die Belästigung aus und versprach, der größere Teil des Regiments Waldes solle abziehen, nur zwei Kompagnien sollten zu seiner Begleitung nach Königsberg verbleiben. Am nächsten Tage passierte „Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg in der Frühe ganz stille mit einer Kompagnie Reiter" die Stadt Braunsberg. Bald danach kehrten diese Reiter zurück 143 und bezogen in den Stadtdörfern Huntenberg und Stangendorf Quartier, wo sie zunächst bis zur Rückkehr des Kurfürsten warten sollten, dann aber weiter verblieben. Diesen begrüßte auf seinem Rückweg die bewaffnete Bürgerschaft mit fliegenden Fahnen, sowie die „allhier liegende armselige Soldateska." Eine weitere Kompagnie des Rittmeisters von Brand quartierte sich in Wittenberg ein. Am 18. Oktober sollten noch Dragoner in der Altstadt untergebracht werden, und das empfand man um so drückender, als selbst während des 1. Schwedenkrieges die Altstadt wegen des Mangels und der Ungelegenheit der Stallungen nie mit Pferden belegt worden war.

Bei seinem Vorrücken in Westpreußen war der Kurfürst als Erretter vor der schwedischen Übermacht selbst vom polnischen Adel freudig begrüßt worden. Nach schwierigen Verhandlungen kam am 24. November zu Rinsk (bei Thorn) ein öffentliches Verteidigungsbündnis zum Abschluß, worin der Kurfürst Westpreußen und dem Ermland militärischen Schutz gegen die Schweden zusagte, was allerdings mit dem Geheimvertrag von Rogasen schlecht zu vereinbaren war. Unter den Vertragsbedingungen war auch die, daß der Kurfürst 100 Reiter und 1NN Infanteristen nach Braunsberg legen und den Ort mehr befestigen dürfte, nach dem Kriege aber die Stadt ohne Einwendungen zurückgeben müßte. Der Klerus und die Klöster und Schulen von Braunsberg sollten geschützt sein. Die Übung der katholischen Religion sollte durchaus frei, keine andere als die der Katholischen öffentlich sein. Der kurfürstliche Kommandant von Braunsberg sollte Katholik sein, wenn ein solcher sich fände. Das dortige Bischofsschloß sollte von jeder militärischen Einquartierung frei sein, der Bischof und seine Beamten im friedlichen Besitz des Schlosses bleiben.

Während noch diese Verhandlungen schwebten, waren von Livland her schwedische Truppen nach Preußen und dem Ermland in Marsch gesetzt worden. Um aber einer schwedischen Besatzung zuvorzukommen, legte Kurfürst Friedlich Wilhelm in die wichtigeren Bistumsstädte eigene Truppen. Braunsbergs bemächtige sich in seinem Auftrage Obristleutnant Kurier mit Lift, indem er am 3. Dezember vorgab, mit 3 Garde-Kompagnien durchmarschieren zu wollen, dann aber eingelassen erklärte, gemäß den Vereinbarungen der Fürsten zum Schutze der Stadt verbleiben zu müssen.

Nachdem der Kurfürst durch Besetzung der Städte Braunsberg, Wormditt, Guttstadt und Allenstein sich das Ermland gesichert hatte, nahm er sogleich wieder mit Schweden Verhandlungen auf; dabei beanspruchte er das Bistum für sich und wollte das übrige königliche Preußen den Schweden überlassen. Diese aber legten selbst auf den Erwerb des Ermlandes, namentlich von Braunsberg besonderen Wert und waren entschlossen, sich diese Gebiete zu erobern. In Braunsberg begann der Kommandant Kurier für alle Fälle die Befestigung auszubauen. Da die Schweden vor zwei Jahrzehnten die Wälder verwüstet hatten, konnte er von da nicht das erforderliche Holz zu Palisaden schaffen; er bat deshalb den Kurfürsten, ihm dazu aus dem benachbarten Pusch Damerau Holz zu bewilligen. Auch eine Verstärkung der Garnison hielt er für notwendig. Im übrigen unterstützten ihn bei seinen Verteidigungsmaßnahmen gegen die Schweden ebenso der ermländische Landvogt Stanislawski wie die nach Braunsberg geflüchteten Frauenburger Domherren.

Der brandenburgische Kriegsrat entschied sich dafür, den Schweden zwischen Braunsberg und Wormditt an der Passalge ein Treffen anzubieten. Das kurfürstliche Heer zählte etwa 28000 Mann und verfügte über eine vortreffliche Artillerie. Tatsächlich kam es nur zu kleinen, bedeutungslosen Scharmützeln. Schließlich zog sich das Gros der Brandenburger auf die Festung Königsberg zurück und machte von hier einen Kavallerieangriff auf die Schweden, der aber völlig mißglückte. Daß der Kampf nur lässig geführt wurde, lag daran, daß die Unterhandlungen weitergingen und am 17. Januar 1656 mit dem neuen Vertrage von Königsberg abgeschlossen wurden. Danach löste der Schwedenkönig das Bistum aus seiner Verbindung mit Polen, verwandelte es in ein weltliches Lehen und übertrug es dem Kurfürsten unter Vorbehalt der schwedischen Oberhoheit. Nur Frauenburg und das zugehörige Territorium behielt sich Karl Gustav vor, die Stadt Braunsberg dagegen überließ er dem Kurfürsten unter der Bedingung, daß ihre Befestigungen niedergelegt und nie wiederhergestellt, die Besatzung abgeführt und nicht ersetzt würde. Nach diesem Vertrage konnte der Kurfürst auch das Reformationsrecht ausüben, und demzufolge bestimmte er vier reformierte Prediger für die vier besetzten Städte.

Diese Ereignisse lassen sich auch in den Braunsberger Ratsakten verfolgen. Wir hören am 7. Januar von Gefangenen, offenbar Schweden, die die Bürgerschaft verpflegen sollte. Die Gemeindevertreter weigerten sich zunächst und wollten das denen überlassen, „so die Beute bekommen, welches den Herrn Kommandanten sehr alteriert (erregt) hat." Am 10. Januar lagen in der Altstadt allein 3 Kompagnien Reiter, 147 3 Kompagnien zu Fuß und 1 Kompagnie Dragoner, in der Neustadt und den Vorstädten Oberst Wallenrod Mit seinem Regiment und 1200 Pferden, „welche Last der armen Stadt in der Länge zu ertragen unmöglich, indem die halbe Stadt und prinzipalsten (besten) Häuser von den Offizieren eingenommen seind, die übrigen mit Einquartierung ganz überschwemmet, daß es auszustehen nicht vermögen." Bürgermeister Andreas Ludwig wurde deshalb trotz der Unsicherheit der Straßen zum Kurfürsten nach Königsberg geschickt und erreichte „in gnädiger Audienz" den Abzug dieser Truppen. Aber am 1. Februar folgte ihnen das Regiment von Eulenburg, dessen Kommandeur bei dem alten, kranken früheren Hauptmann Johann Stössel Quartier bezog.

Nachdem der Kurfürst die Herrschaft im Ermland angetreten hatte, bildete er aus dem Grafen Fabian von Dohna-Lauck und den Räten Reinhold Derschau und Andreas Adersbach eine kommissarische Regierung. Sie traf am 7. Februar in Braunsberg ein, ergriff vom Schloß Besitz, ermahnte den bischöflichen Landvogt Hauptmann Albrecht Stanislawski und die anderen Bedienten zur Treue gegen den neuen Landesherrn und forderte Rechenschaft von der bisherigen Verwaltung. Vom Bürgermeister Ludwig und Georg Follert wurden die Kommissare im Namen des Rats begrüßt. Sogleich nahmen sie eine genaue Verhandlung über die Verhältnisse der Stadt auf, die wegen der voraussichtlichen fiskalischen Einkünfte für die neue Regierung von großer Bedeutung war. Dieser Statistik seien folgende in unsere Rechtschreibung übertragenen Mitteilungen entnommen:

„Braunsberg liegt an der Passarge, darin die Schmacken ausm Haff bis in die Stadt hinaufkommen können, mit Mauern al antique (altertümlich) wohl versehen. Hat zu ihrer Fundation ex privilegio (Gründung nach dem Privileg) nur Ungewisse Anzahl Hufen, noch absonderlich an Dorfschaften und Hüben als

Rudolfshöfen                               7 1/2 Huben. darauf 3 Paulen
Kattenhöfen                                 8 Huben. darauf 8 Paulen
Hundenberg                                 21 Huben. darauf 6 Paulen
Stangendorf                                 32 Huben. darauf 8 Paulen
Wollenberg (Willenberg)              42 Huben. darauf 11 Paulen
Vorwerk Rosenort                        7 Huben.
Auhoff                                          8 Huben.

Gesamt                                      125 1/2 Huben. darauf 30 Paulen


Die Alte Stadt giebet jährlich laut des Oekonomi Rechnung wegen ihrer Äcker 85 Floren (zu 20 Groschen), wegen der Kupfermühle 10 Fl., wegen der Badestube und etzlicher Margen 5 Fl. 14 Gr., aus der Waage vom Stein 6 Gr. ist anno 1653 gefallen 45 Fl. 12 Gr., vor unterschiedliche Häuser und Ställe Grundzins 25 Fl. 10 Gr. 12 Pf.

Die Neue Stadt wegen ihrer Äcker, Fleischbänke und Wiesen 281 Fl.. 3 Gr., 6 Pf., noch wegen etzlicher Morgen, Häuser und Handwerker 50 Fl.

In der Altenstadt ist die große Pfarrkirche nebst der Jesuiterkirchen so schön ausgeputzet, dabei dann auch der Jesuiter Kollegium samt den Schulen, so alle gute Gebäude; anitzo sind darinnen nur 35 Jesuiten, da vordem wohl in die 50 sich aufgehalten. So werden dabei noch 24 Alummi erhalten, zu dero Sustentation (Unterhalt) jährlich an Rom per Wechsel 6000 Fl. polnisch übergemacht werden sollen. In der Stadt ist noch ein Nonnenkloster, darinnen 12 Nonnen gehalten werden; sollen aber geringe Einkommen haben und meistenteils mit Nähen, Sticken und dergleichen Arbeit sich unterhalten müssen.

In der Neustadt ist eine absonderliche Kirche, darin aber selten gepredigt wird.

Im Rat in der Altstadt sind drei Bürgermeister und 16 Ratsherren, im Gericht nur 1 Richter und 2 Beisitzer, welche 3 letzte gleichsamt in prima instancia (1. Instanz) Recht sprechen und von ihnen alsdann die Sachen weiter an den Rat per appellationem devolvieren (Berufung einlegen) lassen sollen.

In der Ringmauer ist das Schloß, ein altes und starkes gemauertes Gebäude, mit schlechten Losamentern (Räumen) versehen, so an einem und andern Ort notwendig repariert werden müssen.

Die hochpeinliche Sachen werden meistenteils an das Stadtgericht verwiesen, die Urteile hernach von dem Schloßhauptmann samt den Akten übersehen und justifizieret (bestätigt).

Außer der Stadt liegen zwei Mühlen, die große und die kleine, deren Einnahmen auf rund 6554 Fl. berechnet sind, eine Kupfermühle des Besitzers mit 49 Fl. und eine Lohmühle mit 70 Fl. Einkünften."

Am 14. Februar nahmen die Braunsberger Ratsvertreter Ludwig und Follert an dem Heilsberger Landtag teil, wo sich die ermländischen Stände mit feierlichem Handschlag und schriftlicher Erklärung dem Kurfürsten unterwarfen: die Räte hatten ihnen zuvor erklärt, daß sie bei ihrer Religion und ihren Rechten, und Freiheiten verbleiben dürften.

Am 15. Februar traf ein Stückhauptmann im Auftrage des Kurfürsten und des Generalfeldzeugmeisters von Sparr in Braunsberg ein, um alle Geschütze und Munition abzuholen 147 und nach Königsberg zu schaffen. Die überraschten Bürger glaubten zunächst an ein Mißverständnis und schickten eiligst eine Deputation zum Kurfürsten. Dieser verwies auf die Vereinbarungen mit Schweden, nach denen auch die Stadtmauern und Wälle geschleift werden sollten. Doch wollte er die Niederlegung der Mauern abwenden. Ihren ansehnlichen Geschützpark aber mußten die Braunsberger am 20. Februar abliefern: 1 Sechspfünder mit 188 Kugeln, 2 Vierpfünder mit 361 Kugeln, 3 Dreipfünder mit 646 Kugeln, 9 kleinere Bronzestücke von 1 3/4 bis 1 Pfundkaliber und 2 eiserne Einpfünder. Im ganzen waren es 1? Geschütze und 3979 Kugeln, ein wertvoller Besitz, der „mit viel tausend Floren nicht konnte gezeuget werden". Am stolzesten waren die Bürger auf den „Bauerntanz, das schönste Stück, dergleichen Arbeit heutzutage nicht leicht wird gemachet werden." Nun fühlte der kurfürstliche Stückhauptmann die willkommene Beute ab, und „manche sahen den schönen Stücken mit weinenden Augen nach."

Zu den Hauptsorgen des Rates und der Gemeinde gehörten für die folgenden acht Jahre der brandenburgischen Besatzung Quartierlasten, Steuersorgen und Soldatenbeschwerden. Das Regiment Eulenburg, das bis zum Juni in der Stadt lag, kostete außer der fast fünfmonatlichen Speisung 8112 Taler 17 Groschen an Geld, 20 Last 48 Scheffel Hafer, 24 960 Pf. Heu und 83 Schock Stroh, die angegliederte märkische Artillerie 853 7. Fl. 38 Gr. an Geld, 25 Last 18 Scheffel Hafer, 3000 Pf. Heu und 100 Schock Bund Stroh. Davon fiel auf das ländliche Kammeramt 1/3 und auf beide Städte 2/3, und zwar von letzteren 3/4 auf die Altstadt und 1/4 auf die Neustadt. Der Ratsschreiber macht seinem gepreßten Herzen Luft, wenn er beim Abzug dieser Truppen vermerkt: „Gott sei Dank, daß die schinderischen Offiziere und das ungezähmte, gottlose Lumpenvolk weggeht." Dafür rückten aber Dragoner des Obersten Ritterfurth ein.

Für die Militärseelsorge traf am Ostersonnabend der kurfürstliche Prediger Christian Stobbäus ein. Wir wir einem Briefe vom 18. April entnehmen, wollte er am dritten Feiertag auf dem Rathaus Gottesdienst halten, erhielt aber vom Bürgermeister abschlägige Antwort mit der Begründung, der Stadtpfarrer Johann Conradi widerspreche dem Ansinnen aufs höchste; Oberst Wallenrod habe vordem in der Neustadt auf der Straße unter freiem Himmel Predigten halten lassen. Auch der Junkerhof oder sonst ein Haus in der Stadt sei ihm verweigert worden.

Im Juli ging Oberst Ritterfurth auf Befehl des Statthalters Dohna daran, die Befestigungen Braunsbergs trotz der schwedisch-brandenburgischen Abmachungen zu verstärken. Aus den Kammerämtern Braunsberg und Mehlsack sollten 300 Mann Schanzarbeiten leisten und folgende Lieferungen ausgeführt werden: 200 Spaten u. Schippen, 200 Karren. 3000 Palisaden, 40 Wagen täglich, 100 Beile, 400 Bäume, 50 Schock Dielen, 300 Stück Rückenplanken zur Ausfutterung des Grabens, 300 Stück Eichenpfähle von 20 Schuh Länge, 100000 Ziegel, 50 Last Kalk. 50 Zentner Eisen, 10 Zentner Stahl, 1000 Schock Nägel. Infolge des Einspruchs des schwedischen Kanzlers wurden jedoch vorläufig die Arbeiten eingeschränkt, nur die Palisaden gesetzt, Tore und Gräben gebessert. Der Oberst, der sehr mißtrauisch war, ließ die Bürgerschaft alle Gewehre auf dem Rathaus abliefern, weil es hieß, die ermländische Bevölkerung sehne sich nach Befreiung durch die Polen und bereite sich auf den Einfall des litauischen Unterfeldherrn Gasiewski vor. Durch katholische Frauen wollte er ausgekundschaftet haben, daß die Jesuiten viele Gewehre verborgen hielten; deshalb befahl er den Ordensmitgliedern, binnen 24 Stunden die Stadt zu räumen, und ließ eine „barbarische Umwühlung der Jesuitenkirche" vornehmen. Da die Durchsuchung den Verdacht als unbegründet erwies, nahm er vermutlich den Ausweisungsbefehl zurück. Trotzdem schien es ihm geraten, die Waffen vom Rathause auf das Schloß zu schaffen. Es waren 214 Musketen, 27 Doppelhaken, 6 Feuerröhren, 1 Paar Pistolen, 140 Degen und Säbel. 51 Spieße und 23 Piken. Während eine städtische Abordnung in Königsberg weilte, um bei der kurfürstlichen Regierung Beschwerde über den Obersten zu führen, äußerte dieser einen neuen Verdacht: es sei ein unterirdisches Gewölbe von dem Markt bis zum Hohen Tor; er werden die ganze Stadt umgraben lassen, wenn man nicht im guten offenbaren wolle. „Es wird noch Arbeit genug kosten, ihm solchen Schwarm ausm Kopfe zu bringen," klagt der Ratsschreiber.

Schon im Mai hatte der Kurfürst Braunsberg als Sitz der ermländischen Regierung und den Grafen Dohna als seinen Statthalter bestimmt. Erst im August bezog dieser mit seinen Räten das Braunsberger Schloß. Am 12. September ernannte der Kurfürst den Rat Heinrich Truchseß von Waldburg noch zum Hauptmann von Braunsberg, nachdem Stanislawski nach Seeburg versetzt worden war. Als Dohna am 28. den Bürgermeistern der Altstadt den neuen Schloßhauptmann als Vorgesetzten vorstellte, beriefen sie sich auf ihre Privilegien, allein Dohna gab ihnen schlecht Gehör und zu erkennen, daß er „uns armen Papisten nicht wohl affektionieret" sei. 149

Inzwischen hatte König Karl Gustav den brandenburgischen Kurfürsten zur Waffenhilfe gezwungen und das vereinigte Heer in der dreitägigen Schlacht bei Warschau (28. bis 30. Juli) die Polen trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit geschlagen. Da in dem wechselvollen Ringen die Schweden höhere Anerbietungen machten und die Stärkeren zu sein schienen, schloß der Kurfürst am 20. November zu Labiau mit Karl Gustav ein neues Bündnis ab, durch das er das Herzogtum Preußen und das Fürstbistum Ermland als souveränen Besitz erhielt. Die außenpolitische und militärische Besserung der Lage Polens ließen es jedoch Friedrich Wilhelm im Herbst 165? geraten erscheinen, sich aus der Verbindung mit Schweden zu lösen. Unter Mitwirkung des Bischofs Leszczynski schloß er am 19. September zu Wehlau einen Sonderfrieden mit Polen, nach dem ihm die volle Souveränität über das Herzogtum Preußen zugesichert wurde; dagegen mußte er u. a. das Ermland räumen, obwohl er namentlich auf den weiteren Besitz der Passargestadt das größte Gewicht legte. Damit fand die brandenburgische Regierung in Braunsberg ihr Ende. Da aber der Krieg zwischen Schweden und Polen noch fortdauerte und die Schweden leicht eine feindliche Haltung gegen den Kurfürsten einnehmen konnten, erklärt es sich, daß dieser sich in Wehlau ausbedang, in Braunsberg eine Besatzung von 800 Mann belassen zu dürfen. Diese ließ er nunmehr auf den polnischen König wie den ermländischen Bischof mitvereidigen. Die Kosten trug das Bistum und am meisten die Stadt, die unter den drückenden Lasten aufs schwerste litt. Klagen über die Soldaten fanden keine Abhilfe. „Dem Kurfürsten und dem Bischöfe zugleich könne nach der Lehre Christi die Stadt nicht dienen, einer weise sie in ihrer Not an den andern", seufzt der Ratschreiber i. J. 1658.

Die Braunsberger Besatzungsfrage erschwerte die Friedensverhandlungen, die im Januar 1658 von Frankreich begonnen wurden. Der französische Gesandte schlug als Unterhandlungsorte Braunsberg für die polnischen und Frauenburg für die schwedischen Bevollmächtigten vor. Der polnische König erklärte sich einverstanden, verlangte aber später, daß aus diesen Städten die Besatzung entfernt werde. Da der Kurfürst darauf nicht einging, scheiterte die Vermittlung.

Seit Januar 1659 war Oberst Johann von Hiller Kommandant der Braunsberger Garnison. Ihm unterstand die kurfürstliche Hafflotte, die das Haff und seine Südküste vor den im Werder liegenden Schweden schützen sollte. Im Februar wurden brandenburgisch-preußische Truppen in Braunsberg und den benachbarten Dörfern zusammengezogen, weil das Gerücht ging, ein starkes Schwedenheer rücke heran. Als am 2. März neue Kunde von dem feindlichen Anmarsch kam, obwohl meilenweit kein Schwede zu sehen oder hören war, packte die Soldaten nach der spöttischen Schilderung des Stadtnotars die Hasenfurcht, und sie machten sich eiligst mit Sack und Pack auf und entliefen nach Königsberg, „daß mancher ohne Hosen zu Pferde gekommen, und wenn dort die Tore nicht wären zugemacht, mochten sie wohl gar in Litauen gelaufen sein, ehe sie sich umgesehen hätten, und endlich bei der Karwischen Marthe ein Herz wiedergefasset haben."

Welchen Wert Kurfürst Friedrich Wilhelm auf den Besitz des strategisch wichtigen Braunsberg legte, ist auch aus seinen Bemühungen beim päpstlichen Nuntius Vidoni in Warschau ersichtlich. Er betonte allerdings, er wolle es zur Handelsstadt machen, und versprach, die katholische Religion und die Seminarien unangetastet zu lassen, auch ein anderes Gebiet mit größeren Einkünften als Entschädigung abzutreten. Beim Aussterben seines Hauses solle die Stadt an das Bistum zurückfallen. Als der Nuntius auswich, versuchte ihn der kurfürstliche Gesandte von Hoverbeck durch die Aussicht auf eine Rückkehr des Kurfürsten zur katholischen Kirche zu gewinnen. Da alle diplomatischen Bemühungen erfolglos blieben, verstärkte der Kurfürst die Befestigungen von Braunsberg, um es desto sicherer zu behaupten.

Nachdem Bischof Leszczynski im März 1659 die Diözese verlassen hatte, um das Erzbistum Gnesen zu übernehmen, hielt am 6. Januar 1660 sein Nachfolger Johann Stephan Wydzga in Heilsberg seinen Einzug. Die Braunsberger übermittelten ihm durch die Ratsmitglieder Georg Foltert und Michael Kirstein Willkommensgrüße und Glückwünsche. Auf seinen Rat reisten als Stadtvertreter Jakob Korz und Georg Wichmann am 12. Februar mit einer Bittschrift zum Polenkönig, der sich gerade in Danzig aufhielt. Aber schon am nächsten Tage lief in Braunsberg die Nachricht ein, die Herren seien unterwegs in die Hände der Schweden gefallen und würden in Elbing festgehalten. Erst nachdem für sie 516 Taler Lösegeld gezahlt worden waren, durften sie ihre Reise fortsetzen, die außer Versprechungen keinen Erfolg zeitigte.

Da brachte der unerwartete Tod des Schwedenkönigs Karl Gustav (23. 2. 1660) die Friedensfrage energisch in Fluß. Noch bevor die Verhandlungen beendet waren, hatten Ungeduld und Erbitterung einen Braunsberger Bürger zu gewaltsamer Selbsthilfe verleitet. Um die brandenburgische Garnison zum Abzug 151 zu veranlassen, hatte er wohl Ende März das militärische Getreidemagazin erbrochen und den Hafer weggenommen. Der Kurfürst, dem der Vorfall zu Ohren gekommen war, verlangte in einem Schreiben an den Magistrat der Stadt Wiedergutmachung. Bald darauf wurde am 3. Mai zu Oliva der Frieden geschlossen, der für Brandenburg-Preußen die Bestimmungen des Wehlauer Vertrages bestätigte. Nun hofften die Braunsberger, von den erdrückenden Lasten der Einquartierung befreit zu werden, aber ihre Freude war verfrüht. Da nämlich die Polen nicht den Vereinbarungen gemäß dem Kurfürsten Elbing einräumten, hielt dieser Braunsberg und Frauenburg als Pfänder weiterhin besetzt.

Anfang September stellte sich wieder als unheimlicher Gast „die giftige Seuche der Pestilenz" auf dem Damm und Köslin ein. Der Herbstjahrmarkt wurde abgesagt. Da die Pestkranken trotz ihrer Mittellosigkeit die Häuser nicht verlassen durften, wurden für sie vier Provisoren zum Einsammeln von Almosen bestimmt. Zwei Totengräber wurden für die verstorbenen Einwohner und Soldaten angestellt. Im Winter ließ die Seuche nach, um im nächsten Jahre wieder heftiger aufzutreten. Oberst von Hitler wünschte, daß alle Kranken in Krankenhäusern auf dem Köslin isoliert würden: Rat und Gemeine machten demgegenüber geltend, daß Mann und Frau sich geschworen hätten, sich bis zum Tode nicht zu verlassen. So unterblieb die Verwirklichung des verständigen Vorschlages. Vom Juni 1661 bis zum März 1662 sollen in der Alt- und Neustadt über 1000 Personen an der Pest gestorben sein, darunter die beiden Bürgermeister und zwei Ratmänner der Neustadt, so daß diese, wie der Notar vermerkt, wegen Unordnung fast zu Grund gegangen wäre. Ja, auch auf Tiere verbreitete sich der Seuchenerreger. Der Scharfrichter mußte damals beauftragt werden, die toten Hunde und Katzen von der Straße zu schaffen.

Im März 1662 setzte Oberst Hiller den Kurfürsten von dem Gerücht in Kenntnis, die Polen wollten ihm Braunsberg mit Gewalt entreißen. Daraufhin gab Friedrich Wilhelm dem preußischen Oberpräsidenten von Schwerin den Befehl, Munition und Proviant nach Braunsberg zu schicken. Hiller aber hielt es für notwendig, die Schanzwerke vor der Stadt zu verstärken. Dach hatten die Polen weder die Mittel noch Lust, um der ermländischen Hauptstadt willen neue Kämpfe zu entfachen. Hier stieg die Not immer höher. Hiller griff wiederholt zu Gewaltmaßnahmen, um die rückständigen Kontributionszahlungen zu erpressen, pfändete Vieh aus Auhof, legt dem Bürgermeister ein Exekutionskommando ins Haus u. a.

Hatte Bischof Wydzga sich wiederholt vergeblich beim Kurfürsten für die Rückgabe der gequälten Passargestadt eingesetzt, so bot ihm endlich i. J. 1663 eine besondere diplomatische Mission günstigere Aussichten. Friedrich Wilhelm war nämlich im November 1662 nach Königsberg gekommen, um durch die Erbhuldigung der preußischen Stände in den tatsächlichen Besitz der preußischen Souveränität zu gelangen. Der ermländische Bischof wurde nun vom Polenkönig zu einem der beiden Kommissare ernannt, die den vertragsmäßigen Eid der Stände entgegenzunehmen hatten, daß diese im Falle des Aussterbens der männlichen Linie des brandenburgischen Herrscherhauses die Oberlehnsherrschaft Polens anerkennen würden. Nun verlangte Wydzga, daß vor der Erbhuldigung Braunsberg geräumt würde. Der brandenburgische Gesandte in Warschau von Hoverbeck, der die Schwäche des polnischen Reiches kannte, riet dem Kurfürsten, die ermländische Hauptstadt besetzt zu halten: der Geheimrat von Jena empfahl aber von Heilsberg aus, wo er mit dem Bischof verhandelte, die Räumung mit folgender Begründung: „Meinem wenigen Begriff nach kann ich leinen Vergleich machen zwischen Braunsberg und Ew. Kurf. Durchlaucht befestigter Souveränität und beruhigtem Zustand des Herzogtum Preußen, und würde es ein für mich schlimmes und schwaches Fundament sein, wenn Ew. Kurf. Durchlaucht Staat auf Braunsberg beruhen sollte."

Diese Beweisgründe wirkten. Der Kurfürst erklärte sich einverstanden, vor der ständischen Huldigung seine Truppen aus Braunsberg zurückzuziehen. Am 18. Oktober sollte der festliche Akt in Königsberg vor sich gehen. Voller Freude sahen die Braunsberger ihre unerwünschten Gäste die Vorbereitungen zum Abmarsch betreiben. Da zeigten sie sich nobel und spendierten den gemeinen Soldaten noch 6 Tonnen Bier, dem Obersten 10 Stof Wein, 15 Hühner, 6 Gänse und 1 Kalb. Dann stellte der Oberst dem Rate die Schlüssel der Stadt zurück und verließ am 17. Oktober mit Munition, Proviant und „allem Hack und Pack" die Stadt, zumeist durch das Mühlentor, zwei Kompagnien durch das Hohe Tor, nach Ansicht des Stadtnotars, um den Platz wieder von beiden Seiten zu besetzen, falls die Erbhuldigung nicht zustande käme. Ein Teil der Waffenvorräte wurde auf Schiffen verladen. Als die Königsberger Feier programmäßig verlaufen war, kamen die beiden westwärts abmarschierten Kompagnien zurück, um ebenfalls nach Königsberg zu ziehen. Der Rat gestattete ihnen jetzt vorsichtshalber den Durchzug nur unter der Bedingung, daß nicht mehr als 6 Rotten nach einander durchgeführt würden. 153

Auf 451 733 Gulden berechnete der Ratsschreiber die Lasten, die der Altstadt durch die 8jähr. Einquartierungen und Kontributionen der brandenburgisch-preußischen Besatzung erwachsen waren. Die Neustädter bezifferten ihren Verlust auf 101 565 Gulden. Ein schwerer wirtschaftlicher Aderlaß, der die Stadt um Jahrzehnte in ihrer Entwicklung zurückwarf. Schon 1660 heißt es, mancher Ratsherr hinterlasse nicht genug, um begraben werden zu können. 1663 stand ein Drittel der Häuser wüst und leer. Eine drückende Verschuldung mußte allmählich abgedeckt werden. Wie dankbar sich die Stadt ihrem bischöflichen Landesherrn für seine erfolgreichen Bemühungen um ihre Freiheit fühlte, ist daraus erkennbar, daß sie ihm durch ihre Bürgermeister Korz und Majakowski den silbernen, innen vergoldeten Hofbecher im Werte von 200 Floren und 12 silberne Löffel verehrte. Die Abgeordneten verbanden mit diesem Geschenk die Bitte, der Bischof wolle bei der polnischen Krone seinen Einfluß dahin geltend machen, daß die erschöpfte Gemeinde von einer Besatzung fernerhin verschont und von öffentlichen Lasten auf einige Jahre befreit bleibe. Der Bischof versprach sein Bestes zu tun, zeigte sich auch dadurch dem Rat der hartgeprüften Stadtgemeinde freundlich gesinnt, daß er zum Schutze ihrer Justizhoheit i. J. 1664 den Einwohnern „das Laufen auf das Schloß" in Zivilsachen verbot; sie möchten ihre kommunale Obrigkeit ehren und sich nicht zu Bauern machen, bei Strafe von 3 Mark oder 8 Tagen Turmhaft; der Schloßhauptmann solle aber solche Rechtssachen gar nicht annehmen.

Unruhen in Polen bescherten dem Ermland schon im November 1665 neue Einquartierung. Braunsberg wurde ebenfalls mit 2 Kompagnien belegt, die zum Glück schon im Februar abrückten. Interessant ist folgender Tarif, den der bischöfliche Ökonom Domherr Nycz für die monatliche Verpflegung eines Dragoners festsetzte:

1 Scheffel Roggen                          1 Gulden

1/4 Scheffel Erbsen                                                   10 Groschen

40 Pf. Rindfleisch                           2 Gulden              20 Groschen

1/2 Seite Speck                             3 Gulden

3 Stof Salz                                                                18 Groschen

2 Stof (4 Pf.) Butter                      1 Gulden              10 Groschen

15 Käse (Zwerge)                                                    15 Groschen
1/2 Tonne Bier                              4 Gulden

Summe:                                       13 Gulden             13 Groschen
Dazu ein Eimer Sauerkraut und anderes Gemüse. Für das Pferd wurde als Monatsration bestimmt:

4 Scheffel Hafer                             2 Gulden

1 Fuder Heu                                  3  Gulden

15 Bund Stroh                                                             15 Groschen

Insgesamt:                                    5 Gulden               15 Groschen

Die im Dezember 1666 einziehenden 118 polnischen Dragoner verursachten der Altstadt bis zum Mai einen Kostenaufwand von 10000 Gulden. 1674 mahnt der bischöfliche Statthalter den Rat, auf die durchmarschierenden brandenburgischen Soldaten achtzugeben und nicht alle auf einmal durchzulassen: denn sie hätten schon längst ein Auge auf die Stadt geworfen. Als der Große Kurfürst in seinem Krieg mit den Schweden im Januar 1679 von Marienwerder aus den Braunsbergern schrieb, er sei zu ihrem militärischen Schutze gegen die Armee des Marschalls Horn bereit, antwortete der Rat, er verbiete den Durchmarsch der Truppen und wünsche nicht den Schutz. So zogen die Brandenburger über das Eis der Passarge an der Stadt vorbei; nur der Kurfürst selbst passierte mit seinem Gefolge die Stadt.

I. J. 1679 erhoben sich wirtschaftliche Streitigkeiten zwischen der Altstadt und der Neustadt. Diese hing unter ihrem Rathause eine eigene Waage auf und wollte auch selbst am Flachshandel und der Schiffahrt Anteil haben. Der altstädtische Rat wehrte sich entschieden dagegen, nur die Altstadt gehöre zu den hanseatischen Seestädten. Auf seine Beschwerde griff der Bischof zugunsten der Altstadt ein. Flachshandel und Waage sollten ihr vorbehalten bleiben. Doch wurde den neustädtischen Kaufleuten durch bischöflichen Erlaß vom 29. Januar 1683 erlaubt, kleinere Schiffe bis zum Laderaum von 10 Last (zu 60 Scheffel) für Getreide zu führen und zu bauen.

Ins Jahr 1684 führt uns der Kupferstich, der diesem Buche als Titelbild beigegeben ist. Damals erschien das historisch-geographische Werk von Hartknoch Alt und Neues Preußen, das auf E. 385 Braunsberg in dem Königlichen (Polnischen) Preußen nächst den großen Städten Danzig, Thorn und Elbing die zierlichste Stadt nannte, wiewohl Marienburg mit ihr um den Vorzug streiten könne. Die beigefügte von C. Pistesch gefertigte, stark verzeichnete Ansicht zeigt uns im Vordergrunde den Passargehafen, die Lastadie und den Werftplatz. Zwei Jesuiten und mehrere Studenten weisen auf die Bedeutung der städtischen Bildungsstätten hin. Die Kutsche auf dem linken Bildrand nimmt ihren Weg zum Mühlentor. Das Gewirr der hinter der nördlichen Stadtmauer zusammengedrängten Häusel wird beherrscht von dem Rathaus und den beiden großen Kirchen. 155

Eines der ältesten Bürgerhäuser der Stadt (Langgasse 71) stammt aus demselben Jahre. Früher las man auf seinem Vordergiebel neben der Jahreszahl 1684 das fromme Gebet: Benedic domine domum istam et omnes habitantes in ea — Segne, Herr, dieses Haus und alle seine Bewohner. Erhalten hat sich nach der Brückenstraße die sinnvolle Inschrift auf einem Längsbalken:

Ein idlich haeusgen hat sein Kreutzgen,

Ists nicht von draussen, so ists von drinnen.


Die im Stockholmer Kriegsarchiv aufbewahrte farbige Kopie eines Braunsberger Stadtplans v. J.1892 (Abbild. 4) gibt uns ein anschauliches Bild der Alt- und Neustadt mit ihren in den beiden Schwedenkriegen ausgebauten Befestigungswerken. Nicht nur die Entfernungen sind nach schwedischen Ruten genau vermessen, auch die Höhen über dem Wasserfall sind in der farbigen Vorlage maßgerecht eingetragen. Rote Färbung deutet die in Fachwerk gemauerten und mit Ziegeln bedeckten, die graugelbe Farbe die aus Holz gebauten und mit Stroh gedeckten einfachen Gebäude und Scheunen an. Unsere Wiedergabe mußte sich leider auf den Lageplan beschränken. Ob diese wichtige Stadtaufnahme damals durch Spionage ins Stockholmer Kriegsamt gelangt oder später von König Karl XII. erbeutet wurde, sei dahingestellt.

Bis zum Ende des Jahrhunderts waren der Stadt mehrere Jahrzehnte friedlicher Entwicklung vergönnt. Entspannen wir uns nach den vielen trüben Eindrücken, die die Kriegsgeschichte bietet, an der Hauptstätte edler Geselligkeit und heiteren Lebensgenusses, im Artushofe. I. J. 1582 war der Rat an die Erneuerung des baufälligen Klubhauses herangegangen, und der damalige Wohlstand der Kaufherren und Schiffer erlaubte eine vornehme und geschmackvolle Ausstattung des Junkerhofes und seiner Innenräume. Vom Dachfirst glüht uns eine vergoldete Wetterfahne mit dem Schutzpatron St. Georg, vom Giebel St. Georg und die Wappen des damaligen polnischen Königs und ermländischen Bischofs, der Stadt und des Ermlandes. Sieben Fenster aus französischem Glase in Bleifassung schauen zur Langgasse. Im Hauptsaal hängen Kronleuchter mit vergoldeten Löwentopfen; Paneelwerk bildet die Bänke für den Rat, die Hofbrüder und ihre Älterleute, für Jungfern und Pfeifer. Farbige Rauten mit den Hauswappen von Mitgliedern und frommen Sprüchen dämpfen das Tageslicht, zeugen van Kunstsinn und jener religiösen Grundhaltung, der Bischof Kromer i. J. 1583 bei seiner Reform der Statuten der vereinigten hl. Leichnams- und Georgsbruderschaft neue kirchliche Aufgaben wies. Die Harnische über der Jungfernbank dienen zum Schutze der Kämpfer beim Stechreiten; im Danziger Artushofe sind solche noch heute zu sehen. Das St. Jörgensschaff birgt das Silberwerk und Geld der Bruderschaft. Ein breiter, hoher rotgestrichener Kachelofen spendet im Winter wohlige Wärme. Die hölzerne Decke trägt kunstvolle Gemälde des Königsberger Meisters Hans Blosch, unterhalb läuft ein Flies der Wappen sämtlicher ermländischen Bischöfe. Im Schießgarten am Nagelschmiedetor übt die Pielketafel, ein billardähnliches Gesellschaftsspiel, eine große Anziehungskraft aus. Die im 17. Jahrhundert hier eingerichtete Wasserkunst wird 1675 für 300 Gulden ausgebessert.

Wenn auch die Schwedenkriege unter dem Silberschatz des Junkerhofes arg aufräumten, so dürfte das Haus selbst wenig Beschädigungen erfahren haben. War es doch das gegebene Kasino für die Offiziere, die in den behaglichen Räumen die Bürger verdrängten und an der möglichsten Schonung der Innenausstattung persönliches Interesse haben mußten.

Von der Reichhaltigkeit der Getränke gibt uns eine Notiz aus d. J. 1661. also noch während der brandenburgischen Besetzung, einen Begriff. Dem Weinschenker wurde damals der Rathauskeller für 100 Floren unter der Bedingung vermietet, daß er unverfälschte Weine liefere, die Getränke nicht teurer als in Königsberg und Elbing verkaufe und sich verpflichte, englisches, Lübecker und Rostocker Bier sowie Braunschweiger und Wismarer Mumme zu halten. Kein Mangel also für durstige Kehlen! Dazu gab es das gute einheimische Bier, das den vielsagenden Spottnamen „Stürz den Kerl" führte und um 1668 in 60 Brauhäusern gebraut und in 11 Schenken verzapft wurde.

Besonders hoch ging es natürlich zur Fastnachtszeit her. Die oben (S. 120) angeführte Stelle läßt auf ein Braunsberger Fischerspiel schließen, das uns sonst unbekannt ist. Dagegen erhalten wir öfter Kunde von dem Turnierspiel oder Stechreiten, das sich einer gewissen Berühmtheit erfreute. Zu Beginn des Jahres 1681 war der Rat wegen eines kurz vorher erschienenen „großen und erschrecklichen Kometen" mit starker Besorgnis erfüllt. Würde diese Zuchtrute Gottes nicht neues Unheil künden? War nicht auch der bevorstehende polnische Reichstag mit Zündstoff geladen? In ernster Verantwortung beschlossen die Ratsherren, zur diesmaligen Fastnachtszeit alle Feste auf dem Junkerhof und das öffentliche Stechreiten ausfallen zu lassen. Aber da hatten sie die Rechnung ohne die Brauer gemacht. Die Gemeindevertreter liefen gegen diese 157 Miesmacherei Sturm: die Gerste sei geschüttet und das Bier fertig, man möge also den Bürgern die frohen Feste gönnen; würden üble Nachrichten vom Reichstag einlaufen, so könnten ja die Vergnügungen immer noch abgeblasen werden. Der Rat konnte sich diesen Gründen nicht verschließen, aber nun griff der ängstliche Erzpriester Georg Kedde den Fall auf und eiferte in jeder Weise, auch in seinen Predigten gegen die leichtsinnige Vergnügungssucht. Man wandte sich daher an den Bistumsadministrator Adam Konarski, und dieser entschied, ohne des Kometen zu gedenken, daß man den Hof offenhalten und die Festlichkeiten beginnen könne, „weil nichts Übles vom Reichstage zu hören sei". Das Turnier fiel denn auch so gut aus. daß Bischof Radziejowski bald darauf nach seiner Ankunft im Ermlande den Wunsch äußerte, „das höchst berühmte Ritter- oder Turnierspiel des Stechreitens" anzusehen. Am Sonntag, 5. Oktober desselben Jahres wurde es ihm vorgefühlt, und er fand mit seinem Gefolge an den Darbietungen lebhaftes Gefallen. Ebenso ließ sich Bischof Potocki noch i. J. 1722 einen solchen Wettkampf vorführen.

Der Sieger in diesem bürgerlichen Turnier, Dankherr genannt, genoß ebenso wie der Schützenkönig beim Vogelschießen zu Pfingsten besondere Vergünstigungen; beide waren für das laufende Jahr vom Wachdienst, Scharwerk und allen bürgerlichen Leistungen frei und erhielten einiges Holz aus dem Stadtwalde und einen Wiesenmorgen zur Benutzung. Der feierlichste Augenblick für den Sieger des Stechreitens war aber der, wenn ihn die Dankjungfer vor den zahlreichen Zuschauern mit dem Silberkranz oder einer Silberkette auszeichnete. Diese Dankjungfer wurde vom Rate aus den Patrizierfamilien ausgesucht, und es war für sie keine geringe Ehre, wenn sie die Siegerkrönung vollziehen und mit ihm den Tanz im Junkerhof eröffnen durfte. Nur einmal im Januar 1674 wird uns vermeldet, daß die auserkorene Tochter des Andres Hintz die ihr angebotene Ehre ausschlug. Die Ratshellen steckten die Köpfe zusammen, was bei dem unerhörten Fall zu tun sei. Man drohte der Eigensinnigen an, wenn sie jetzt den Artushof so verachte, sollte sie künftiger Zeit nicht gewürdigt werden, auf selbigem Hof ihren hochzeitlichen Freudentag zu halten. Diese Drohung dürfte wohl gewirkt haben.


Das noch erhaltene Brüderbuch des Artushofes beginnt erst nach dem Abzug der Schweden mit dem Jahre 1636. Jedes neue Mitglied, aber auch die Gäste trugen ihren Namen und meistens dazu einen Spruch oder Vers ein. Da finden wir neben deutschen und lateinischen auch vereinzelte englische und 158 holländische, französische und italienische, polnische und russische Einzeichnungen und Sprüche. Denn auch der ausländische Geschäftsfreund fand hier gastliche Bewirtung.


Ein paar der zahlreichen gereimten Eintragungen seien hier wiedergegeben:


1637: Das Gemüt ehrlich,

Die Rede züchtig,

Die Tat tüchtig.

Die vier (!) gefallen mich.


1650: Das Vaterland ist so süß,

Viel süßer als viele Küß

Allzeit und immerdar

Und kann sein nicht vergessen gar.


1686:
Vors Vaterland soll man tapfer suchen zu streiten,

Dazu die Jugend stets ritterlich tun anleiten,

Die Ringmauer nit allein zu schützen mit Musketen,

Sondern auch das freie Feld zu Pferd, wann's ist von Nöten.

Hiervon giebt Braunsberg Lehr, wenn sie zu Fastnachtzeiten

Mit Wehr und Harnisch im Turnier tun tapfer reiten.

Sitz auf, reit voll und scheu nit deinen Mann zu Pferd,

Es kommt Dir Ehr davon, all fällst auch auf die Erd.

Wann man hier ritterlich gestritten, Sich vor Sünd und Schand tut hüten,

Mag man wohl um die Krone bitten.


1648: Für einen jungen Held
Jungfrauen kosten viel Geld,
Sie machen viel Pein und Schmerzen
Im Beutel und im Herzen.


1680: Ein Mann, den seine Frau des Tags nur einmal kränkt,

Der also jeden Tag nicht mehr wie einmal denkt,

Daß der recht glücklich sei. der keine Frau genommen,

Der hat die beste Frau, so auf der Welt, bekommen.


1708: Laßt uns fein lustig sein,

Solang wir mag sein,

Nach den alten grauen Jahren

Kommt der Tod gefahren.

159 Aber bald danach klagte jemand aus der Not der Pestzeit:

Der Tod, der hat gewürgt die Brüder und gemordet,

Da wird ein treuer Bruder hinwiederum beordnet,

Daß man die Toten soll zu Grabe fleißig tragen

Und sich der treuen Lieb brüderlich laß behagen.

Als kirchliche Begräbnisgilde lebt die St. Georgenbruderschaft, im Volksmunde Hofbrüder genannt, mit ihrer altertümlichen Tracht noch heute fort.

Der baufällige Artushof wurde nach 1760 abgebrochen. Der Rest des Silberschatzes im Gewichte von fast 10 Pfund wurde zunächst der Pfarrkirche in Verwahrung gegeben, dann nach dem unglücklichen Kriege dem Staate abgeliefert. Nur ein paar schlichte Silberschilde gingen in den Besitz der 1825 gestifteten Schützengilde über, die mit der Pflege der wehrhaften Schießkunst eine Übung der Artusbrüder übernommen hatte. Das eine Schild von 1716 erinnerte daran, daß ein Braunsberger Schiff des Ludwig Balck mit einfachem Braunsberger Paß während des nordischen Krieges glücklich nach Schweden durchgekommen war, obwohl die Kaper von drei Nationen es angehalten hatten.

Als unmittelbare Zeugen jener Zeitperiode sprechen noch heute manche barocken Kunstdenkmäler zu uns: neben dem schon oben (S. 106) behandelten Steinhaus ein großer Teil der Innenausstattung der St. Katharinenkirche. Ergriffen von dem neuen Stilgefühl, beseitigte man mittelalterliche Altarwerke der Gotik und ersetzte sie durch zeitgemäße, in denen antikisierende Säulen und Kapitelle, dramatisch bewegte Heiligenfiguren und reiche Schmuckformen, wie hängende Fruchtkörbe und Zapfen, Ranken- und Blattwerk, Ohrmuscheln und Engelköpfe mit ihrer gleißenden Vergoldung von religiöser Inbrunst, klassischem Bildungsgut und farbenfreudiger Prachtentfaltung Kunde geben. So der Brigittenaltar von 1639, der dreigeschossige Peterund Paulsaltar des Magistrats von 1640, die von Bürgermeister Laurentius Maas 1659 gestiftete kunstvolle Kanzel. Auch im Gestühl setzten sich damals gesteigerte Ansprüche durch: die Ratsherrensitze der Neustadt mit Hausmarken stammen von 1644, die der Altstadt an der rechten Pfeilerreihe wohl aus derselben Zeit. Das Gestühl der reichen Kaufmannsfamilie Hanmann unterhalb des großen Orgelchors trägt die Jahreszahl 1678, die Priesterbänke vor dem Hochaltar entstanden 1683. Noch seien die beiden prächtigen, übermannshohen Zinnleuchter an den Stufen des Hauptaltares v. J. 1684 erwähnt, die das Gedächtnis an Bürgermeister Georg Foltert und dessen Ehefrau Barbara verwitwete Protmann aufrechterhalten sollten und von ihrem Schwiegersohn Eustachius Schmit und dessen Sohn Anton gestiftet wurden.

Um die Wende des 17. Jahrhunderts verfinsterte sich wieder der politische Horizont. Nach dem Tode des Polenkönigs Johann Sobieski (1696) begünstigten Thronwirren die Bildung von Konföderationen, deren Banden auch die Stadt Braunsberg umschwärmten, aber nicht eingelassen wurden. Im Frühjahr 1697 berührte Zar Peter der Große nach längerem Aufenthalt in Königsberg die ermländische Hauptstadt und widmete hier dem Kolleg der Jesuiten besonderes Interesse. Nachdem er ihre Kirche, Kongregationen, Sakristei, Schulen und Alumnat aufmerksam besichtigt hatte, erquickte er sich in ihrem Speisesaal an drei Glas Braunbier, das im Kloster selbst gebraut wurde und wegen seiner Güte den vielsagenden Namen St. Katharinenöl führte. Dann setzte er befriedigt seine Reise fort. Nach der Wahl des sächsischen Kurfürsten Augusts des Starken zum König von Polen rückten im Dezember 1697 sächsische Truppen in die Stadt, die in den nächsten Jahrzehnten fast andauernd unter Quartierlasten zu leiden hatte.

Denn i. J. 1700 brach der Nordische Krieg zwischen Schweden einerseits und Rußland und Polen andererseits aus. Der junge Schwedenkönig Karl XII. überraschte alle Welt mit seinen Siegen über die Verbündeten. Schon im Sommer 1701 erschienen aus Livland flüchtige sächsisch-polnische Truppen im Fürstbistum Ermland mit ihren erpresserischen Forderungen. Im Sommer 1703 verlangte der schwedische General Steinbock, der Thorn belagerte, von der ermländischen Landesherrschaft eine allgemeine Kontribution von 125 000 preußischen Gulden, und nachdem der König Thorn im Oktober erobert und Marienburg und Elbing widerstandslos genommen hatte, bezog er selbst mit einem Teil seines Heeres im Bistum Winterquartiere. In Braunsberg hatten sich eben brandenburgische Truppen festgesetzt, als die Schweden sich der Stadt näherten. In Erinnerung des früheren Schwedeneinfalles anno 1626 hielten es die meisten Jesuiten für geraten, nach Heiligelinde oder Königsberg zu fliehen. Am 27. Dezember erschienen die Schweden von Frauenburg her vor dem Hohen Tore und drangen in die Stadt ein. Die Brandenburger wagten keinen Widerstand und rückten eiligst durch das Münchentor ab. König Karl nahm im Steinhaus Wohnung. Am nächsten Tage besuchte er die Jesuitenkirche, lobte ihre Schönheit und verglich sie mit der Kathedrale von Uppsala. Im übrigen fiel er durch seine Schweigsamkeit auf. 161 Die Herren seines Gefolges, Prediger, Gelehrte und Ärzte, wurden im Kolleg einquartiert, „sehr gebildete Männer, in ihren Disputationen milde und versöhnlich." Am 29. reiste der König nach Heilsberg weiter, wo er in dem von Bischof Zaluski verlassenen Schloß bis zum nächsten Juni Residenz aufschlug.

Der Unterhalt der schwedischen Besatzung kostete Stadt und Land gewaltige Summen. So mußte z. B. das Jesuitenkolleg 10 657 Gulden als einmalige Kontribution und außerdem noch monatlich 500 Gulden zahlen. In den nächsten Jahren erhoben abwechselnd die Schweden und Polen Kriegssteuern und sogen die Bevölkerung bis aufs Blut aus. Um die unerschwinglichen Brandschatzungen aufzubringen, verpfändete der Rat der Altstadt unter seinem Präsidenten Johann Littau am 18. März 1705 an den reichen Kaufherrn Thomas Hanmann das Bollwerk Rosenort (6 Hufen Land mit Inventar und ungefähr 8 Hufen Wald) für 11500 Gulden auf sechs Jahre, mußte aber weil das Gut die 6 Prozent Zinsen (690 G.) nicht einbrachte, noch jährlich 2 Last Gerste zugeben. 1707 zahlte Hanmann 2500 G. nach und erhielt das Gut als Eigentum. Vom Stadtdorf Rudelshöfen verkaufte der Rat im Juli 1705 ein Erbe von 3 Hufen an Albert Harasch. Zeigte die Stadtverwaltung also den Willen, unter den größten Opfern den harten Forderungen nachzukommen, so fehlte es doch nicht an Drohungen und Beleidigungen durch die fremden Machthaber, die selbst vor Geldverlegenheiten nicht aus und ein wußten. So ließ der schwedische Kommissar Skraggenschild am 10. Juli den ehrenhaften Präsidenten Littau zu sich fordern, „goß über ihn viel Injurienwörter aus" und deutete wütend an, falls die befohlenen Kontributionen nicht mittags eingingen, wollte er ihm die Wohnung mit Exekution belegen, ihn selbst aber auf die Wachtstube in Haft nehmen. Littau hatte genug von seinem dornenvollen Amte und wollte es niederlegen, aber seine Ratsgenossen nahmen den Verzicht nicht an und versprachen ihm, ihn besser in seiner Ehre und Autorität zu schützen. Im folgenden Jahre rückten Polen ein mit neuen Forderungen. Da sie dabei die Säbel zogen, beschloß man, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen und die Bürger zusammenzurufen; da gaben sie Fersengeld. Während von 1705 - 08 Garnisongelder für die Schweden nach Elbing geschickt werden mußten, verlangten auch die polnischen Truppen Zahlungen.

Zu allem Unglück gesellte sich noch Kälte, Hunger und Pest. Der „heftige und unablässige, unerhörte Frost, als kein Mensch gedenken kann", lichtete zu Beginn d. J.1709 auch in Braunsberg, schweiften Schaden an. Die Saaten u. Bäume, darunter über 100 Eichen, erfroren, Vögel fielen tot aus der Luft, Tiere erlagen in Ställen und im Freien der ungeheuren Kälte. Auch viele Menschen wurden Opfer des strengen Winters. In der Stadt froren alle Röhren bis auf den Hauptbrunnen ein. Beim Eisgang zeigte das Eis eine Dicke von über 2 3/4 Ellen. Infolge der ungewöhnlichen Kälte hatten sich Bären im Stadtwald eingefunden, und noch im Juni sollten die Bauern eine Jagd veranstalten, an der Liebhaber von Bürgern teilnehmen konnten. Mißwuchs, Teuerung und Hunger waren weitere Folgen des strengen Winters.

In diesem Jahre, in dem die Schlacht von Pultawa über Schwedens Stellung als Großmacht entschied, erreichten die fortwährenden Einquartierungen und Kontributionen bald schwedischer, bald sächsisch-polnischer Truppen ihren Gipfelpunkt. Auch die bischöfliche Regierung sah sich zu Steuererhebungen für die feindlichen Parteien genötigt. Die Bürger brachten Schimpfreden statt Geld aufs Rathaus, die Gemeindevertreter weigerten sich wiederholt, den Ladungen des Rats Folge zu leisten. Und doch ließ sich der Rat in seinen Beschlüssen nur von der Sorge um das Gemeinwohl bestimmen. Deshalb sah er sich auch gezwungen, weiteren kommunalen Grundbesitz zu verpfänden und schließlich zu veräußern. So streckte Hanmann im November gegen die Verpfändung von zwei Rodelshöfer Bauerngrundstücken 5000 G. vor und erwarb diese im April 1710 für 10 000 G. Im selben Monat versetzte der Rat an den reichen Mitbürger für 4 000 G. zwei Bauernhöfe in Katzenhöfen, die dieser im nächsten Jahre für einen Nachschuß von 4 600 G. käuflich erstand. Im April 1710 verkaufte die Stadt auch den sog. Schneckengrund bei Huntenberg (Julienhöhe) für 1600 G. an den Regens des päpstlichen Alumnats P. Johann Schwang, der dort einen Erholungsplatz für seine Studenten schaffen wollte. Ebenso wurden drei Bauern in Huntenberg für 3600 G. an die Erben des Harasch verpfändet, aber später wieder eingelöst. In schwerster Notzeit hatte sich also die Stadt ihres Landbesitzes Rosenort, Rodelshöfen und Katzenhöfen (ungefähr 20 1/2 Hufen Ackerland und 8 Hufen Wald) entäußern müssen, und Thomas Hanmann, der schon vorher wohlhabend war, im Kriege bedeutende Gewinne gemacht zu haben scheint, hatte für 32 000 Gulden Güter erworben, die über 100 Jahre in feiner Familie verblieben.

Inzwischen war Mitte September 1709 die Schreckenskunde in die Stadt gedrungen, die Pest sei bereits in Danzig, Elbing und Königsberg ausgebrochen. Der Rektor des Kollegs wird 163 um Schließung der Schule gebeten, in der Kirche soll vor und während der Andacht mit Kaddig geräuchert werden. Anfang Oktober wird die Seuche durch einen, der zu Schiff von Königsberg gekommen ist, eingeschleppt. Im November sterben ganze Häuser aus. Am schlimmsten wütet die Pest 1710; in der Neustadt fordert sie verhältnismäßig mehr Opfer als in der Altstadt. An dem Orte, wo die neustädtischen Leichen begraben werden, wird aus Almosen, die der neustädtische Benefiziat Johann Trojan sammelt, bevor er selbst ein Opfer der Pest wird, die massive Rochuskapelle erbaut. Die Beerdigungen sollen abends um 9 und morgens um 3 Uhr stattfinden. Im Juli wird dem neustädtischen Bader die Praxis in der Altstadt untersagt, „weil er viele umgebracht durch unbesonnene Medikamente und unproportionierte Dosen, gleichviel ob alt oder jung." Als wenn gegen diesen Tod ein Kraut gewachsen wäre! Erst Anfang 1711 erlischt das grausige Sterben. Zweifellos kann die Angabe, ungefähr 8000 Menschen der Braunsberger Pfarrgemeinde seien der Seuche erlegen, schon deshalb nicht zutreffen, weil diese einschließlich der ländlichen Kirchspielsorte vor der Pest kaum mehr als 6—7000 Seelen gezählt haben dürfte. Das Totenbuch führt ungefähr 1050 Verstorbene auf, davon rund 800 für d. J. 1710, vermerkt allerdings, daß viele Namen nicht verzeichnet sind. Aber mochten auch nur 1500 Pestopfer zu beklagen sein, es war eine schreckliche Katastrophe, die ganze Familien wegraffte.

Die folgenden Jahre brachten wieder häufige Truppendurchmärsche und Kontributionen; auch Moskowiter gehörten nun zu den ungebetenen Gästen. Am 8. Februar 1713 reifte die Zarin mit dem Kronprinzen und 900 Mann Begleitung durch die Stadt, am 19. März in kleinem Gefolge der Zar, dem bis Frauenburg über 70 Pferde Vorspann entgegengeschickt werden mußten. Er stieg ein Viertelstündchen im Schloß ab, und weil es morgens war, nahm er ein Gläschen Branntwein und ein Stückchen Weißbrot zu sich. 1716 hielt er sich mit 36 Begleitern zwei Tage in Braunsberg auf und wohnte beim Stadtnotar Dobki; sein Aufenthalt verursachte nur 36 Gulden Unkosten. Zwischen durchmarschierenden brandenburgischen Truppen und Studenten vermutlich der polnischen Nationalität kam es wiederholt zu gefährlichen Zusammenstößen. Schon 1696 wagten Studierende, einer solchen Abteilung drei der neugeworbenen Soldaten „abzuschlagen." Ähnliche Fälle wiederholten sich 1713 und 1715, wobei auch Handwerksgesellen Anteil nahmen. 1712 hatten nach einer Beschwerde des Brigadiers aus Elbing Braunsberger Studenten und Bürger einige seiner Mannschaften „sehr blutig traktieret." Für die Stadt hätten derlei Übergriffe die übelsten Folgen haben können, und deshalb schritt der Rat mit Strenge ein.

Im Februar 1714 veranlaßte ein großes Viehsterben die Bürgerschaft zu einer Prozession aus der Pfarrkirche in die Jesuitenkirche, wobei 6 Patrizier dreipfündige Opferkerzen trugen.

Erst 1718 verebbte in Braunsberg die Brandung des Nordischen Krieges, als Karl XII. vor Friedrichhall fiel und nun die Bahn für die Friedensschlüsse Schwedens mit seinen Feinden frei wurde. Die Gesamtsumme der in den Jahren 1696—1718 erpreßten Gelder berechnete die Altstadt auf über 410 745 Gulden. Dazu kamen noch die durch Einquartierungen und Exekutionen verursachten Kosten an Lebensmitteln, Futter, Fuhren u. a., von Plünderungen der einzelnen Einwohner ganz zu schweigen. Kein Wunder, wenn die Bürgerschaft verarmt war und der Stadt selbst nach der Veräußerung eines Teiles ihres ländlichen Grundbesitzes noch eine Schuldenlast von rund 86148 Gulden verblieb. Zwei Jahrzehnte voller Not und Leid, die nun neuen Friedenshoffnungen Raum gaben.

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Dies ist ein Kapitel der Festschrift "Braunsberg im Wandel der Jahrhunderte" von Franz Buchholz zum 650jährigen Stadtjubiläum

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