Kreisgemeinschaft Braunsberg (Ostpreußen) e.V.

Nachruf auf Ernst Laws (aus "Unsere Schulen" Heft 33, Sommer 1981)

Am 22. März 1981, auf den Tag genau, nachdem er am Klassentreffen in Köln teilgenommen hatte, ist Prälat Ernst Laws plötzlich in Frankfurt a. M. gestorben. Mit ihm ist einer der bedeutendsten Schüler des Gymnasium Hosianum in seiner letzten Zeit dahingegangen.

Das Leben hat es Ernst Laws nicht leicht gemacht. Was er erreicht hat, ist ihm nicht in den Schoß gefallen; er hat es sich schwer erkämpfen müssen. Das zeigte sich auch in seinem Wesen: Er ist niemals einem Kampf aus dem Weg gegangen; ja, man hatte manchmal den Eindruck, daß er ihn geradezu suchte. Seine-Wiege stand in Braunsberg. Hier wurde er am 7. 8. 1903 als Sohn des Buchbindermeisters Bruno Laws geboren. Die alten Braunsberger erinnern sich noch des reizenden Häuschens in der Neustädtischen Marktstraße mit dem abgeplatteten Giebel. Es stand unter Denkmalsschutz.

Die Gesundheit von Ernst Laws war immer gefährdet. Als Untertertianer mußte er wegen eines schweren Gelenkrheumatismus ein Jahr aussetzen. So sind wir Klassenkameraden geworden. Als junger Geistlicher wurde er durch eine Augentuberkulose zu einem längeren Aufenthalt in Arosa in der Schweiz gezwungen. Auf die alten Tage setzte man seinem arg strapazierten Herzen einen Schrittmacher ein. Um so bewundernswerter ist, was er trotz dieser körperlichen Beschwerden dank seiner niemals kapitulierenden Energie geleistet hat.

In der Schule war sein bestes Fach die Mathematik. Es wird manchen wundern, daß es nicht Deutsch war angesichts seiner zahllosen späteren Publikationen. Aber auch in diesem Fach hat er sich seinen Platz erkämpfen müssen. Noch später, als er viel, sehr viel schrieb, haben seine Freunde manchmal das Gefühl gehabt, sie müßten ihm in die Arme fallen: Halt ein mit deinem Segen! An dieser Stelle muß sein bester Freund genannt werden, dem er viel verdankt: Dr. Paul Scholz, der ein Jahr vor uns (1923) das Abitur gemacht hat. Er hat Ernst Laws nicht nur lange Jahre bei der Gestaltung des Kalenders geholfen, Ernst Laws hat ihm auch später immer wieder seine Manuskripte geschickt, damit er sie inhaltlich und stilistisch begutachte. Von ihm erwartete Ernst Laws, was er sonst wohl keinem zugestand, daß er ihm ehrlich und offen seine Meinung sagte. Und er nahm sie an. So hat Paul Scholz ihn noch bei seinen Abschiedsworten ans Konsistorium wohl beraten.

Verfolgen wir nun den Lebensweg von Ernst Laws. Nach dem Abitur (1924) studierte er, um sich zu prüfen, ein Semester Jura in Freiburg. Dann entschloß er sich zum geistlichen Beruf. 1929 von Bischof Augustinus in Frauenburg zum Priester geweiht, war er Kaplan in Reimerswalde und Neukockendorf. Was ihm, der von Hause aus ein „Städter" war, gewiß sehr gut getan hat. Kaplanstellen in Tilsit und Allenstein schlossen sich an. 1931 wurde er Religionslehrer in Guttstadt. Bischof Kaller hätte es gern gesehen, wenn Laws das Examen für den höheren Schuldienst gemacht hätte, aber er zeigte auch Verständnis dafür, daß er in der Seelsorge tätig sein wollte. Ohnehin wurde seinem Wirken als Religionslehrer in Guttstadt ein Ende gesetzt, als er 1933 aus seiner Gesinnung kein Hehl machte und einige Zeit verhaftet wurde. Als Kaplan in Marienburg wurde er mit seinen Amtsbrüdern Propst Pingel und Kaplan Weichsel erneut verhaftet und in den Gestapogefängnissen von Königsberg, Breslau und Berlin „untergebracht". Ernst Laws hat selbst im Kalender von 1954 über diese seine zweite Gefangenschaft berichtet. Sicherlich gab Propst Pingel den Anstoß dazu, daß sie am gleichen Tage, als sie aus dem Berliner Gestapogefängnis entlassen wurden, abends in die „Fledermaus" gingen. Was dem Theaterfreund Laws, der auch die heitere Muse liebte, nur recht war. Es paßte zu ihm, daß er kurz vor seinem Tode noch eine Theateraufführung besucht hat. Ein schöner Ausgleich zu seiner Arbeit am Schreibtisch war für Ernst Laws das Klavierspiel, das er wiederum dank seines Fleißes erstaunlich gut beherrschte. Als Pennäler spielte er mir einmal mit Verve das einst sehr beliebte „Gebet einer Jungfrau" vor.

1939-1942 weilte, wie bereits gesagt, Ernst Laws, der inzwischen Kaplan an der Propsteikirche in Königsberg geworden war, in Arosa. Nach seiner Wiederherstellung war er Pfarrer in Mohrungen und Marienwerder. Beim Einbruch der Russen 1945 teilte er das Schicksal unzähliger Landsleute, bis er 1946 als Kurat in Kaufbeuren ein erstes neues Tätigkeitsfeld fand. Dann trat er doch in den höheren Schuldienst über: Als Religionslehrer, Studienrat, Studienprofessor und Gymnasialprofessor war er nacheinander in Donauwörth, Dillingen und Ulm/Gögglingen tätig. Um dem Zentrum der Ermlandarbeit näher zu sein, wechselte er 1969 nach Darfeld in Westfalen über. Seine letzte Heimat auf Erden war eine hübsche Wohnung bei einem Altenheim in Borghorst, die er erst vor kurzem bezogen hatte.

Unzählig sind, wir deuteten es schon an, die Publikationen aller Art, die er nach der Vertreibung veröffentlicht hat. Wenigstens eine der letzten von ihnen, die viel beachtet wurde, sei hier genannt: „Kling und das Glaubensbekenntnis der Kirche" (Verlag Wort und Werk, St. Augustin). Seine bedeutendste Leistung aber war die Herausgabe des Ermländischen Kalenders, später Ermlandbuch genannt (1950 bis 1979). Die wichtigsten Beiträge stammten gewöhnlich von ihm selbst. Wenn die Internationale Arbeitsgemeinschaft für Werbung, Markt- und Meinungsforschung am 3. Mai 1980 in Luxemburg ihren Preis für die Pflege heimatlicher Kultur dem Ermlandbuch 1980 verlieh, so galt, wie sein Nachfolger als Kalendermann, Pfarrer Johannes Gehrmann, zu Recht bemerkt, diese Auszeichnung vor allem auch seinem Vorgänger. Wegen seiner Verdienste um die Kirche in der Heimat und in der Fremde wurde Ernst Laws 1960 zum Monsignore, 1979 zum Päpstlichen Ehrenprälaten ernannt. Seit 1956 war er Mitglied es ermländischen Konsistoriums als Konsistorialrat und stellvertretender Dekan. Noch im Februar dieses Jahres hatte er die Unbilden, die den ermländischen Geistlichen in der NS-Zeit widerfahren waren, für eine alle deutschen Diözesen umfassende Publikation zusammengestellt. Zur Hilfe holte er sich aus Trier Frau Dora Ploetz, die Schwester unseres verstorbenen Mitschülers Lothar Ploetz. Es sei eine ste Arbeit gewesen, schrieb sie mir. Wahrscheinlich hat diese Arbeit Ernst Laws den letzten Rest gegeben. Allerdings ist er noch ganz frohgemut nach Frankfurt gefahren, um den Herzschrittmacher überprüfen zu lassen, den man ihm dort in der Universitätsklinik eingesetzt hatte. Er wohnte im Krankenhaus der Katharinerinnen und ging, wie schon erwähnt, am Abend vor der Untersuchung ins Theater. Auf dem Rückweg brach er auf der Straße kurz vor dem Krankenhaus tot zusammen. Seine letzte Heimat auf Erden hat er auf dem Friedhof in Borghorst gefunden.

Kehren wir noch einmal in unsere Schulzeit zurück. Er hatte sein Stübchen im Hinterhaus, das nur durch einen dunklen Gang zu erreichen war. Da es an der "Renn" lag, wo wir am Nachmittag regelmäßig flanierten, sind wir gern zu ihm gegangen. Ihn selbst traf man freilich nicht auf der „Renn" an. Wie er niemals auch nur eine Minute seines Lebens vergeudet hat. Erst vor ein paar Jahren schrieb er mir, daß er manchmal auf dem Klavierstuhl vor sich hindöse, und das sei auch ganz schön. Wenn wir als Primaner zu ihm kamen, haben wir - ich muß es zerknirscht gestehen -, ihn mitunter ein bißchen geneckt, weil er so nett reagierte. Wegen seines runden Hütchens („Zündhütchens") nannten wir ihn "Zint". Als solchen haben wir ihn voriges Jahr bei unserem Treffen wie selbstverständlich noch nach fünfzig Jahren angesprochen. Auf Grund seiner scharfen Formulierungen verglichen wir ihn auch mit Lessing. Der Lebenswandel von Goethe war seine besondere Anfechtung, wobei er sich auf die Literaturgeschichte von Baumgartner berief. Nach dem Herder von 1954 ist dessen „Göthe (!) historisch zu verstehen als kritische Auseinandersetzung des deutschen Katholizismus mit dem Goethekult".

In der Klasse war Ernst Laws' Ansehen so groß, daß er zum Klassensprecher und auf O I auch zum Schulsprecher gewählt wurde. Er war es, der Direktor Jüttner klarmachte, daß nicht dieser selbst, sondern Zeichenlehrer Heider die Regie der „Antigone" übernehmen müsse. So überaus fleißig er war, einem Lehrer konnte er es niemals recht machen, und das war der Griechischlehrer Professor Hugo Reiter. Dieser ließ seine Antipathie gegen manche Mitschüler allzu deutlich spüren. Wenn er Ernst Laws aufrief, brauchte dieser nur ein paar Worte zu sagen - schon unterbrach ihn der "Hugo": „Erbarmen Sie sich! Kein Wort richtig! Setzen Sie sich!" Ernst Laws konnte bis an sein Lebensende die völlig unverdiente Mißachtung durch den wegen seiner Gelehrsamkeit gerühmten Professor nicht vergessen. Auf der Oberprima saßen wir beide hinten auf einer Bank. Bei Klassenarbeiten mußten wir uns aber auf eine Bank allein setzen. Bei den Mathematikarbeiten ging Ernst Laws nach vorn, bei den griechischen und lateinischen blieb er hinten sitzen. Warum wir uns so verhielten, mögen die Auguren erraten.

In der Aufführung der „Antigone" durch unsere Oberprima - nur die Titelheldin hatten wir uns von U I geborgt (Hans-Werner Janz) -, spielte Ernst Lawas gleich zwei Rollen: den blinden Seher Teiresias Unglücksboten. Für diesen hatte ihr sich einen besonderen Gag ausgedacht: Mit einem großen Satz sprang er aus der Kulisse auf die Bühne, um dann die Worte zu sprechen: „O Herr, behaupten kann ich nicht, daß ich leichtfüßig kam hierher!" Am liebsten hätte er wohl den König Kreon gespielt, aber daran hinderte ihn seine kleine Gestalt, die auch manches in seinem Wesen erklären mag.

Sehr aktiv nahm Ernst Laws am Leben der nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Neudeutschlandgruppe teil. Als wir aber in unsere jugendbewegte Phase gerieten mit Kluft und Klampfe, machte der Realist Ernst Laws diese nicht mit. Man kann sich ihn auch schlecht als „Wandervogel" vorstellen. Dem Geiste Neudeutschlands ist er aber bis an sein Lebensende treu geblieben. Ich denke noch an einen Vortrag, den er im ND über den Kitsch hielt. Am Ende lag dieser völlig zerschmettert am Boden. Sein Kunstverständnis suchte Ernst Laws auch im väterlichen Geschäft durchzusetzen. Schmunzelnd berichtete er mir selbst von folgendem Vorgang.. Ein junges Paar betrat den Laden. Sie wollten ein Bild für ihr Schlafzimmer haben. Nach langem Zureden entschieden sie sich für ein gutes Landschaftsbild oder dergleichen. Wenige Tage später betraten die beiden wieder das Geschäft mit dem Bild unterm Arm. Verlegen erklärten sie: Wir möchten doch lieber einen Elfenreigen haben!

Im Sommersemester 1924 trat Laws in Freiburg in die KV-Korporation Germania Hohentwiel ein. Er blieb dem KV bis zuletzt eng verbunden. Während des Kulturkampfes war das Braunsberger Priesterseminar geschlossen worden. Die Studenten an der Akademie wohnten in der Stadt und gründeten die KV-Verbindung "Warmia", die 1887 suspendiert wurde, als die Theologen wieder ins Priesterseminar einzogen. 1926 wurde die "Warmia" unter tatkräftiger Mitwirkung von Ernst Laws als „Ermland" in München neugegründet. Als anläßlich der Vertreterversammlung des KV 1971 in Münster eine Krise im Verband hinsichtlich des ersten Prinzips Religion spürbar wurde, richtete er bewegende Worte vor allem an seine jungen Kartellbrüder. Ein ergrauter Alter Herr erklärte nachher, es sei ihm bei dem eindringlichen Appell von Prälat Laws fast so gewesen, als habe der Heilige Geist selbst zu ihnen gesprochen.

Der angestammten Heimat aufs innigste verbunden, war Ernst Laws seiner Natur gemäß einer der eifrigsten Verfechter des Heimatrechts. Häufig nahm er mittätig an den Ostertreffen des Jungen Ermlands in Freckenhorst teil. Er war sehr betrübt, als ihm von jungen Ermländern, die die alte Heimat nicht mehr aus eigenem Erleben kannten, gesagt wurde, sie fühlten sich auch in der neuen Heimat wohl. Das Rad der Zeit konnte auch ein Mann wie Ernst Laws nicht anhalten.

Hans Preuschoff
 

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