| Hans Preuschoff Preußen wieder aktuell
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VORWORT
 
 Die hier vorgelegte Schrift ist eine an einigen Stellen leicht überarbeitete 
Zusammenfassung von acht Folgen, die von Weihnachten 1979 bis zum Sommer 1981 im 
Mitteilungsblatt des Historischen Vereins für Ermland „Unsere ermländische 
Heimat" (Beilage zu den von dem Apostolischen Visitator für die Ermländer in der 
Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen "Ermlandbriefen") erschienen sind. 
Daß es sich um eine solche Zusammenfassung handelt, ersieht der Leser schon aus 
den ersten Sätzen. In ihnen wird die Berliner Ausstellung „Preußen-Versuch einer 
Bilanz" angekündigt. Sie geht inzwischen ihrem Ende entgegen oder ist womöglich 
schon geschlossen, wenn diese Broschüre erscheint. Den Anstoß zu der Darstellung 
der preußischen Geschichte gab das Buch von Sebastian Haffner, Preußen ohne 
Legende, das Walter Görlitz noch im Juli 1981 „Spitzenreiter der Buchmodewelle" 
nannte. Von anderen Erscheinungen der fast unübersehbaren Preußenwelle auf dem 
Büchermarkt seien wenigstens einige genannt, ohne daß damit ein Werturteil 
gefällt werden soll: Joachim Fernau, Sprechen wir über Preußen; Helmut Diwald 
(Hrsg.), Im Zeichen des Adlers; Christian Graf von Krockow, Warnung vor Preußen; 
Sebastian Haffner und Wolfgang Venohr, Preußische Profile; Siegfried 
Fischer-Fabian, Preußens Gloria und Preußens Krieg und Frieden, sowie Werner 
Knopp, Preußen, Versunkener Staat - lebendiges Erbe.
 
 Was war Preußen? War es, wie es der ostpreußische Schriftsteller Friedrich 
Reck-Malleczewen im August 1939 gesagt hat, der ewige Schreihals, der auch 
morgen wieder den Krieg an den ganzen Erdball erklären werde? Oder war es, um 
noch einmal den in Baden-Baden geborenen katholischen Dichter Reinhold Schneider 
zu zitieren, die stärkste Form, die sich in die östliche Flut stellte? Eins ist 
gewiß: Das 1947 vom Alliierten Kontrollrat offiziell für tot erklärte Preußen 
wird noch lange die Gemüter beschäftigen.
 Köln, im September 1981
 Dr. Hans Preuschoff
 
 
 
 Das Thema Preußen ist wieder “in”. Der Grund dafür sind eine Ausstellung und ein 
Buch. Die Preußenausstellung hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, 
Dietrich Stobbe, ein gebürtiger Ostpreuße, in der alten preußischen Hauptstadt 
für 1981 vorgesehen. Es ist klar, daß die Ankündigung der Ausstellung die 
Gemüter in Wallung gebracht hat und zwischen den Anhängern von Preußens Gloria 
und Preußens Verdammung eine lebhafte Diskussion in Gang gekommen ist, die einen 
ersten Niederschlag in einer Dokumentation gefunden hat, die vom Presseund 
Informationsamt der Stadt Berlin herausgegeben worden ist.
 Das Buch, von dem die Rede ist, ist „Preußen ohne Legende" von Sebastian 
Haffner, in verschwenderischer Ausstattung im Verlag Gruner & Jahr erschienen. 
Haffner ist gewiß nicht jedermanns Freund. Aber schon seine „Anmerkungen zu 
Hitler" haben weitgehende Zustimmung gefunden. In einer Besprechung dieses 
Buches vergleicht der Publizist Hans-Georg Studnitz Haffner mit dem Maler 
Picasso auf Grund seiner verschiedenen Perioden. Haffner schillert tatsächlich 
in vielen Farben, und auch sein „Preußen ohne Legende" wird dieses Urteil 
keinesfalls entkräften. Immerhin kann selbst ein amerikanischer Professor, der 
seit einiger Zeit an der Universität Münster lehrt, Robert D. Walton, nicht 
umhin, Haffners neues Buch als „lesenswert" zu bezeichnen, was für einen 
Amerikaner ein großes Zugeständnis ist, wird doch in den USA nach Waltons 
eigenen Worten Preußen gleichgesetzt mit Militarismus und Hitlers „Drittem 
Reich". Aus einer solchen Einstellung heraus ist es ja auch zu dem 
Kontrollratsbeschluß von 1947 gekommen, der Preußen auflöste, womit man 
sozusagen dem längst gestorbenen Löwen noch nachträglich einen höchst 
überflüssigen und im Grunde auch unberechtigten Tritt versetzte, denn das alte 
Preußen hatte mit Hitlers „Drittem Reich" am wenigsten zu tun, auch wenn Hitler 
in der Schmierenkomödie des Tages von Potsdam am 21. März 1933 die 
Machtergreifung durch den Nationalsozialismus am Grabe Friedrichs des Großen als 
die Erfüllung der preußischen Geschichte feierte.
 Neben Haffners Buch seien keinesfalls die früheren Darstellungen Preußens und 
des Preußentums vergessen. Eine der ersten, die nach dem Krieg lebhaft 
diskutiert wurde, war die Arbeit „Die Tragik des Preußentums" von Otto Heinrich 
von der Gablentz, vom Standpunkt des gläubigen evangelischen Christen aus 
geschrieben, der kein Historiker war und darum auch nicht in den 
Literaturverzeichnissen der Fachbücher erscheint, obschon wir seinen Gedanken 
hier und da in der späteren Preußenliteratur zu begegnen meinen. Vor allem aber 
sind die Bücher des Erlanger Historikers Hans-Joachim Schoeps zu beachten. 
Schoeps, der sich offen als Monarchist bekennt, sah gerade als Jude in dem alten 
preußischen Staat einen Platz für seinesgleichen, nachdem dieser durch das 
Gesetz von 1812 ausdrücklich die Juden als gleichberechtigte Bürger anerkannt 
hatte. Von seinen Preußenbüchern seien die genannt, die bei der Abfassung dieses 
Beitrages vor allem gewürdigt worden sind, „Preußen, Geschichte eines Staates", 
„Preußen und Deutschland, Wandlungen seit 1763", „Der Weg ins Deutsche 
Kaiserreich" und „Das andere Preußen". Wenn Schoeps gelegentlich vorgeworfen 
wird, daß er Preußen zu sehr verherrliche, so ist dem zu entgegnen, daß er bei 
aller zugestandenen Sympathie für das alte Preußen diesem keineswegs unkritisch 
gegenübersteht. Nicht zu übersehen ist das Buch von Arno Lubos „Deutsche und 
Slawen" mit dem Kapitel „Preußen und Slawen". Doch wollen wir dieses Buch 
stärker in einem besonderen Beitrag heranziehen, der dem Verhältnis von Preußen 
und Polen gewidmet ist. So sollen auch die Leser nicht enttäuscht sein, wenn der 
Polenfrage in diesem Aufsatz nach ihrer Meinung nicht der gebührende Platz 
eingeräumt wird. Schließlich sei von der neueren Preußenliteratur noch das Buch 
von Bernt Engelmann „Preußen - Land der unbegrenzten Möglichkeiten" erwähnt, das 
die Wiener Zeitung „Die Presse" „ein preußisches Antigeschichtsbuch" nennt, in 
dem die preußische Geschichte „mit Brachialgewalt auf roten Vordermann gebracht" 
wird.
 
 Die Friedrichs und die Wilhelms
 In einer großen deutschen Tageszeitung schob die von uns sonst sehr 
geschätzte Verfasserin eines Beitrags den Erlaß „Ruhe ist die erste 
Bürgerpflicht" nach der Niederlage von Jena König Friedrich III. zu. Damit war 
sie einem doppelten Irrtum unterlegen. Die Aufforderung stammt nicht vom König 
selbst, sondern von seinem Minister von der Schulenburg, und der König hieß auch 
nicht Friedrich III., sondern Friedrich Wilhelm III. Es ist schon ein rechtes 
Kreuz mit den preußischen Königen. Sie kennen nur zwei Namen, Friedrich und 
Wilhelm; manche von ihnen führen, wie wir eben gesehen haben, beide Namen, 
glücklicherweise nur in der Folge Friedrich Wilhelm; wären noch Wilhelm 
Friedrichs dabei, würden wir restlos verwirrt. Dürfen wir, ohne in den Verdacht 
des Borussismus zu geraten, unseren Lesern eine Liste der preußischen Könige 
präsentieren - den älteren zur Auffrischung ihrer Kenntnisse, den jüngeren zur 
mehr oder weniger willkommenen Belehrung? Der erste preußische König, der sich 
am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloß selbst die Krone aufs Haupt setzte, 
war Friedrich I., der Sohn des Großen Kurfürsten; als Kurfürst hieß er selbst 
noch Friedrich III. Ihm folgte 1713 sein Sohn Friedrich Wilhelm I., bekannt als 
der Soldatenkönig. Dessen Sohn und Nachfolger war Friedrich II. (1740 bis 1786), 
den sie nach dem z. Schlesischen Krieg den Großen nannten. Da er kinderlos 
starb, folgte ihm sein Neffe Friedrich Wilhelm II. Er gilt als der unfähigste 
der preußischen Könige, was allerdings Haffner heftig bestreitet. Sein 
Nachfolger Friedrich Wilhelm III. (1797 bis 1840) steht im Schatten seiner 
bedeutenden, allerdings früh verstorbenen Frau Luise. Beider ältester Sohn, 
Friedrich Wilhelm IV., regierte offiziell bis zu seinem Tod 1861, mußte aber 
wegen einer schweren Erkrankung, da er selbst kinderlos war, seit 1857 von 
seinem Bruder vertreten werden. Dieser herrschte dann von 1861 bis 1888 - seit 
1871 auch als deutscher Kaiser. Wilhelms I. Sohn Friedrich III. regierte 1888 
wegen Kehlkopfkrebses nur 99 Tage. Der letzte preußische König und deutsche 
Kaiser war sein Sohn Wilhelm II. (1888 bis 1918). 
 Wie Preußen zu seinem Namen kam
 Beginnt die preußische Geschichte mit der Krönung Friedrichs I.? Haffner will es 
so wissen; was vorher geschehen ist, nennt er Früh- und Vorgeschichte. Lassen wir 
es dabei. Was Haffner besonders gereizt hat, ist die Frage, wie der Staat zu 
seinem Namen gekommen ist. Schließlich waren die Prußen ein baltisches Volk, das 
vom Deutschen Ritterorden unterjocht wurde, und eben dieses unterworfene Volk 
gab dem Staat, der auf seinem Boden gegründet wurde, den Namen. Frau Dr. 
Brigitte Poschmann wies mich darauf hin, daß in den päpstlichen und anderen 
lateinischen Urkunden von "Pruscia" und der „terra Pruscie" die Rede ist. Und so 
ist diese Bezeichnung wie von selbst in den deutschen Sprachgebrauch übernommen 
worden für ein Land, für das sich sonst kein anderer Name gefunden hätte. 
"Deutschordensstaat" bezeichnet die Form des neuen Staatsgebildes, eignet sich 
aber nicht als sein Name. Zur Unterwerfung der Preußen seit 1230 sei aus Hafners 
Buch eine für ihn charakteristische Stelle zitiert: 
„Die Eroberung und Unterwerfung des Preußenlandes an der Weichsel durch den 
Deutschen Ritterorden ist eine Greuelgeschichte, aber der Staat, den der Orden 
in dem eroberten Land errichtete, ist ein kleines Weltwunder seiner Zeit." 
Unbedingt muß erwähnt werden, daß sich der Hochmeister des Deutschen Ordens, 
Hermann von Salza, vielleicht der größte Politiker seiner Zeit, in der Goldenen 
Bulle von Rimini (1226) vom Kaiser und acht Jahre später auch vom Papst den 
Besitz des zu erobernden Preußenlandes mit voller Landeshoheit bestätigen ließ. 
In seinem Drama „Das Kreuz an der Ostsee" legt Zacharias Werner der Herzogin von 
Masovien, Agaphia, als ihr der Ordensgesandte Conrad von Landsberg eröffnet, daß 
das eroberte Preußenland dem Orden verbleiben solle, die Worte in den Mund: „Ein 
überreicher Lohn." Und sie, die sonst die eigentliche Lenkerin der 
Staatsgeschäfte in Masovien ist, verschiebt die Zustimmung zu diesem Punkt bis 
zur Rückkehr des Herzogs Konrad aus Krakau, gibt aber zu verstehen, daß er tun 
werde, was er nicht lassen könne, was nur so zu deuten ist, daß er sich gegen 
den Plan Hermann von Salzas nicht sträuben wird. Mag das Gespräch auch von 
Werner erfunden worden sein, wie Agaphia dachten um 1800 gewiß viele Polen.Interessant ist der Hinweis Haffners auf den Unterschied zwischen der 
Christianisierung Brandenburgs und Preußens. In Brandenburg waren Eroberung und 
Missionierung zweierlei gewesen. Die weltlichen Eroberer verlangten nur 
Unterwerfung, die christliche Missionsarbeit verrichteten friedliche Mönche 
(Zisterzienser). In Preußen dagegen brachten die erobernden Ordensritter das 
Christentum mit dem Schwert, wobei, wie Haffner entgegen einer weitverbreiteten 
Annahme ausdrücklich feststellt, die Prußen nicht völlig ausgerottet wurden. 
Allerdings war die Kombination von Eroberung und Missionierung für letztere eine 
schwere Belastung, und an den Aufständen gegen den Orden nahmen auch bereits 
„bekehrte" Preußen teil.
 
 Die Preußenschulen im Ermland
 Es ist an der Zeit, ein Wort über die geistlichen Territorien zu sagen, die 
unter der Oberherrschaft des Ordens auf preußischem Boden gebildet wurden. Uns 
interessiert dabei natürlich vor allem das Ermland. Hier suchte man auf 
friedlichere Weise die eingesessenen Prußen für den christlichen Glauben zu 
gewinnen. Unser bedeutender, immer um eine sachliche Wiedergabe geschichtlicher 
Vorgänge bemühter ermländischer Historiker Franz Hipler konnte feststellen, daß 
im Ermland für das zeitliche Wohl wie für die geistige Ausbildung der 
Stammpreußen am meisten getan worden sei. Um einen Klerus heranzubilden, der den 
Prußen das Wort Gottes in ihrer eigenen Sprache verkündete, gründete man sog. 
Preußenschulen. Eine solche hat am bischöflichen Hof in Heilsberg bis ins 15. 
Jahrhundert hinein bestanden. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts waren 
wichtige kirchliche Stellen wie die des Guardians des Braunsberger 
Franziskanerklosters und des Pfarrers von Wormditt mit Stammpreußen besetzt.Die folgende hübsche Begebenheit soll unseren Lesern nicht vorenthalten werden, 
mag es sich auch, um Haffners Wort zu gebrauchen, um eine Legende handeln. Im 
Jahr 1355 begab sich der vom ermländischen Domkapitel zum Bischof gewählte 
Johannes Stryprock nach Avignon, wo die Päpste damals residierten, um seine 
Bestätigung durch Innozenz VI. zu erhalten. In Stryprocks Gefolge befand sich 
der stammpreußische Adlige Nikolaus Gerke von Hohenberg, der in Prag Theologie 
studierte. Als der Papst bei der Audienz feststellte, daß Stryprock die 
preußische Sprache nicht beherrschte, soll er kurzerhand den Gerke zum Bischof 
bestimmt haben mit dem Hinweis, es sei notwendig, daß die junge Pflanzung der 
ermländischen Kirche möglichst viele einheimische Priester habe. Am nächsten Tag 
aber, so wird weiter erzählt, seien Stryprock und Gerke nochmals zum Papst 
gegangen, und Gerke habe bei diesem Besuch zugunsten des ursprünglich erwählten 
Bischofs verzichtet, was der Papst dann auch akzeptierte. Ob die Dinge sich so 
abgespielt haben, wie soeben berichtet wurde, sei dahingestellt. Auf jeden Fall 
sollte die Geschichte die Haltung der Kirche in der Frage der Preußenmission 
beweisen.
 
 Albrechts Huldigung an Polen
 Preußen gab nicht nur dem Deutschordensstaat den Namen, sondern auch dem 1701 
durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. begründeten Königreich. 
Warum nannte er sich nicht König von Brandenburg? Weil Brandenburg ein Teil des 
Deutschen Reiches war, dessen König der Kaiser war. Eine Ausnahme bildete 
Böhmen, dessen Herzog sich seit 1198 König nennen durfte (Kurfürst wurde er 
auch). Gehörte aber Preußen nicht auch zum Deutschen Reich? Erich Caspar, der 
große Historiker, dessen Buch „Hermann von Salza und die Gründung des 
Deutschordensstaates in Preußen" das maßgebliche Werk für diese Fragen ist, 
äußert sich zur These von der reichsfürstlichen Stellung des Hochmeisters, daß 
diese nicht im Sinne der Zugehörigkeit zum deutschen Lehnsstaat zu sehen sei. 
Der geschichtliche Lauf der Dinge hat zusätzlich zur Lösung Preußens vom Reich 
beigetragen. Im zweiten Thorner Frieden von 1466 kamen Westpreußen und das 
Ermland unter polnische Herrschaft bzw. Oberherrschaft. Der restliche 
Ordensstaat Preußen mit dem Sitz des Hochmeisters in Königsberg trat in engere 
Beziehung zu Polen, wobei noch von keinem eigentlichen Lehnsverhältnis zu 
sprechen ist. Ein solches wurde erst nach der Umwandlung des Ordenslandes in das 
Herzogtum Preußen durch den Hochmeister Albrecht von Brandenburg begründet, der 
mit seinen Brüdern auf alle Rechte bei Kaiser und Reich verzichtete. Der 
polnische Maler Jan Mateiko hat die Huldigung Albrechts in Krakau, die unter 
großer Prunkentfaltung erfolgte und von der polnischen Geschichtsschreibung 
stark herausgestellt wird, in einem seiner Kolossalgemälde verewigt. Haffner 
nennt im übrigen das Verhalten Albrechts eine wenig erbauliche Geschichte, wobei 
er nicht an die Huldigung in Krakau denkt, sondern an den 1525 erfolgten 
Übertritt des Hochmeisters zur Lehre Luthers und die Umwandlung des 
Ordensstaates in ein erbliches Herzogtum. Haffner spricht sogar von einem 
Verrat, den Albrecht an seinem Amt und denen verübt habe, die ihn dazu gewählt 
hätten.Inzwischen hatten die Hohenzollern bereits in einem anderen Gebiet Fuß gefaßt. 
Im Jahr 1415 übertrug gelegentlich des Konzils von Konstanz Kaiser Sigismund dem 
Burggrafen von Nürnberg, Friedrich VI. von Hohenzollern, „als Belohnung für 
wichtige ihm und dem Reiche geleistete Dienste" die Mark Brandenburg mit der 
Kur- und Erzkämmererwürde. Die eigentliche Belehnung erfolgte am 18. April 1417. 
In seiner neuen Würde wurde aus Friedrich VI. Friedrich I. Für die Zukunft als 
besonders wichtig erwies sich die 1563 erfolgte Mitbelehnung der Söhne des 
brandenburgischen Kurfürsten Joachim II., Johann Georg und Sigismund, über 
Preußen, was 1618 dazu führte, daß der Kurfürst von Brandenburg, Johann 
Sigismund, nach dem Tod des erbenlosen geisteskranken Herzogs Albrecht Friedrich 
auch Herzog von Preußen wurde. „In der polnischen Geschichtsschreibung", bemerkt 
Gotthold Rhode in seiner „Kleinen Geschichte Polens", „wird der Beschluß von 
1563 oft scharf mißbilligt und als ein entscheidender Grund für die zur Teilung 
führende Entwicklung und für die neuzeitliche deutsche Ostexpansion verurteilt." 
Der Mitwelt seien, fährt Rhode fort, derartige Vorstellungen eines 
preußisch-polnischen oder deutsch#polnischen Gegensatzes jedoch gänzlich fremd 
gewesen. Im übrigen habe der starke polnische Einfluß im herzoglichen Preußen 
die Zugehörigkeit Preußens und Brandenburgs zur gleichen Dynastie kaum 
bedrohlich erscheinen lassen. Immerhin stimmten die beiden Teile des Staates 
auch in der Konfession überein, seitdem Kurfürst Joachim II. sich 1539 zur Lehre 
Luthers bekannt hatte.
 Nachdem bereits 1614 im Vertrag von Xanten nach dem Jülich-Cleveschen 
Erbfolgestreit Cleve, Mark und Ravensberg an Brandenburg gefallen waren, bestand 
das Herrschaftsgebiet der Hohenzollern aus drei weit auseinander liegenden 
Teilen, die das sei ohne eine moralische Wertung zu treffen, gesagt - zur 
Vereinigung drängten. Schoeps spricht von einem unaufhaltsamen Trieb zur Einheit 
des Ganzen, der durch die Krönung Friedrichs der Armee und den Behörden 
eingepflanzt wurde. Und Haffner betont geradezu einen Zwang zur Größe, der das 
Lebensgesetz des preußischen Staates wurde.
 
 „König" ein Zauberwort wie „Demokratie"
 Die Voraussetzung, daß Kurfürst Friedrich III. sich die preußische Krone in 
Königsberg aufs Haupt setzen konnte, schuf sein Vater, der Große Kurfürst, indem 
er im Frieden von Oliva 1660 die polnische Lehnsherrschaft über Ostpreußen 
abschüttelte. Friedrich I., dessen Streben nach der Königskrone Haffner als im 
Zuge der Zeit liegend bezeichnet - das Wort „König" sei damals ein Zauberwort 
gewesen wie heute das Wort „Demokratie" -, dehnte, so lesen wir wieder bei 
Schoeps, die neue Titelbezeichnung, „die die Kurie wegen des alten Ordensstaates 
- geistliches Gebiet also - für ein Jahrhundert zur Kenntnis zu nehmen sich 
weigerte, auch auf die anderen Landesteile des Staates aus, so daß allmählich 
Brandenburger, Lausitzer, Pommern, Magdeburger und Westfalen zu Preußen wurden". 
Auch in Brandenburg und Cleve gab es fortan nicht mehr kurfürstliche und 
herzogliche Beamte, sondern königliche.Schwierigkeiten bei der Erhebung des brandenburgischen Kurfürsten machte der 
Deutsche Ritterorden, dessen Hochmeisterwürde nach 1525 auf den Deutschmeister 
mit dem Sitz in Mergentheim übergegangen war. Erzkatholisch, so schreibt Haffner 
in seinem uns nun schon bekannten aggressiven Stil, eng an Habsburg angelehnt, 
bot der Orden in Wien jetzt seinen ganzen Einfluß auf, um zu verhindern, daß das 
ketzerische, illegitime, geraubte preußische Herzogtum der Hohenzollern nun auch 
als Königreich Anerkennung fand. Aber, wie wir sahen, blieben alle Bemühungen 
des Ordens ohne Erfolg. Er wurde dann in Deutschland von Napoleon aufgelöst. In 
Österreich blieb er bestehen. Nach dem letzten Krieg wurden auch in der 
Bundesrepublik Deutschland einige Niederlassungen gegründet. Die Polen, für die 
der Deutsche Ritterorden seit eh und je ein rotes Tuch ist und die ihren Sieg 
über ihn bei Tannenberg 1410 als das vielleicht größte Ereignis ihrer Geschichte 
feiern, haben es Konrad Adenauer sehr übelgenommen, daß er die Würde eines 
Deutschordensritters annahm, obwohl der Orden heute nur noch rein karitative 
Aufgaben hat.
 Preußens erster König Friedrich I. war ein unheroischer, verschwenderischer, 
aber gebildeter Mann. Er rief Andreas Schlüter nach Berlin und ließ ihn das 
Königsschloß vollenden. Seine Wiederherstellung nach dem Zweiten Weltkrieg wäre 
trotz erheblicher Bombentreffer durchaus möglich gewesen, doch ließen es die 
neuen, kommunistischen Machthaber als Symbol des verhaßten Preußentums 
niederreißen. Was ihnen inzwischen selbst am meisten leidgetan hat. Wie gern 
würde Herr Honecker heute im alten Schloß der preußischen Könige residieren! Ein 
Kuriosum ist die Rettung des Standbildes des Großen Kurfürsten, das Schlüter im 
Angesicht des Schlosses errichtete und das viele für das beste Reiterstandbild 
überhaupt halten. Wegen der Bombenangriffe sollte es auf einem Spreekahn in 
Sicherheit gebracht werden, doch soff dieser Kahn aus irgendeinem Grund ab, 
glücklicherweise noch im Gebiet von Westberlin. So konnte das Denkmal nach dem 
Krieg geborgen und auf einem würdigen Platz vor dem Charlottenburger Schloß 
aufgestellt werden.
 
 Der preußische Militarismus
 Die beiden großen preußischen Könige nennt Haffner die Nachfolger Friedrichs 
I.: Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., den das Volk als den Großen verehrt 
hat. Allerdings hat es schon vorher einen Großen in der Geschichte des Landes 
gegeben: Friedrich Wilhelm, den Großen Kurfürsten. Er erkannte als erster den 
schon erwähnten durch die Neuzugänge im Osten und Westen entstandenen „Zwang zur 
Größe, der dann das Lebensgesetz des Staates Preußen werden sollte". Haffner 
wehrt sich aber mit Nachdruck gegen die spätere Legende, als ob das Haus 
Hohenzollern „im Zusammenwirken mit der Vorsehung" über Jahrhunderte bewußt und 
weitschauend auf das künftige Preußen, und wir können hinzufügen auf das 
Deutsche Reich, hingearbeitet habe. Anders als jeder andere europäische Staat 
sei Preußen immer wegzudenken gewesen, es sei keineswegs aus einem Stamm 
herausgewachsen wie etwa Bayern und Sachsen. Preußen habe zeitlebens eines 
Übermaßes an staatlichem Lebenswillen und militärischer Selbstbehauptungsenergie 
bedurft, um den Geburtsmakel auszugleichen. Das Mittel, diesen 
auseinandergerissenen Staat ohne natürliche Grenzen am Leben zu halten und zu 
arrondieren, wie die Fachleute sagen, war die Armee, die im Verhältnis zu 
anderen Staaten erheblich größer war. So war der Militarismus eine 
Notwendigkeit, den abfälligen Beigeschmack, den das Wort dann bekommen hat und 
der Preußen zum Hauptvorwurf gemacht wurde - auch in dem erwähnten 
Kontrollratsgesetz Nr. 46 -, hat es erst im Laufe der Zeit erhalten, als die 
preußische Armee entscheidend an der erwähnten Arrondierung des Staates 
beteiligt war und dadurch zu einer den anderen Völkern unheimlichen Macht wurde 
und man im Militarismus die preußische Weltanschauung sah. Eine politische Rolle 
hat anders als z. B. das Militär in südamerikanischen Staaten die preußische 
Armee nie gespielt, sehen wir von dem Attentat gegen Hitler am 20. Juli 1944 ab, 
an dem eine Anzahl von preußischen Offizieren beteiligt war. Der eigentliche 
Attentäter Graf Stauffenberg kam aus Bayern, allerdings war er ein Nachkomme des 
preußischen Generalfeldmarschalls Neithardt von Gneisenau, der wiederum aus 
Sachsen stammte. Als politischer Faktor ist das Militär eher im Kaiserreich 
hervorgetreten. Wir kommen darauf noch zurück.Der Große Kurfürst hat im Gegensatz zu den früheren Söldnerheeren ein stehendes 
Heer geschaffen. Sein Enkel Friedrich Wilhelm I. hat es weiter ausgebaut und ist 
dadurch zu dem Beinamen Soldatenkönig gekommen. Nach der Einwohnerzahl war 
Preußen zu seiner Zeit der 13., nach Umfang der 10., nach der Stärke der Armee 
aber der 4. Staat in Europa. Friedrich Wilhelm I. war der erste Herrscher, der 
ständig Uniform trug.
 Was Haffner kaum beachtet, ist das starke religiöse Empfinden Friedrich Wilhelms 
I. Aber sein übersteigertes Pflichtgefühl stammte nicht, wie Gablentz sagt, aus 
evangelischer Freiheit, sondern war eine neue Werkgerechtigkeit, die weder in 
einer kirchlichen Ethik noch in einer seelsorgerlichen Beichtpraxis ein Maß 
fand, sondern nur an die grenzenlose Unruhe eines geängstigten, 
selbstquälerischen Gewissens gebunden war. Es war Friedrich Wilhelm bitterernst 
mit seinem Gebetsleben wie mit seiner Erziehungsarbeit am Volk. Er sagte: „Wenn 
ich baue und verbessere das Land und mache keine Christen, so hilft mir das 
alles nichts." Aber das Christentum soll ein tätiges sein. Leere Kirchen sind 
ihm ein Greuel. So läßt er die wunderbare romanische Marienkirche vor den Toren 
Brandenburgs abtragen und daraus ein Militärwaisenhaus in Potsdam bauen. Die 
Königsgestalt Friedrich Wilhelms I. hat Jochen Klepper in seinem bedeutenden 
Roman„ Der Vater" zu erfassen gesucht.
 
 Ein rauher Vernunftsstaat
 Was würde aus diesem Staat werden, fragt Gablentz, wenn das Vorbild bliebe, 
diesem aber der Glaube fehlte? Würde der König noch, wie der Schwiegersohn 
Franckes, des Gründers der berühmten Halleschen Stiftungen, schreibt, Amtmann 
des Reiches Gottes sein? „Oder würde er", ich zitiere wieder Gablentz, 
„fanatisch dem Ziel verfallen, ein Reich dieser Welt aufzubauen? Friedrich 
Wilhelm I. war von Natur Soldat. Was würde aus diesem Soldatenstaat werden, wenn 
einmal jemand an die Spitze käme, für den das Soldatensein nur einen furchtbaren 
Zwang bedeutete und der doch aus übersteigertem Pflichtgefühl sich selbst an 
diesen Zwang bände?" Diese Worte Gablentz„ sind auf Friedrich Wilhelms Sohn und 
Nachfolger Friedrich II. (1740 bis 1786) gemünzt. Wir kennen den berühmten 
Konflikt zwischen Vater und Sohn, wir wissen auch, daß Friedrich II., nachdem 
ihn der Wille des Vaters gebrochen hatte, dessen Erbe auf seine Weise 
fortführte, aber nicht im Geiste des Christentums, sondern der Aufklärung, wobei 
er selbst zum Menschenverächter wurde. Man hat das Preußen Friedrichs II. einen 
rauhen Vernunftsstaat genannt. So kann Haffner schreiben, daß bei der Prägung 
dieses Staates der Zeitgeist mitgewirkt habe, der Geist der Staatsvernunft, der 
Staatsräson, der damals in ganz Europa herrschend wurde und einen solchen 
Vernunftsstaat wie Preußen begünstigte, ja geradezu nach einem solchen 
Vernunftsstaat verlangte.Unter Friedrich II. gewann Preußen zwei Provinzen: das reiche Schlesien und 
Westpreußen mit Ermland. Der Gewinn Westpreußens war für seinen Staat um so 
wichtiger, als er die Landbrücke zwischen Brandenburg-Pommern und Ostpreußen 
herstellte. Kann man im Fall Westpreußens noch als Entschuldigung anführen, daß 
Preußen dieses Verbindungsstück wirklich brauchte - was natürlich nur eine 
politische Rechtfertigung ist -, so war der Kampf um Schlesien, wie man kurz 
sagen könnte, ein Raubkrieg in drei Phasen, deren letzte, den Siebenjährigen 
Krieg von 1756 bis 1763, Friedrich nur gewann, weil er den längeren Atem hatte 
und seine schlimmste Gegnerin, die Kaiserin Elisabeth von Rußland, starb und ihr 
Nachfolger Peter III. Friedrich zuneigte. Allerdings starb Peter noch im selben 
Jahr mit oder ohne Zutun seiner Gemahlin und Nachfolgerin Katharina II. Diese 
kündigte Friedrich die Freundschaft, ließ aber die russischen Truppen nicht mehr 
in den Krieg eingreifen. So verloren auch die anderen Gegner Friedrichs, 
Österreich und Frankreich, die Lust am Krieg, und Friedrich behielt Schlesien 
endgültig, was ihm die Österreicher nie verziehen haben. Der Siebenjährige wie 
Krieg wird, Haffner zutreffend bemerkt, gern als Glanz- und Prunkstück von 
Preußens Gloria angesehen, mit den Siegen von Roßbach, Leuthen und Zorndorf. Der 
wirkliche, für Friedrich längst nicht so günstige Verlauf des Krieges wird kaum 
wahrge
 nommen. Friedrich spekulierte, ehe der Krieg ausbrach, auf den angeblich 
unüberwindlichen Gegensatz von Österreich und Frankreich. Aber Frankreich nahm 
Friedrich das Bündnis mit England übel, das um die Zeit mit Frankreich und 
Kanada und andere koloniale Besitzungen kämpfte. So kam es zum Dreibund 
Österreich-Frankreich-Rußland, dessen Ziel die Rückführung Preußens auf 
Brandenburg war. Warum, fragt Haffner, sollte man Preußen nicht einfach 
aufteilen können wie später Polen? Nun, es kam nicht dazu, der David besiegte 
die Goliaths, worauf die Jugend in Deutschland nach Goethes Wort „fritzisch" 
gesinnt war. Die nationalsozialistische Führung wartete im zweiten Weltkrieg auf 
ein „friederizianisches Wunder", womit der Tod der Zarin Elisabeth gemeint war, 
und als Roosevelt am 12. April 1945 plötzlich starb, wurde sein Tod von Goebbels 
als solches verkündet. Vergebens, wie wir wissen. Wunder lassen sich nicht 
herbeikommandieren. Roosevelts Nachfolger, Truman, war kein Peter III.
 
 Friedrichs II. religiöse Indifferenz
 Friedrich des Großen vielgerühmte Toleranz entsprang nicht einer religiösen 
Einstellung, sondern einer religiösen Indifferenz. Ihm, dem Atheisten, war es 
gleichgültig, zu welcher Konfession und zu welcher Nationalität sich ein 
Untertan bekannte, Hauptsache, er tat seine Pflicht. Daß Brandenburg-Preußen ein 
übernationaler Staat war, hatte schon der Große Kurfürst bewiesen, als er die 
Hugenotten in sein Land aufnahm, Friedrich Wilhelm I., als er den wegen ihres 
Glaubens ausgewanderten Salzburgern eine neue Heimat gab, und Friedrich II., 
unter dem die bei der ersten Teilung hinzugekommenen Polen es nach Haffners 
Ansicht nicht schlechter hatten als vorher in ihrem eigenen Staat. Seine 
Toleranz, die nach einem zynisch gemeinten Wort jeden nach seiner Fasson selig 
werden ließ, bewies Friedrich auch gegenüber den vor allem aus Schlesien in die 
Hauptstadt gezogenen Katholiken. Er ließ ihnen im repräsentativen Stadtzentrum 
eine Kirche erbauen, die nach der Heiligen Schlesiens, Hedwig, benannt wurde. 
Uns wurde als Kindern gern erzählt, daß Friedrich auf die Frage, wie die neue 
Kirche aussehen sollte, eine Kaffeetasse umgestülpt habe. In Wirklichkeit wurde 
sie nach dem Vorbild des Pantheons in Rom erbaut. Einweihen ließ der König die 
Kirche von seinem Geistesverwandten, den er zeitweilig nach Sanssouci zog, dem 
Fürstbischof von Ermland Ignaz Krasicki.Ein Abschnitt in dem Kapitel Haffners über Friedrich den Großen ist besonders zu 
beachten. Der Verfasser äußert hier ähnliche Gedanken wie schon Gablentz. Das 
alte Preußen, womit die Kernländer des preußischen Staates, Brandenburg, 
Pommern, das stückweise den Hohenzollern zugefallen war, und Ostpreußen gemeint 
waren, entbehrte der eigenen geistigen Prägung, wie Gablentz meint, und er fährt 
fort: „Es war ein Land ohne Heilige und Märtyrer." Auch die Verehrer der hl. 
Dorothea von Montau werden zugeben, daß sie für Preußen nicht die gleiche Rolle 
gespielt hat wie die Heiligen Adalbert und Stanislaus für Polen, die hl. Hedwig 
für Schlesien, der hl. Wenzel für Böhmen und der hl. Stephan für Ungarn. „So ist 
das religiöse Leben dieses Landes blutleer und bodenlos geblieben, eine Sache 
des Verstandes und der Städte, ganz im Gegensatz zu Polen", das den in Preußen 
den Märtyrertod gestorbenen hl. Adalbert längst für sich in Anspruch genommen 
hatte, als die Preußen katholisch wurden. Gablentz und Haffner weisen darauf 
hin, daß das Christentum „auf dem Wege der Eroberung" (Gablentz) oder, wie es 
Haffner ausdrückt, „oft unter schlimmen Begleitumständen" ins Land gekommen sei. 
Die katholische Kirche hatte keine Zeit, Wurzeln zu schlagen, da wurde das Land 
schon protestantisch. Auch der Übertritt zum Protestantismus war keine religiöse 
Bekehrung, sondern im allgemeinen nur die Befolgung eines fürstlichen Befehls. 
Soweit Gablentz. Und wieder Haffner: Kaum protestantisch geworden, wurde ihnen - 
womit er die preußischen Kernlande meint - eine Toleranz aufgenötigt, die auch 
die protestantischen Bekenntnisse relativierte. Haffner spielt hier auf den 
Übertritt des Kurfürsten Johann Sigismund zum Kalvinismus an, nachdem er 1614 
die reformierten Gebiete im Westen geerbt hatte. Der Große Kurfürst ordnete an, 
daß sich in seinem Land Reformierte und Lutheraner nicht mehr bekämpfen sollten. 
Das mißfiel dem Propst von St. Nicolai in Berlin, dem bekannten Liederdichter 
Paul Gerhardt („O Haupt voll Blut und Wunden", „Befiehl du deine Wege"), der ein 
eifriger Lutheraner war, so sehr, daß er seine Stelle aufgab. Wir zitieren 
Haffner weiter: „Darf man sich wundern, daß dort, wo bei älteren Völkern die 
Religion ihren festen Platz hatte, in Preußen eine gewisse Leere entstand und 
daß in diese Leere etwas eindrang, was man eine bloße Pflichtreligion oder 
Staatsethik nennen könnte?... Pflichterfüllung wurde in Preußen das erste und 
oberste Gebot und zugleich die ganze Rechtfertigungslehre. Wer seine Pflicht 
tat, sündigte nicht, mochte er tun, was er wollte... Mit diesem Religionssatz 
ließ sich leben, und sogar ordentlich und anständig leben - solange der Staat, 
dem man diente, ordentlich und anständig blieb. Die Grenzen und Gefahren der 
preußischen Pflichtreligion haben sich erst unter Hitler gezeigt."
 Der letzte Satz muß uns Ermländer ganz besonders beschäftigen. Wir wollen keine 
Pharisäer sein: Aber war nicht unser Ländchen gefeiter gegen die Verführung 
durch den Nationalsozialismus als etwa das übrige Ostpreußen? Nach der von 
Haffner gezeichneten Entwicklung kann dies nur dadurch gekommen sein, daß im 
Ermland die katholische Kirche wirklich Wurzeln schlagen konnte. Eine jüngst 
veröffentlichte Statistik hat nachgewiesen, daß gerade in den katholischen 
Gebieten, unter denen das Ermland ausdrücklich genannt wird, selbst bei der 
Reichstagswahl vom 31. Juli 1932, bei der Hitler „sein bestes Ergebnis unter den 
Bedingungen einer wirklich freien, gleichen und geheimen Wahl erzielte", die 
Nationalsozialisten auf der Strecke geblieben seien. Noch bei der letzten freien 
Wahl, wenn man sie im Hinblick auf die taktische Zurückhaltung der 
Nationalsozialisten so nennen kann, am 5. März 1933, also bereits nach der 
Machtergreifung Hitlers, errang im Kreis Braunsberg das Zentrum, die Partei des 
politischen Katholizismus, die absolute Mehrheit ebenso wie in der Stadt 
Braunsberg. Auch in den anderen ermländischen Kreisen war der Prozentsatz der 
NS-Stimmen zum Teil erheblich niedriger als im übrigen Ostpreußen. Auffallend 
ist nur ihre starke Zahl ausgerechnet in dem weitgehend von einer 
polnischsprechenden Bevölkerung bewohnten Landkreis Allenstein. Es handelt sich 
hier offensichtlich um Angstwahlen. Das übrige Ostpreußen wählte die braune 
Farbe. Daß dann, als die Nationalsozialisten ihren Druck verstärkt hatten und 
Wahlen oder besser Scheinwahlen nur noch stattfinden ließen, wenn sie mit einer 
Frage gekoppelt wurden, deren Zustimmung sich kein deutscher Wähler entziehen 
konnte, auch im Ermland die Ergebnisse in ihrem Sinne ausfielen, soll nicht 
verschwiegen werden. Wir wollen uns auch nicht vor der Frage drücken, was 
geworden wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte.
 Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß ein Kirchenkampf eingesetzt hätte, 
gegen den Bismarcks Kulturkampf ein Kinderspiel gewesen wäre. Ein geistlicher 
Freund erinnerte mich in diesem Zusammenhang an eine pessimistische Bemerkung 
Bischof Maximilians. Dazu wird folgende kleine Begebenheit passen:
 Es war im Krieg, als wir eines Tages in der Stube unseres Onkels in 
Heinrichsdorf beisammensaßen. Der Onkel selbst beteiligte sich schon einige Zeit 
nicht mehr an Gesprächen, sondern zog, wie es seine Art war, still an seiner 
kalten Pfeife. Auf einmal sagte er, der ein guter Ermländer war, wie jeder von 
uns zu sein glaubt, ganz unvermittelt (er sagte es auf plattdeutsch, ich darf es 
für die unserer Heimatsprache unkundigen Leser ins Hochdeutsche übertragen): 
„Das wird alles mal aufhören, das Nach-Bludau-in-die-Kirche-Fahren!" Widerspruch 
gegen seine Einsicht ließ er nicht gelten. Hat er recht behalten? Nein - aber 
mit einer entscheidenden Einschränkung: Sie fahren immer noch nach Bludau in die 
Kirche, doch es sind nicht mehr die Menschen, die damals in die Kirche fuhren, 
auch nicht ihre Kinder und Kindeskinder, sondern die, denen man heute unsere 
Heimat überlassen hat. Und um es ganz genau zu sagen: Gerade die jetzigen 
Heinrichsdorfer brauchen gar nicht mehr nach Bludau zu fahren, sondern der 
Pfarrer kommt jeden Sonntag die sieben Kilometer mit dem Motorrad zu ihnen, um 
den Gottesdienst in dem Kapellchen zu halten, das die alten Heinrichsdorfer zu 
Ehren ihrer im Ersten Weltkrieg Gefallenen errichtet hatten 1).
 
 Der erste Diener des Staates
 Wenden wir uns wieder unserem eigentlichen Thema zu, und drehen wir das Rad 
der Geschichte um 200 Jahre zurück. Immer noch regiert in Preußen Friedrich der 
Große, längst der Alte Fritz genannt. Und er regiert völlig absolutistisch, d. 
h., er gibt keine Entscheidungen an seine Mitarbeiter ab, sondern erledigt alle 
Staatsgeschäfte, auch die weniger wichtigen, in eigener Person entweder durch 
Verfügungen „aus seinem Kabinett" oder durch Marginalien. Das sind 
Randbemerkungen zu den ihm auf den Tisch gelegten Vorschlägen oder Anträgen. Die 
Untertanen waren in drei scharf gegeneinander abgegrenzte Stände gegliedert: 
Adel, Bauern, Bürger. Dem ersten Stand, dem Adel, blieb die Besetzung der 
Offiziersund höheren Beamtenstellen vorbehalten. Daß ein Bürgerlicher in den 
Adelsstand aufstieg, kam höchst selten vor, so beim Oberpräsidenten Domhardt, 
der sich besondere Verdienste um die Eingliederung Westpreußens in den 
preußischen Staat nach 1772 erworben hatte. Die Bauern mußten für den Gutsherrn 
arbeiten, möglichst nur drei Tage in der Woche. Die nachgeborenen Bauernsöhne 
waren Rekruten für die Armee. Aus wirtschaftlichen Gründen mußten auch die 
Bürger in ihrem Stand verbleiben. Dabei schätzte der König bürgerliche 
Emporkömmlinge nicht, weil sie nach seiner Meinung zumeist aus niedriger 
Gesinnung handelten. Zu den unbestreitbaren großen Leistungen des im Geist des 
aufgeklärten Absolutismus unermüdlich tätigen Königs, der sich als der erste 
Diener seines Staates bezeichnete, gehört die entscheidende Fortführung der 
unter seinem Vater durch Cocceji begonnenen und unter Friedrich in ihr 
entscheidendes Stadium tretenden Kodifizierung des „Allgemeinen Landrechtes für 
die preußischen Staaten" (Sie lesen richtig: Staaten!) durch den Großkanzler von 
Carmer und den hervorragenden Juristen Svarez. In Kraft getreten ist das 
Landrecht erst unter seinem Nachfolger 1794. Es blieb in Kraft, bis es 1900 
durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) abgelöst wurde. Erwähnt seien noch die 
Abschaffung der Folter, die Urbarmachung des Oder- und Netzebruches, die 
Gründung der Berliner Porzellanmanufaktur, die verschiedenen Kanalbauten. Diesen 
Leistungen stand ein strenges Steuersystem gegenüber, dessen Regie meist 
französische Beamte übernahmen, was gewiß nicht der Popularität des Alten Fritz 
dienlich war. Überhaupt war es um diese gegen Ende seines Lebens nicht mehr gut 
bestellt. Die Berliner, die einst dem Sieger von Hohenfriedberg zugejubelt 
hatten, bewahrten tiefstes Schweigen, als er wenige Monate vor seinem Tod, von 
einer Truppenrevue kommend, durch die Wilhelmstraße ritt. Graf Mirabeau, zu 
Beginn der Französischen Revolution der erste Repräsentant der 
Nationalversammlung, weilte beim Tod Friedrichs II. zufällig in Berlin. „Ich 
lebe noch", schreibt er, „und meine Seele entrüstet sich über das unwürdige 
Schauspiel, das Berlin meinen erstaunten Augen am Todestag des Helden bot, der 
die Welt vor Staunen schweigen oder vor Bewunderung reden ließ. Alles war 
düster, niemand war traurig; alles war geschäftig, nie betrübt. Kein Bedauern, 
kein Seufzer, keine Worte des Lobes." Friedrich der Große hatte nicht das Herz 
seiner Untertanen gewinnen können. Kam das vielleicht daher, daß er selbst keins 
oder nur ein kaltes Herz hatte? Gablentz, der solches feststellt, gibt 
allerdings zu, daß es noch heute schwer sei, ein objektives Urteil über diese 
Gestalt von dämonischer Größe zu fällen. Ernst Moritz Arndt charakterisiert den 
Staat, den Friedrich II. geschaffen hat, noch 1806 kurz vor der Schlacht bei 
Jena: „Alles Weisheit, Gerechtigkeit, lebendige Beweglichkeit. Und doch ist 
alles Maschine."Friedrichs Andenken halten die Bauten wach, die er durch seinen Baumeister 
Knobelsdorff errichten ließ, so das Schloß Sanssouci in Potsdam und das 
Opernhaus „Unter den Linden" in Berlin. Letzteres wurde nach seiner mehrfachen 
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg von den neuen Machthabern wiederaufgebaut. Als 
Generalmusikdirektor verpflichtete die Regierung der „DDR" Erich Kleiber, der 
diesen Posten schon bis zu seiner Emigration im Jahr 1935 innegehabt hatte. 
Kleiber machte allerdings zur Bedingung, daß die Oper genauso aufgebaut werde, 
wie sie Knobelsdorff errichtet hatte. Als man aber auf der Stirnseite der Oper 
die einstige Inschrift "Fridericus Rex Apollini et musis" (König Friedrich dem 
Apollo [als dem Gott der Künste] und den Musen) änderte, nahm Kleiber dies zum 
Anlaß, auf die ihm angebotene Stelle zu verzichten. Wahrscheinlich kam dieser 
Grund Kleiber gelegen, nachdem er seit der Rückkehr aus der Emigration gemerkt 
hatte, wie die Dinge in der „DDR" liefen. Neben Kleiber wirkte übrigens an der 
alten Staatsoper bis 1938 als Kapellmeister Leo Blech, obschon er Volljude war. 
In diesem Punkt zeigte sich der Hausherr der Staatstheater, Hermann Göring, 
großzügig, obwohl er sonst Gewalttaten keineswegs scheute. Wir erinnern nur an 
das Blutbad, das er gelegentlich des sogenannten Röhm-Putsches 1934 in Berlin 
anrichtete.
 
 Regierung durch das Kabinett
 Friedrich der Große hatte allein „aus dem Kabinett" regiert, unter seinen 
Nachfolgern wurde daraus mehr und mehr eine Regierung „durch das Kabinett". Er 
machte sich große Sorgen, wie die Dinge unter seinem Nachfolger laufen würden. 
Dieser war sein Neffe: Friedrichs vom Vater erzwungene Ehe mit Elisabeth 
Christine von Braunschweig war kinderlos geblieben. In seiner zynischen Art 
äußerte er sich über den späteren Friedrich Wilhelm II.: „Wenn aber mein Herr 
Neffe in seiner Schlaffheit einschlummert, sorglos in den Tag hineinlebt, wenn 
er, verschwenderisch wie er ist, das Staatsvermögen verschleudert und nicht alle 
Fähigkeiten seiner Seele neu aufleben läßt, so wird Herr Joseph (gemeint ist 
Kaiser Joseph II. von Österreich) - ich sehe es voraus - ihn über die Löffel 
barbieren, und binnen 30 Jahren wird weder von Preußen noch vom Hause 
Brandenburg mehr die Rede sein." Nun, wir wissen, daß es nicht ganz so schlimm 
kam, wie Friedrich II. hier prophezeite, aber viel hat nicht gefehlt, daß es so 
wurde, allerdings erst unter Friedrich Wilhelm III. Und daß der von Friedrich 
dem Großen vermutete Zerstörer Preußens nicht Joseph IL, sondern Napoleon hieß, 
von dem der König natürlich nichts ahnen konnte. Auch nach dem Frieden von 
Hubertusburg war das Mißtrauen Friedrichs gegen die schlesischen Katholiken 
wachgeblieben, zumal gegen die hohe Geistlichkeit und die Magnaten, die 
weiterhin nach Österreich tendierten. Für den Fall eines neuen Krieges mit 
Österreich riet er, vor allem das Breslauer Domkapitel nach Magdeburg oder 
Stettin zu deportieren. Einseitig auf die französische Kultur eingeschworen, sah 
Friedrich nicht, daß gerade zu seiner Zeit Ostpreußen, das er freilich nicht 
sehr liebte, weil es dem russischen Zaren gehuldigt hatte, die Heimat von 
Männern wie Kant, Herder und Hamann war, die die deutsche Geistesgeschichte 
entscheidend geprägt haben.Wir deuteten schon an, daß Haffner Friedrich Wilhelm II. nicht für einen solchen 
Schwächling hielt wie sein Vorgänger und die meisten Historiker. Man habe ihm 
seine Mätressen und Nebenfrauen nicht verziehen. Haffner begründet seine 
positivere Meinung über den König vor allem damit, daß unter ihm Preußen bei den 
Teilungen Polens von 1793 und 1795 durch die Gewinnung von Südpreußen mit der 
Hauptstadt Posen und Neuostpreußen mit Warschau einen riesigen Landzuwachs 
erhalten habe. Im 18. Jahrhundert sei ein Zweivölkerstaat, wie es Preußen jetzt 
wurde, durchaus nicht anstößig gewesen. Die Polen hätten in ihrer Glanzzeit auch 
nicht gezögert, sich litauische, weißrussische, ukrainische, in Westpreußen auch 
deutschbesiedelte Gebiete einzuverleiben. Allerdings muß auch Haffner zugeben, 
daß durch die Teilungen viele Polen zu Nationalisten geworden sind. Doch nimmt 
er auch die Gelegenheit wahr, um dem Historiker Treitschke und seinen 
Gesinnungsgenossen zu widersprechen, die meinten, Friedrich Wilhelms 
Polenpolitik habe sich nicht mit Preußens „deutscher Sendung" vertragen, die 
angeblich schon mit dem Großen Kurfürsten, spätestens aber mit Friedrich dem 
Großen begonnen habe. Mit Recht sagt Haffner: „An eine ,deutsche Sendung` 
Preußens dachte kein Mensch, am wenigsten die Deutschen, aber auch die Preußen 
nicht." So hatte gerade Friedrich der Große einmal geäußert, Elsaß-Lothringen 
müsse bei Frankreich bleiben. Auf das Pluskonto der Regierung Friedrich Wilhelms 
II. und seines Nachfolgers kann das reiche kulturelle Leben gesetzt werden, das 
sich zu ihrer Zeit in Berlin entfaltete. Wir erwähnen den Bau des Brandenburger 
Tors durch Langhans mit der Quadriga Schadows, die Napoleon nach Paris mitnahm 
und Blücher zurückbrachte, sowie die Gegenwart vieler romantischer Dichter, von 
denen wir nur unsere Ostpreußen E. T. A. Hoffmann und Zacharias Werner nennen.
 
 Der völlige Zusammenbruch
 Friedrich Wilhelm III. (seit 1797) war ein ängstlicher Zauderer. Seine 
friedliebende Einstellung könnte einem sympathisch sein, sie führte aber zu 
einer verhängnisvollen Isolierung Preußens. Daß das Ziel Napoleons, des 
Überwinders und Vollstreckers der Französischen Revolution, der sich 1804 die 
Kaiserkrone selbst aufs Haupt setzte, die Herrschaft über ganz Europa war, 
erkannte der König nicht. Er sah seinem Vordringen nach Mitteleuropa tatenlos 
zu. Nach der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz in Mähren (1805) und der Gründung 
des Rheinbundes stand Preußen tatsächlich isoliert da und wurde zu einem 
Spielball in Napoleons Händen, der Friedrich Wilhelm IL, um ihn einzulullen, 
einmal sogar den Kaisertitel anbot, ebenso wie er den Rheinbundfürsten zu 
Rangerhöhungen verholfen hatte. So wurden z. B. die Herren von Württemberg und 
Bayern von seinen Gnaden Könige, und sie dachten nach Napoleons Sturz nicht 
daran, ihre Kronen abzulegen. Rußland, das Napoleons Vordringen nach Osten 
argwöhnisch gegenüberstand, konnte nach der Niederlage bei Austerlitz keine 
unmittelbare Hilfe leisten. Als die kriegerische Auseinandersetzung mit Napoleon 
unvermeidlich wurde, zeigten sich die negativen Auswirkungen des 
„Maschinenstaates" Preußen: „Dem ganzen Heer fehlte die Begeisterung, dem Volk 
die Opferwilligkeit", bemerkt lakonisch der gute alte Ploetz. In den Schlachten 
von Jena und Auerstedt 1806 wurde die preußische Armee vernichtend geschlagen. 
Noch deprimierender als diese Niederlage war die Art, wie Preußen danach wie ein 
Kartenhaus zusammenfiel. Nur einige wenige Festungen hielten sich, so Graudenz 
unter Courbière und Kolberg unter Gneisenau. Als die Russen mit zwei Heeren 
Ostpreußen erreicht hatten, wurden sie nach der unentschiedenen Schlacht bei Pr. 
Eylau und einem Gefecht bei Heilsberg am 10. Juli 1807 bei Friedland von 
Napoleon schwer geschlagen. Die preußische Königsfamilie war inzwischen an das 
äußerste Nordende des Staates nach Memel geflüchtet. Der bekannte Ausspruch der 
Königin Luise aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz: „Wir sind auf den Lorbeeren 
Friedrichs des Großen eingeschlafen." Vergeblich versuchte sie mutig durch eine 
persönliche Intervention Napoleon zu einem milden Frieden zu bewegen. Napoleon 
war von ihrem Charme und ihrer Klugheit angetan, machte ihr aber keine 
Zugeständnisse. Im Tilsiter Frieden mußte Preußen alle Gebiete westlich der Elbe 
abtreten (zu den Erwerbungen von 1614 waren in der Zwischenzeit noch 
Halberstadt, Minden, Magdeburg, Moers, Lingen, Quedlinburg, Tecklenburg, 
Ostfriesland, Münster, Paderborn, Hildesheim, Bayreuth u. a. hinzugekommen). Auf 
die Erwerbungen der zweiten und dritten Teilung Polens mußte Preußen zugunsten 
des neugegründeten Herzogtums Warschau verzichten. Die Kriegsentschädigung wurde 
auf 140 Millionen festgesetzt, damals eine horrende Summe. Schließlich durfte 
Preußen nur ein Heer von 42 000 Mann unterhalten. In einigen Schlüsselstellungen 
wurden starke französische Besatzungen konzentriert. 
 Die innere Erneuerung
 Preußen schien hoffnungslos am Boden zu liegen, da erwachten in ihm Kräfte 
zur inneren Erneuerung, die niemand von ihm erwartet hatte. Reformen, die von 
einsichtigen Männern längst vorbereitet worden waren, die aber wegen der ewigen 
Unentschlossenheit des Königs trotz des Eintretens seiner Frau Luise für sie 
nicht durchgeführt worden waren, wurden jetzt Schlag auf Schlag in Angriff 
genommen. Ihr Ziel war, kurz gesagt, aus dem Untertan einen Staatsbürger zu 
machen. Es bleibt schon merkwürdig, daß es Persönlichkeiten vom Range Steins und 
Hardenbergs, Schamhorsts und Gneisenaus, die alle Nichtpreußen waren, in den 
Dienst ausgerechnet des „Maschinenstaates" gezogen hatte. Gablentz meint, es sei 
die Faszination gewesen, die immer noch von Friedrich d. Gr. ausgegangen sei. 
Spürten die genannten Männer, daß aus Preußen doch ein moderner Staat zu machen 
sei? Zu ihnen kamen Preußen wie Wilhelm von Humboldt, Boyen, Clausewitz und 
Schön, den wir bisher nur als scharfen Gegner der Schul- und Bildungspolitik des ermländischen Bischofs Josef von Hohenzollern kennengelernt haben. Gerade aber 
die erste der Reformen, die Bauernbefreiung, sollte insofern zu einem Fiasko 
werden, als sie nur den größeren Bauern zugute kam. Sie wurde durch ein Edikt 
vom 9. Oktober 1807 verkündet. Leider mußte der König Stein bereits 1808 auf 
Veranlassung Napoleons entlassen, und so wurde die von Stein bewirkte Landreform 
später ins Gegenteil verkehrt. In einem Gesetz von 1816 wurde den Gutsherren, 
die von Anfang an gegen die Reform waren, die Möglichkeit gegeben, die 
Grundstücke der Kleinbauern einzuziehen und sie so zu besitzlosen Landarbeitern 
zu machen, also "auszubauern", ein Ausdruck, den man heute nur noch beim 
Sechsundsechzig kennt. Rund eine Million Hektar Bauernland soll nach 1816 an den 
Großgrundbesitz verlorengegangen sein. Sehr scharf urteilt der bedeutende 
Historiker Franz Schnabel („Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert"): Das 
reaktionäre Edikt von 1816 habe zu einer Massenproletarisierung geführt, wie sie 
die deutsche Geschichte vor dem Ersten Weltkrieg und der Inflationszeit nicht 
gekannt habe. Im Ermland war die „Regulierung" der bäuerlichen Verhältnisse 
bereits 1772 nach seiner Besitznahme durch Preußen erfolgt. Ohnehin gab es hier 
keine großen Güter, die Bauern „legen" konnten. Allerdings herrschten auch hier 
in den französischen Kriegen und später noch furchtbare Notzeiten, doch blieb 
den Bauern ihr Besitz erhalten.Die Kabinettsregierung, die, wie wir schon hörten, längst zu einer Regierung 
durch das nicht verantwortliche Kabinett geworden war und gegen die Stein 
besonders heftig zum Unwillen des Königs opponiert hatte, wurde durch ein 
verantwortliches Ministerium ersetzt mit den sozusagen klassischen Ministern für 
Äußeres, Inneres, Krieg, Finanzen und Justiz. Heute haben selbst kleinere 
Staaten ein Mehrfaches an Ministern. Die Erwerbung adliger Güter wurde auch den 
Bürgerlichen freigegeben. Die Städteordnung von 1808 sollte den Bürgern am 
Gemeinwesen interessieren und ihn daran teilnehmen lassen. Steins Nachfolger 
Hardenberg hob den Zunftzwang auf und führte dadurch die Gewerbefreiheit ein. 
1812 folgte das Edikt über die Emanzipation der Juden.
 Scharnhorst bewirkte die Neuordnung des Heeres aufgrund der allgemeinen 
Wehrpflicht, die aber erst 1814 zum Gesetz erhoben wurde. Die Möglichkeit, daß 
fortan auch Bürgerliche in Offiziersstellen einrücken konnten, wurde besonders 
von Gneisenau begrüßt. Das Bildungswesen wurde von Wilhelm von Humboldt im 
Geiste des deutschen Idealismus neu gestaltet. 1810 wurde die Berliner 
Universität gegründet, kurz darauf die Universität Frankfurt a. d. Oder nach 
Breslau verlegt und mit der alten Jesuitenuniversität in deren herrlichem 
Barockbau vereinigt. Die Krönung des Reformwerkes sollte eine Verfassung für das 
ganze Land bilden, deren Kernstück eine Volksvertretung sein sollte. Sie wurde 
wohl vom König mehrfach angekündigt, aber das Versprechen wurde nicht gehalten. 
So sind die Reformen schließlich doch Stückwerk geblieben. Ein schwerer Verlust 
für die Reformer und ganz Preußen war der Tod der erst 34jährigen Königin Luise 
(1810). Ihr zu Ehren gestaltete der ostpreußische Dichter Max von Schenkendorf 
eine weihevolle Trauerfeier in der katholischen Propsteikirche zu Königsberg 2). 
Gemäß dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erfolgte durch ein königliches 
Edikt vom 30. 10. 1810 auch die Säkularisation der Kirchengüter im Osten 
Preußens. Schon zuvor, am 28. 9. 1810, war eine königliche Kabinettsorder an den 
Staatsminister Graf zu Dohna ergangen, in der von den vier Präbenden des 
„entbehrlichen" Guttstädter Kollegiatstifts drei zur dringend notwendigen 
Herstellung des in Verfall geratenen „kath. Seminarii (also des 
Priesterseminars) zu Braunsberg" eingezogen wurden. Vergeblich protestierte 
Bischof Josef von Hohenzollern gegen die königliche Verfügung mit dem Hinweis, 
daß die Existenz des Priesterseminars auch ohne die Aufhebung des Guttstädter 
Stiftes gesichert sei. Der „Zeitgeist", von dem der letzte Stiftspropst Rochus 
Krämer spricht und der das erwähnte Edikt bewirkte, ließ eine Zurücknahme der 
königlichen Verfügung nicht zu. Der „Zeitgeist" war es auch, der den Abbruch der 
wunderbaren Franziskanerkirche in Braunsberg veranlaßte.
 1812 zog Napoleon gegen Rußland, das sich der Kontinentalsperre gegen seinen 
Hauptfeind England nicht angeschlossen hatte. Preußen, das Napoleon zu einem 
Bündnis gezwungen hatte, stellte ein Hilfskorps von 20 000 Mann unter den Befehl 
des Generals Yorck. Tatsächlich drang Napoleon bis Moskau vor. Was Hitler nicht 
geschafft hat, der auch sonst aus dem Debakel Napoleons nichts gelernt hatte. 
Als die Russen selbst ihre Stadt anzündeten, mußte Napoleon bei größter Kälte 
den Rückzug antreten. Nachdem sie bereits beim Einmarsch in Rußland schwerste 
Verluste erlitten hatten, wurden die Truppen Napoleons jetzt fast völlig 
aufgerieben. Von den 600 000 Mann der Großen Armee sind 552 000 gefallen oder in 
russische Gefangenschaft geraten. Napoleon fuhr im Eiltempo dem Rest seines 
Heeres voraus nach Paris. In einem Alleingang schloß Yorck, der Befehlshaber des 
preußischen Hilfskorps, das am äußersten linken Flügel eingesetzt, der 
Vernichtung entgangen war, mit dem russischen General Diebitsch am 30. Dezember 
1812 die Konvention von Tauroggen, wodurch der Auftakt zur Erhebung Preußens 
gegeben wurde. Der König war freilich sehr unwillig über die Eigenmächtigkeit 
Yorcks, weil er französische Repressalien fürchtete. Noch 1811 hatte er zu einer 
Denkschrift Gneisenaus, die den Volkskrieg gegen Napoleon forderte, gesagt: „Als 
Poesie gut!" Schließlich gab er nach der Katastrophe Napoleons in Rußland wider 
seine eigene Meinung nach und erklärte im Bündnis mit dem Zaren den Franzosen 
den Krieg. Es war fast unheimlich, wie Napoleon nach den ungeheuren Verlusten im 
russischen Feldzug wieder so rasch eine kampfkräftige Armee aus Franzosen und 
Rheinbundtruppen auf die Beine brachte und bis Schlesien vordrang. Wir Alten 
sollen von der uns in der Schule eingelernten Vorstellung Abschied nehmen, daß 
es sich bei den Befreiungskriegen um einen Volkskrieg handelte. Gewiß erließ 
Friedrich Wilhelm III. den berühmten Aufruf an sein Volk, von Breslau aus, weil 
er sich in Potsdam nicht mehr vor dem Zugriff der Franzosen sicher fühlte, und 
er stiftete auch das Eiserne Kreuz. Aber Schoeps sagt es, und Haffner stimmt ihm 
zu, daß es sich um „ein vom Volk bejahtes militärisches Unternehmen verbündeter 
Kabinette" handelte 3).
 
 Die Entscheidungsschlacht bei Leipzig
 Wie recht Friedrich Wilhelm III. diesmal mit seinem Zögern hatte - er wollte 
den Krieg ohne Teilnahme Österreichs nicht beginnen -, zeigte sich in seiner 
ersten Phase, als die Franzosen die Preußen und Russen mehrfach schlugen. Wieder 
stand das Schicksal Preußens auf des Messers Schneide. Aufgrund der 
beiderseitigen schweren Verluste kam es zu einem sechswöchigen Waffenstillstand. 
Währenddessen machte Napoleon den Österreichern und auch den Russen die 
verlockendsten Angebote, deren Annahme die völlige Auslöschung Preußens von der 
Landkarte bedeutet hätte: Schlesien sollte zurück an Österreich fallen, 
Ostpreußen an Rußland, Westpreußen an ein wieder zu gründendes Polen, 
Brandenburg mit Berlin an Sachsen. Der österreichische Staatskanzler Fürst 
Metternich ging aber auf die Vorschläge des Schwiegersohns des Kaisers - gerade 
auf sein Drängen hatte die Erzherzogin Maria Luise 1810 Napoleon geheiratet - 
nicht ein, weil er Preußen zur Erhaltung des Mächtegleichgewichts in Europa für 
notwendig hielt, zumal Napoleon sich nicht hinter den Rhein zurückzuziehen 
gedachte. So trat Österreich an die Seite der Verbündeten, und in der 
Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 wurde Napoleon 
entscheidend geschlagen. Es erübrigt sich, den Verlauf der Befreiungskriege von 
1813/14 und 1815 im einzelnen zu schildern. Wen er interessiert, der greife zu 
dem Buch des englischen Historikers Roger Parkinson über Blücher (1979 bei Heyne 
als Taschenbuch erschienen). Es fließt in diesem Buch allerdings sehr viel Blut. 
Der preußische General und spätere Feldmarschall und Fürst Blücher wurde 1813 
der Oberbefehlshaber der aus preußischen und russischen Truppen bestehenden 
Schlesischen Armee. Sein Generalstabschef war zunächst Scharnhorst, nach dessen 
Tod an einer vernachlässigten Wunde Gneisenau. In den zwanziger Jahren wurde in 
Max Reinhardts „Deutschem Theater" in Berlin ein Schauspiel von Wolfgang Götz 
„Gneisenau" aufgeführt. Schon der Titel des Stückes und die Besetzung der 
Hauptrolle mit dem ersten deutschen Schauspieler Werner Krauss und der des 
Blücher mit dem Komiker Otto Wallburg läßt die Tendenz des Dramas erkennen. Die 
Aufführung löste eine heftige Diskussion in der Berliner Presse aus, in der sich 
der frühere Reichskanzler und derzeitige Außenminister Gustav Stresemann auf die 
Seite Blüchers stellte. Napoleon urteilte über ihn: „Der alte Teufel griff mich 
immer wieder mit der gleichen Kraft an. Wenn er geschlagen war, zeigte er sich 
einen Augenblick später bereits wieder zum Kampfe bereit." Schließlich Blücher 
selbst: „Es war meine Verwegenheit, Gneisenaus Besonnenheit und des großen 
Gottes Barmherzigkeit." Wobei sich eine solche Berufung auf Gott in dem 
Zusammenhang zumindest etwas seltsam ausnimmt.
 Der Wiener Kongreß
 Mit der Verbannung Napoleons auf die einsame Atlantikinsel St. Helena fanden 
die von ihm veranlaßten Kriege ein Ende. Inzwischen war in Wien ein Kongreß der 
europäischen Mächte zusammengetreten, um die durch Napoleon verwirrte Landkarte 
neu zu ordnen. Maßgeblicher Mann war bei dem Kongreß Fürst Metternich, von Hause 
aus übrigens ein Rheinländer. Auch Frankreich wurde zu dem Kongreß als 
gleichberechtigter Partner zugelassen, glänzend vertreten durch den mit allen 
Wassern gewaschenen Talleyrand. Was uns sehr verwundert, denken wir nur an die 
Behandlung, die hundert Jahre später Deutschland durch die Siegermächte zuteil 
wurde. Die erste Enttäuschung bereitete der Kongreß den Polen, die von ihm die 
Wiederherstellung ihres Staates erwartet hatten. Die drei Teilungsmächte dachten 
nicht daran, auf ihre Beute zu verzichten. Doch kam es zu einer bedeutenden 
Verschiebung: Rußland steckte sich den Löwenanteil an polnischem Gebiet ein, das 
sog. Kongreßpolen mit Warschau. Preußen blieb auf Westpreußen und zur Abrundung 
seines Gebietes auf Posen beschränkt. Sachsen, das Preußen gern vollständig 
vereinnahmt hätte, mußte immerhin die Hälfte seines Gebietes abgeben. Im übrigen 
wurde im Westen Deutschlands ein Tauschhandel betrieben, den wir hier nicht in 
allen Einzelheiten aufzählen können. Aus den Preußen zugestandenen Gebieten 
entstanden die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz. Ansbach und Bayreuth 
gingen an Bayern, der Rest von Vorpommern wiederum an Preußen.Schalten wir hier eine hochinteressante Feststellung Konrad Adenauers ein. Bei 
einer Gelegenheit fragte er den englischen Hochkommissar, welches der größte 
Fehler Englands in seiner Geschichte gewesen sei. Der Hochkommissar tippte auf 
München oder Jalta. Aber Adenauer hatte den Wiener Kongreß im Auge: „Preußen 
wollte doch nur Sachsen. England hat es gezwungen, an den Rhein zu gehen, und 
den Schwerpunkt der preußischen Macht nach Westen verlagert. Das war es, was 
erst Deutschland und dann Europa zerstört hat." Es wäre zu billig, in den Worten 
Adenauers den ihm zugesagten antipreußischen Affekt zu sehen. Erinnert sei hier 
nur an die Äußerung von Gablentz, daß das Preußentum von Haus aus die politische 
Lebensform des deutschen Ostens sei. Adenauer meinte, daß durch die Zuteilung 
des Rheinlandes an Preußen dieses eine gemeinsame Grenze mit Frankreich bekommen 
habe, woraus sich am Ende die von ihm genannten Folgerungen gewissermaßen 
zwangsläufig ergeben hätten. England, das sich weiterhin von Frankreich bedroht 
glaubte, wies in Wien als Gegengewicht Preußen „die Wacht am Rhein" zu. Im 
übrigen sind die Rheinländer anders als die Westfalen, von denen viele die 
urpreußischen Vornamen Friedrich (Fritz) und Wilhelm (Willi) tragen - auch Frau 
Wilhelmine Lübke aus dem Sauerland darf hier genannt werden -, die Tatsache 
niemals richtige Preußen geworden. Woran auch nichts ändert, daß dort, wo das 
Rheinland am rheinischsten ist, also in Köln, die Hohenzollernbrücke von den 
hoch zu Roß reitenden letzten vier Hohenzollernherrschern flankiert wird und daß 
noch heute in Köln drei Gymnasien nach Hohenzollern benannt sind: das 
Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, die Königin-Luise-Schule und die 
Kaiserin-Augusta-Schule.
 Ein uns Heutige ein wenig seltsam anmutendes Ergebnis des Wiener Kongresses war 
die Hl. Allianz mit einer allgemeinchristlichen Tendenz, zu der sich die drei 
Monarchen von Rußland, Österreich und Preußen zusammenfanden und der sich die 
anderen Monarchien anschlossen außer einigen wenigen, z. B. England. Was auch 
immer dieser Hl. Allianz nachgesagt werden kann: sie hat zumindest für ein gutes 
Menschenalter den Frieden in Europa gesichert.
 Drum gibt es nicht Preußen und Östreicher mehr,
 Nicht Bayern, auch Sachsen noch Hessen.
 Wir alle sind nur Ein deutsches Heer,
 Was uns trennte, wir haben's vergessen:
 Wir Deutschen, wir reichen uns Deutschen die Hand,
 Nur der Deutsche soll herrschen im deutschen Land.
 Der diese Verse dichtete, ist Zacharias Werner - derselbe Werner, der in der 
Zeit, als er preußischer Beamter in den bei den Teilungen vereinnahmten 
polnischen Gebieten war, den Freiheitskampf der Polen unter Tadeusz Kosciuszko 
in enthusiastischen Liedern besang. Wir haben schon an anderer Stelle den 
polnischen Werner-Forscher Kozielek zitiert, der auf seinen angleichungsfähigen 
Charakter hinwies, „der ihn völlig vorbehaltlos in der jeweiligen Umgebung 
aufgehen ließ" (ZGAE 1978, S. 32). In diesem Fall ging es schließlich um sein 
eigenes deutsches Vaterland.
 Wenn mit Werner die deutschen Patrioten gehofft hatten, daß das „Eine deutsche 
Heer" „Ein deutsches Reich" wiedererkämpfen werde, so wurden sie schwer 
enttäuscht. Das alte Reich, genannt das „Heilige Römische Reich Deutscher 
Nation", hatte sein Leben in den Wirren der Napoleonischen Kriege endgültig 
ausgehaucht. Es war ohnehin längst zu einem Monstrum geworden. Auf seinem Boden 
hatte sich der Dreißigjährige Krieg abgespielt. Während noch Friedrich Wilhelm 
I. trotz allem Ärger, den ihm der hochfahrende Wiener Hof bereitete, niemals die 
Hand gegen den Kaiser erhoben hätte, nahm sein Sohn Friedrich IL solche 
Rücksichten nicht. Die Schlesischen Kriege führten in Deutschland zu einem 
Dualismus zwischen Österreich und dem siegreichen Preußen. Den letzten Todesstoß 
gab dem alten Reich die Gründung des Rheinbundes durch Napoleon im Juli 1806, 
dem alle deutschen Fürsten beitraten außer Preußen, Österreich, Braunschweig und 
Kurhessen. So war es nur konsequent, daß Kaiser Franz IL, der schon 1804 als 
Franz I. den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte, noch 1806 die 
deutsche Kaiserkrone niederlegte. Alle Bemühungen des Freiherrn vom Stein, nach 
der Niederlage Napoleons die Kaiserwürde unter den Habsburgern 
wiederherzustellen, blieben vergeblich. Der Deutsche Bund, von dem gleich die 
Rede sein wird, war nicht im geringsten das, was die deutschen Patrioten nach 
den Befreiungskriegen erwartet hatten.
 
 Köln nicht Provinzialhauptstadt
 Ergänzen wir den Verlauf des Wiener Kongresses in der letzten Folge noch 
dahingehend, daß Preußen doch einen Teil von Sachsen zugesprochen bekam, aber 
nicht das ganze, das es, wie auch Adenauer meinte, gern haben wollte, 
einschließlich der Hauptstadt Dresden und der Messestadt Leipzig, die beim 
Restkönigtum Sachsen blieben. Aus den meisten Preußen zugesprochenen sächsischen 
und einigen angrenzenden Gebieten wurde 1816 die Provinz Sachsen mit der 
Hauptstadt Magdeburg gebildet. Jedenfalls griff Preußen, das Napoleon im 
Tilsiter Frieden von 1807 auf seine ostelbischen Gebiete beschränkt hatte, nach 
dem Wiener Kongreß wieder weit über die Elbe nach Westen hinaus - nach Adenauers 
Ansicht eben viel zu weit. Mit dem von Napoleon gegründeten Königreich Westfalen 
hatte es ein Ende. Das eigentliche Westfalen, das zum großen Teil schon früher 
preußisch gewesen war, wurde mit einigen Ausnahmen zu einer preußischen Provinz 
mit der Hauptstadt Münster. Eine Bemerkung noch zur Wahl der Hauptstadt der 
Rheinprovinz. An sich hätte sie Köln heißen müssen. Aber im „heiligen Köln" 
residierte der Erzbischof der bedeutendsten preußischen Diözese, und so hätte 
der Oberpräsident womöglich in seinem Schatten gestanden. Auf diese Weise kam 
Koblenz zur unverhofften Würde der Provinzialhauptstadt. Von 1849 bis 1857 war 
die Stadt auch die Residenz des Militärgouverneurs von Rheinland und Westfalen, 
Prinz Wilhelm von Preußen.Man hat das 19. Jahrhundert das Zeitalter des Nationalismus genannt. Dieser ist 
auch im 20. Jahrhundert noch keineswegs überwunden. Die Nationen forderten ihren 
eigenen Nationalstaat. Während viele von ihnen „im wohltuenden Dunkel der 
Geschichte" zu ihrem eigenen Staat gekommen waren, so Frankreich, Rußland, 
Spanien, Portugal, England, seien am Beginn des 19. Jahrhunderts, so sagte man, 
zwei Nationen ohne ihren Staat gewesen, die deutsche und die italienische. Kein 
Wort verloren in diesem Zusammenhang unsere Geschichtsprofessoren über die 
polnische Nation, auch nicht über die anderen kleineren slawischen Völker 
Europas. Dabei war es der deutsche Dichter und Kulturphilosoph Johann Gottfried 
Herder gewesen, der durch seine Sammlung „Stimmen der Völker in Liedern" und 
durch seine Geschichtstheorien das Selbstbewußtsein gerade der slawischen Völker 
geweckt und gestärkt hatte. So existiert heute nicht ohne Grund in seiner 
Geburtsstadt Mohrungen ein Herdermuseum.
 Allerdings hat der nach dem Ersten Weltkrieg gemachte Versuch, auch den west- 
und südslawischen Völkern und den Völkern im baltischen Raum zu einem 
Nationalstaat zu verhelfen, bewiesen, daß dieses Prinzip, wie die Beispiele 
Tschechoslowakei und Jugoslawien zeigen, nicht hundertprozentig zu verwirklichen 
war und daß sie eines Tages die Beute der stärkeren Nachbarn wurden. Soweit sie 
nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererstanden sind, zahlen sie dafür als Preis den 
Verlust ihrer Unabhängigkeit, ausgenommen - wenigstens im Moment noch (März 
1980) - Jugoslawien. Wir können auf diese Dinge im Rahmen unseres Themas nicht 
näher eingehen, allenfalls darauf hinweisen, daß die „preußische Staatsidee", 
wie sie Haffner nennt, einen übernationalen Staat meinte. In den Berliner 
Parlamenten erklärten um 1870 polnische Abgeordnete, sie könnten sehr wohl 
Preußen sein, aber niemals Deutsche.
 Der kümmerliche Deutsche Bund Was für die Deutschen nach den Befreiungskriegen als Kompromißlösung 
herauskam, war dürftig genug: der Deutsche Bund, gebildet von 35 souveränen, d. 
h. selbständigen, Staaten und vier Freien Städten. Seine oberste Behörde war der 
Bundestag in Frankfurt, eine Versammlung von Gesandten der Bundesstaaten unter 
Vorsitz des österreichischen. Preußen gehörte ohne Ost- und Westpreußen und 
Posen zum Bund. Dagegen wurden der König von England als König von Hannover, der 
König von Dänemark als Herzog von Holstein, der König der Niederlande als 
Großherzog von Luxemburg in ihn aufgenommen. Die Mitgliedschaft des Königs von 
England erlosch 1837 mit der Thronbesteigung der Königin Viktoria, da in 
Hannover nach dem salischen Gesetz nur die männliche Thronfolge galt. Luxemburg 
gehörte dem Deutschen Bund bis zu seiner Auflösung (1866) an. Da die 
Mitgliedstaaten, wie gesagt, souverän waren, gab es keine gemeinsame deutsche 
Außenpolitik.Der preußische Staat nach 1815 blieb, wie wir schon festgestellt haben, ohne die 
vom König versprochene Verfassung. Verschiedene negative Einflüsse wirkten dabei 
auf den König ein, so das „steigende Gewicht des opponierenden Grundadels" und 
die Bindung an das autokratische Österreich Metternichs. Die Spannungen, die 
sich aus solcher Haltung des preußischen Monarchen ergaben, schlugen sich nieder 
in dem Austritt der liberalen Minister Humboldt, Boyen und Beyme aus der 
Regierung am Silvestertag 1819 nach heftigen Auseinandersetzungen. Unmittelbarer 
Anlaß zu diesem Entschluß war die nach der Meinung der drei Minister 
unerträgliche Annahme der Karlsbader Beschlüsse (von denen gleich die Rede sein 
wird) durch die preußische Regierung. Wilhelm von Humboldt, der übrigens für 
eine deutsche Kulturnation anstelle eines deutschen Nationalstaates eintrat, war 
erst kurz zuvor in das Kabinett eingetreten. Der Kriegsminister v. Boyen hatte 
1814 die allgemeine Wehrpflicht nach den Vorstellungen von Scharnhorst 
eingeführt. Der berühmte Konflikt mit Humboldt und Boyen, schreibt der 
Historiker Hans Herzfeld in seinem hervorragenden Werk „Die moderne Welt 
1789-1945", habe nur den letzten, die Niederlage (der Reformpartei) 
entscheidenden Wendepunkt bedeutet. Preußen habe sich mit der Bildung eines 
Staatsrates und der Errichtung bloßer Provinzial- und Kreisstände begnügt. „Der 
Charakter Preußens als eines übermächtig durch das Bündnis von Monarchie und 
konservativem Offiziers-, Beamten- und Grundadel bestimmten Staatswesens blieb 
von dieser schicksalsvollen Krise der Jahre 1815/19 bis zu dem Zusammenbruch von 
1918 bestehen." 1842 wurde auch der Oberpräsident und Staatsminister Theodor von 
Schön in Königsberg wegen seines Eintretens für eine Verfassung und überhaupt 
seiner liberalen Anschauungen wegen entlassen. Wir werden bald in Jacoby und 
Simson weiteren Liberalen aus Königsberg begegnen, deren bürgerlicher 
Liberalismus allerdings anders geartet war als der aristokratische von Schön und 
seinen Freunden aus dem ostpreußischen Adel. Organ des radikaldemokratischen 
Forderungen vertretenden Liberalismus war die „Königsberger Hartungsche 
Zeitung", deren Lektüre in Thomas Manns „Buddenbrooks" der Burschenschafter 
Morten Schwarzkopf der Lübecker Großbürgerstochter Tony Buddenbrook 
angelegentlich empfiehlt.
 
 Das Ermland wurde zerschnitten
 Unbestreitbar sind die Leistungen, die der preußische Staat nach 1815 auf dem 
Gebiet der Justiz und Verwaltung vollbrachte. Der systematische Aufbau des 
Justizwesens: vom Amtsgericht und der Verwaltung bis zum Oberpräsidenten, wurde 
damals durchgeführt. Ost- und Westpreußen wurden 1824 zu einer Provinz unter dem 
eben genannten v. Schön vereinigt, 1878 wurden sie wieder getrennt. In 
Ostpreußen wurde neben Königsberg und Gumbinnen später als dritter 
Regierungsbezirk Allenstein geschaffen, wobei das Ermland gewiß nicht ohne 
Absicht zerschnitten wurde; die Kreise Braunsberg und Heilsberg blieben 
beim Regierungsbezirk Königsberg, neben Allenstein selbst kam auch der Kreis 
Rößel zum neuen Regierungsbezirk.Im Jahr 1817 hatte Friedrich Wilhelm III. die Vereinigung der Lutheraner und 
Reformierten zur Evangelischen Union verfügt. Dieser Verwaltungsakt wurde 
freilich nicht ohne Widerspruch hingenommen. Immerhin hat sich die Bezeichnung 
„evangelisch" im amtlichen und allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt. Am 
liebsten hätte der König auch die katholische Kirche in die Union einbezogen, 
was sich aber als unmöglich erwies. Wohl aber mußten die katholischen Soldaten 
einmal im Monat am evangelischen Gottesdienst teilnehmen. Die Verhältnisse mit 
der katholischen Kirche wurden durch die einem Konkordat gleichkommende Bulle 
„De salute animarum" von 1821 geregelt. Mit der Ausführung der Bulle wurde der 
ermländische Bischof Joseph von Hohenzollern-Hechingen beauftragt. Dessen 
Berufung auf den Kölner Erzbischofstuhl, für die sich besonders der berühmte 
Publizist Görres einsetzte (oder war es der Dichter Clemens von Brentano?), 
scheiterte an der Weigerung Josephs, der erklärte, die Zeit für Bischöfe aus 
fürstlichem Geblüt sei vorüber.
 Eine bedeutende Leistung aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. war die 
nach den Ideen des großen Schwaben Friedrich List erfolgte Gründung des 
Deutschen Zollvereins (1834), bei der das Hauptverdienst dem preußischen 
Finanzminister v. Motz zukam.
 
 Die berüchtigten Karlsbader Beschlüsse
 Sehr zustatten kam den in der Hl. Allianz zusammengeschlossenen Mächten die 
Ermordung des Dichters und russischen Staatsrats August v. Kotzebue durch den 
Studenten Sand in Mannheim. Dieser hatte Kotzebue nicht wegen seiner schlechten 
Theaterstücke umgebracht, sondern weil er in seiner Zeitschrift die Deutschen 
Burschenschaften verspottet hatte. Die vom Geist der Befreiungskriege getragenen 
studentischen Verbindungen waren zum ersten Mal 1817 beim Wartburgfest an die 
Öffentlichkeit getreten. Ihre Farben Schwarz-Rot-Gold wurden das Sinnbild der 
deutschen Nationalbewegung. Die reaktionäre Haltung der führenden Mächte 
bewirkte eine steigende Radikalisierung der Burschenschaften, wie sie in dem 
Attentat Sands zum Ausdruck kam. Auf einer von Metternich nach Karlsbad 
einberufenen Ministerkonferenz wurden Beschlüsse gegen die liberale und 
nationale Bewegung gefaßt, die u. a. die Überwachung der Universitäten, Zensur 
der Druckschriften sowie die Einsetzung einer Untersuchungskommission gegen 
demagogische, d. h. "volkverhetzende", Umtriebe vorsahen. Es kam zur sogenannten 
Demagogenriecherei, deren bekanntestes Opfer in Preußen neben Ernst Moritz 
Arndt, der seiner Bonner Geschichtsprofessur beraubt wurde, der niederdeutsche 
Dichter Fritz Reuter war. Als Mitglied einer Jenaer Burschenschaft wurde er in 
Preußen 1833 zunächst zum Tode, dann zu 30 Jahren Festungshaft verurteilt, 
schließlich 1840 begnadigt und in sein Heimatland Mecklenburg abgeschoben. Seine 
Erfahrungen als Häftling hat er in seinem Buch "Ut mine Festungstid" 
niedergelegt. Sein "Ut mine Stromtid" mit der prächtigen Gestalt des Onkel 
Bräsig gehört in die erste Reihe der deutschen Romane. Diejenigen von uns, die 
ihn nicht in der plattdeutschen Originalsprache lesen können, mögen zu der jetzt 
erschienenen allgemein gelobten Übertragung ins Hochdeutsche greifen.Die letzten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms III. wurden überschattet von dem 
sogenannten Kölner Kirchenstreit. Der 1824 zum Erzbischof von Köln ernannte Graf 
Spiegel hatte in einer geheimen Vereinbarung mit dem Staat die kirchliche 
Einsegnung konfessionsverschiedener Ehen ohne die Zusage der katholischen 
Kindererziehung gestattet. Spiegels Nachfolger, der Westfale Freiherr Droste zu 
Vischering (1833), forderte dagegen die katholische Kindererziehung auch in 
Mischehen und wurde deshalb von der preußischen Regierung festgesetzt. Die 
breitere Öffentlichkeit wurde auf den Kölner Kirchenstreit durch die 
Kampfschrift "Athanasius" von Josef Görres aufmerksam gemacht. Das gleiche 
Schicksal wie Droste-Vischering ereilte den Erzbischof von Gnesen-Posen v. Dunin, 
der die Haltung seines Kölner Amtsbruders teilte. Wobei man staatlicherseits 
wohl befürchtete, daß in seinen Diözesen eine katholische Kindererziehung 
Polonisierung bedeutete.
 Eine kleine Bemerkung ganz am Rande: Unsere ermländischen Whistbrüder wird die 
Feststellung eines Chronisten vergnügen, daß die wirklichen politischen 
Entscheidungen unter Friedrich Wilhelm III. am allabendlichen Whisttisch des 
Hausministers Fürst Wittgenstein fielen.
 
 Vollendung des Kölner Domes
 Dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. (1840) sah man allgemein mit 
großen Erwartungen entgegen. Zunächst überraschte er sein Volk dadurch, daß er 
ausführliche Reden hielt, was noch keiner seiner Vorgänger getan hatte. Es waren 
keine politischen, eher fromme Deklamationen. Er traf aber sofort auch eine 
Reihe von populären Maßnahmen. Ernst Moritz Arndt wurde wieder in seine Bonner 
Professur eingesetzt und Boyen wieder zum Kriegsminister ernannt. Für die 
verhafteten Burschenschafter wurde eine Amnestie verkündet. Nachdem bereits 1839 
der Kölner Erzbischof Droste-Vischering aus der Haft entlassen worden war, 
durfte jetzt auch Dunin auf seinen erzbischöflichen Stuhl zurückkehren. Im 
Kultusministerium richtete der König eine katholische Abteilung ein. Das Placet, 
d. h. die Genehmigung kirchlicher Gesetze durch den Staat, wurde aufgehoben. 
Auch wurde unter seiner Regierung alsbald der Weiterbau des Kölner Domes in 
Angriff genommen, nachdem die Bauarbeiten 1560 eingestellt worden waren. Die 
Weihe des vollendeten Doms 1880 stand unter keinem günstigen Stern: Wohl nahm 
Kaiser Wilhelm I. daran teil, aber der Erzbischof Paulus Melchers war 1876 im 
Kulturkampf abgesetzt worden und lebte im Ausland. Der Ausbau des Kölner Domes 
im Westen Preußens war das Gegenstück zur Wiederherstellung der Marienburg im 
Osten. In beiden Fällen gaben Romantiker einen entscheidenden Anstoß: bei der 
Marienburg Max v. Schenkendorf und Joseph v. Eichendorff, beim Kölner Dom 
Friedrich v. Schlegel.Die Hoffnungen, die das Volk auf den neuen König hinsichtlich der alsbaldigen 
Verkündigung einer Verfassung gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Es kam 
lediglich 1847 zur Einberufung der Provinzialstände, die den Vereinigten Landtag 
bildeten. Ihm fehlte das wesentliche Moment eines Parlaments, die Periodizität, 
d. h., er durfte nicht regelmäßig tagen, sondern mußte warten, bis ihn der König 
einberief. Immerhin wurde zu den Verhandlungen die Presse zugelassen und dem 
Vereinigten Landtag das Recht zugestanden, neue Steuern zu bewilligen.
 
 Eine Revolution aus Versehen
 Doch die dem Vereinigten Landtag gemachten Zugeständnisse genügten nicht 
mehr. In Frankreich war 1848 wieder einmal eine Revolution ausgebrochen, die 
nach Deutschland überschwappte. Es kam in mehreren Städten des Bundesgebietes zu 
Aufständen, die von Regierungstruppen unterdrückt wurden.Der Aufstand in Wien zwang Metternich, der jahrzehntelang die Zügel Europas in 
seinen Händen gehalten hatte, zur Flucht nach England. In Berlin erließ der 
König ein Patent, in dem er endlich eine preußische Verfassung versprach. „Aber 
wie so oft bei diesem König kam alles - der gute Wille und die rechte Einsicht 
-einen Posttag zu spät." Vor dem Berliner Schloß war in der Freude über die 
königlichen Zugeständnisse eine Menschenmenge zusammengeströmt, als im Gedränge 
aus Versehen zwei Schüsse fielen, die keinen verletzten, aber eine 
unbeschreibliche Wut auslösten. Es kam zu Barrikadenkämpfen zwischen den 
aufgeregten Volksmassen und dem Militär. Auf Befehl des Königs verließen die 
Truppen Berlin, und eine Bürgerwehr übernahm den Schutz des Schlosses und der 
Stadt. Der König wurde gezwungen, mit einer schwarzrotgoldenen Binde am Arm 
(andere sagen: hinter einer schwarzrotgoldenen Fahne) durch die Stadt zu reiten, 
und stellte sich mit dem Ausspruch „Preußen geht fortan in Deutschland auf!" 
(woran er nachher nicht im Traum dachte) an die Spitze der nationalen 
Bestrebungen. Auf Grund allgemeiner und gleicher Wahlen trat am z. Mai die 
preußische Nationalversammlung zusammen. Prinz Wilhelm, der Bruder und 
Nachfolger des Königs - dessen Ehe mit Elisabeth von Bayern war kinderlos 
geblieben -, wollte die Revolution mit Gewalt unterdrücken, was ihm den Beinamen 
„Kartätschenprinz" eintrug und ihn zur Flucht nach England nötigte.
 Nachdem Ende Oktober 1848 Wien durch die kaiserlichen Truppen wiedererobert und 
die Revolution dort endgültig niedergeschlagen worden war, gewannen auch in 
Berlin die reaktionären Kräfte immer mehr die Oberhand, zumal die 
Nationalversammlung, in der die Radikalen wie der schon genannte Königsberger 
Arzt Jacoby das große Wort führten, immer stärker unter den Einfluß der Masse 
geriet, die am 15. Mai das Zeughaus plünderte. Die Nationalversammlung wurde 
unter dem Ministerium des Grafen Brandenburg, eines Sohnes Friedrich Wilhelms 
II. und der Gräfin Dönhoff, auf Befehl des Königs nach Brandenburg verlegt. Ohne 
auf Widerstand zu stoßen, rückten am 10. November die Truppen wieder in Berlin 
ein. Der revolutionäre Elan unter den Bürgern war, so schnell er aufgeflammt 
war, ebenso schnell abgeklungen.
 Das „Kommunistische Manifest" der im Rheinland geborenen Karl Marx und Friedrich 
Engels von 1847/48 hatte auf die revolutionäre Bewegung von 1848 noch keinen 
Einfluß. Sie war eine ausgesprochene Angelegenheit des Bürgertums.
 Die preußische Nationalversammlung wurde aufgelöst, und der König verfügte, da 
eine Verfassung nun einmal unvermeidlich war, eine solche von oben, die darum 
eine oktroyierte, d. h. aufgezwungene, genannt wurde. Zu ihren wichtigsten 
Bestimmungen gehörte die Bildung eines Landtages, der aus zwei 
gleichberechtigten Häusern, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus, bestand. 
Ein Gesetz bedurfte darum der Zustimmung beider Häuser. Die Mitglieder des 
Abgeordnetenhauses wurden in öffentlicher Abstimmung nach drei Klassen gewählt, 
die auf Grund ihrer Steuerleistung abgestuft waren. Gegen alle Versuche, dies 
immer unzeitgemäßer werdende Wahlrecht zu ändern, hat es sich bis 1918 erhalten. 
Das Herrenhaus kann man nur unter großen Bedenken mit dem englischen Oberhaus 
vergleichen. Die Entwicklung der Dinge in Berlin wurde nicht überall im Lande 
ohne weiteres hingenommen. So kam es z. B. im Wuppertale und dem Bergischen Land 
zu Unruhen, die als Elberfelder Aufstand von 1849 in die Geschichte eingegangen 
sind. Die enttäuschten Liberalen und Demokraten mußten mit Waffengewalt zur 
Räson gebracht werden. (Diesen Hinweis verdanke ich Oberstudienrat a. D. Josef 
Bauer, Wuppertal, früher Danzig). Ein besonders heftiger Aufstand in Baden wurde 
mit Hilfe preußischer Truppen unter dem Oberbefehl des aus England 
zurückgekehrten Prinzen Wilhelm niedergeschlagen.
 
 Keine Kaiserkrone von Volkes Gnaden
 Während der Vorgänge in Berlin und Wien trat in Frankfurt a. M. zunächst ein 
Vorparlament und am 18. Mai die Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche 
zusammen. Ihr gehörte die geistige und bürgerliche Elite Deutschlands an, aber 
nur ein Kleinbauer und kein Arbeiter. Die Führer des ostelbischen Adels wie 
Schön und Brünneck waren Mitglieder des preußischen Parlaments. Die oktroyierte 
Verfassung von 1850 genügte dem altpreußischen Adel durchaus als die Erfüllung 
seiner liberalen Wünsche. Wichtig ist noch zu vermerken, daß auch die 
Ostprovinzen, die 1815 noch nicht dem Deutschen Bund angehörten, ihre Vertreter 
in das Frankfurter Parlament entsenden durften. Der in Frankfurt zum 
Reichsverweser gewählte Erzherzog Johann von Österreich war tatsächlich ein 
„Johann ohne Land", denn ihm fehlte es an jeder wirklichen Macht.Nachdem man kostbare Zeit mit der Beratung der Grundrechte des deutschen Volkes 
vertan hatte, ging man endlich an die Vollendung der Reichsverfassung. Zwei 
Parteien standen sich gegenüber: die großdeutsche, die ein Reich unter Führung 
Österreichs wollte, und die kleindeutsche, die unter Ausschluß Österreichs einen 
engeren Bund unter Führung Preußens anstrebte. Knapper Sieger blieben die 
Kleindeutschen. Mit dem Präsidenten der Nationalversammlung, dem Königsberger 
Eduard Simson an der Spitze, machte sich eine Deputation auf den Weg nach 
Berlin, um Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anzubieten. Doch 
lehnte sie am 9. April 1849 der König ab. Er wollte als König von Gottes Gnaden 
die Krone nicht aus den Händen des Volkes entgegennehmen und war der Meinung als 
letzter Hohenzoller! - es sei wider den Geist der deutschen Geschichte, daß ein 
Preußenkönig die ehrwürdige Kaiserkrone auf sein Haupt setzte, die nach 
historischem Recht nur den Herrschern von Österreich gebühre.
 Eine Episode blieb 1850 der Versuch Friedrich Wilhelms IV., unter dem Einfluß 
seines katholischen Außenministers v. Radowitz eine deutsche Union wieder einmal 
„von oben" zu schaffen. Österreich und Rußland waren dagegen, Österreich aus 
verständlichen Gründen, Rußland, weil der Zar die preußische Unionspolitik als 
demokratisch, ja revolutionär verurteilte.
 Preußische Truppen rückten in Hessen ein, das sich zur deutschen Union bekannte, 
aber auf Beschluß des Bundestages bereits von österreichischen und bayerischen 
Truppen besetzt war. Nahe dem Dorf Bronnzell bei Fulda kam es zu einem 
Vorpostengefecht, bei dem nur ein armer Schimmel sein Leben lassen mußte. Dann 
zogen sich die Preußen zurück.
 Im Vertrag von Olmütz mußte Preußen auf seine Unionspläne verzichten und der 
Wiederbelebung des Deutschen Bundes zustimmen. Das bedeutete für Preußen eine 
tiefe Demütigung. Immerhin hat ein Mann wie Bismarck das Einlenken Preußens 
verteidigt.
 Die letzten Lebensjahre Friedrich Wilhelms IV. waren durch eine qualvolle 
Erkrankung verdüstert, die ihren Ausgang von einer Gesichtsrose nahm. Sein 
Bruder Wilhelm übernahm die Regierungsgeschäfte seit 1857 zunächst als sein 
Stellvertreter, von 1858 bis zum Tode Friedrich Wilhelms IV. 1861 als 
Prinzregent. Während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. machte der 
Deutschkatholizismus der ehemaligen Priester Runge und Czerski viel von sich 
reden. Aber trotz kräftiger Unterstützung von liberaler Seite war ihm auf die 
Dauer kein Leben beschieden.
 
 Ein christlicher Staat?
 Es sind noch einige Worte über die Auffassung Friedrich Wilhelms IV. von 
seinem Königtum zu sagen sowie über den Kreis von Männern, der ihn umgab, die 
sogenannte Kamarilla - das andere Preußen, wie es der uns schon mehrfach 
begegnete Historiker Hans Joachim Schoeps nennt, womit er feststellen will, daß 
das Preußen Friedrich Wilhelms IV. in seiner Art von den bekannten 
Ausdrucksformen des Preußentums erheblich abweicht. Friedrich Wilhelm IV. sei, 
so schreibt Schoeps, nur aus seinen Erlebnissen in den zwanziger Jahren des 19. 
Jahrhunderts zu verstehen, die er als den Kampf des christlichen Weltbildes mit 
dem Unglauben der Aufklärung erfahren hat. Die Besonderheit der sogenannten 
Erweckungsbewegung, d. i. die innerprotestantische religiöse 
Erneuerungsbewegung, wie sie Friedrich Wilhelm als Kronprinz gesehen und die 
sich vor allem bei einem Teil des Landadels durchgesetzt hatte, bestand in der 
tatkräftig verfolgten Überzeugung, daß das Christentum den Aufbau des Reiches 
Gottes in der Welt zum Auftrag habe, da das Christentum mehr sei als eine 
Lebensform der persönlichen Frömmigkeit. Der damalige Kronprinz glaubte an die 
Möglichkeit der Aufrichtung eines Staates, der sich auf den christlichen Glauben 
begründet. „Das Wesen des monarchischen Prinzips sah er in dem Bündnis von Thron 
und Altar." Diesen Anschauungen ist Friedrich Wilhelm auch als König treu 
geblieben. Wenn er sich König von Gottes Gnaden nannte, so war dies keine 
Redensart, sondern er meinte es bitterernst, weil er der Überzeugung war, daß 
Gott den, den er König werden läßt, geistig und seelisch weit über jeden anderen 
ausstattet. „Die Revolution von 1848 nahm er als eine göttliche Bestrafung 
seiner eigenen Person hin, für die er Buße zu leisten habe." Aus seiner 
Auffassung vom Göttlichen Auftrag seines Amtes wird auch verständlich, daß er 
sich dagegen sträubte, daß ein „Fetzen Papier", wie er die Verfassung nannte, 
sich zwischen ihn und sein Volk drängte.Einer der führenden Männer der Kamarilla war neben dem General von Gerlach sein 
Bruder Ludwig, Oberlandgerichtspräsident in Magdeburg. Von Friedrich Wilhelm 
IV., dessen getreuester Gefolgsmann er sonst war, unterschied ihn die 
Auffassung, daß das Gottesgnadentum des Königs nicht an dessen Person, sondern 
an sein Amt gebunden sei. Wohl dachte Gerlach an eine Volksvertretung, aber 
keine gewählte, sondern eine ständische. Immer wieder hat er seine Stimme gegen 
das revolutionäre Kopfzahlprinzip erhoben. Es sei gerade für ihn als den 
Vertreter einer christlich-germanischen Staatsidee das Grundrecht der Deutschen, 
nicht nach der Stückzahl der Heringe in Frage zu kommen. Die Verwirklichung der 
demokratischen Prinzipien werde schließlich zu einem aus den Massen kommenden 
Absolutismus führen. Später allerdings hat sich Gerlach mehr und mehr von der 
ständischen zur konstitutionellen Monarchie hin entwickelt. Daß er dem 
Nationalismus und dem Nationalstaat ablehnend gegenüberstand, ist aufgrund 
seiner Anschauungen klar.
 
 Die Zehn Gebote Gottes verletzt
 Ludwig v. Gerlach war der Mitbegründer der Konservativen Partei im 
Revolutionsjahr 1848 und der Führer bis zum Eintritt der Regentschaft 1858 sowie 
er maßgeblich an der Gründung der „Kreuzzeitung" beteiligt war, für die er als 
„Rundschauer" regelmäßig schrieb. Mit Bismarck verband Gerlach zunächst eine 
persönliche Freundschaft, die auf der Gemeinsamkeit der konservativen Anschauung 
gegründet war. Er wurde der Pate von Bismarcks Sohn Herbert. Aber schon 1853 
hatte Gerlach geäußert, daß Bismarck leicht der Weltlichkeit und dem Satan 
verfallen könne. Bismarck, der sich zum „Realpolitiker" mauserte, löste sich 
allmählich von den strengen Grundsätzen der Konservativen Partei, die meisten 
anderen Mitglieder folgten ihm. Zum endgültigen Bruch zwischen Gerlach und 
Bismarck kam es wegen des nach Gerlach „sündhaften Bruderkrieges" zwischen 
Preußen und Österreich von 1866 und der für ihn einem Diebstahl gleichkommenden 
Annexion von Hannover, Nassau, Schleswig-Holstein, Frankfurt und Kurhessen durch 
Preußen. 1867 erklärte Gerlach: „Mein Schmerz ist der eines preußischen, 
deutschen Christen, daß meine Partei und mein Vaterland Preußen schmählich die 
zehn Gebote Gottes verletzt und durch das Laster des Pseudopatriotismus Schaden 
an seiner Seele genommen und sein Gewissen befleckt hat." Ein besonderer Greuel 
war ihm der Krieg gegen Österreich, „weil ihm speziell dieser Krieg als ein 
gegen den heiligen Sinn der deutschen Geschichte geführter Krieg" erschien und 
er sich nicht ein Deutschland ohne Österreich vorstellen konnte. Weiter unten 
wird vom Deutschen Krieg noch ausführlicher gesprochen werden.Es bleibt noch die Frage zu beantworten, warum Gerlach selbst kein politisches 
Amt übernommen hat, in welchem er seine Auffassung vom christlichen Staatsmann 
hätte durchsetzen können. Die Möglichkeit dazu hätte er gewiß gehabt. Fürchtete 
er etwa doch, daß seine idealen Vorstellungen der rauhen Wirklichkeit des 
politischen Alltags nicht hätten standhalten können? Der frühere amerikanische 
Außenminister Henry A. Kissinger schreibt in seinen Memoiren: „Der Außenseiter" 
- als solchen können wir Gerlach gewiß bezeichnen - „denkt in absoluten 
Begriffen; für ihn sind Recht und Unrecht begrifflich genau definiert. Der 
politische Führer kann sich diesen Luxus nicht leisten. Er erreicht sein Ziel 
selten anders als stufenweise, und jeder einzelne Schritt muß seine moralischen 
Mängel haben, aber dennoch kann man sich der Moral ohne diese Schritte nicht 
nähern." Diese Worte Kissingers könnten fast auf Bismarck gemünzt sein, den der 
amerikanische Politiker de Gaulle gegenüber als den größten Diplomaten des 19. 
Jahrhunderts bezeichnet hat. Kissinger selbst begründet allerdings sein Urteil 
über Bismarck mit dessen gemäßigter Haltung nach dem Sieg.
 
 Von den Konservativen zu den Deutschnationalen
 Die Konservative Partei entwickelte sich mitsamt der „Kreuzzeitung" von der 
Weltanschauungspartei zur Interessenpartei, die die Anliegen des preußischen 
Junkertums vertrat. Als Deutschnationale verbündeten sie sich, wenn wir der 
Geschichte vorgreifen wollen, nach 1881 mit der rheinisch#westfälischen 
Schwerindustrie. So wurde schließlich nicht mehr ein Junker, sondern ein 
Vertreter der Schwerindustrie, Alfred Hugenberg, Vorsitzender der 
Deutschnationalen Volkspartei - wobei die Bezeichnung „Volkspartei" wie Hohn 
klingt. Hugenbergs unheilvolle Rolle bei der Machtergreifung Hitlers ist 
bekannt. Erztyp eines Junkers, der auch bei den Deutschnationalen landete, war 
der skurrile Elard v. Oldenburg, nach seinem Gut in Westpreußen der Januschauer 
genannt. „Berühmt" ist sein Ausspruch, den er 1910 im Reichstag von sich gab, 
daß der Kaiser diesen durch einen Leutnant mit zehn Mann nach Hause schicken 
könne.Auf Gerlachs Seite standen u. a. Bischof v. Ketteler, der zunächst Jurist im 
preußischen Staatsdienst gewesen war, in einer Schrift „Preußen nach 1866", und 
der berühmte Schweizer Kulturhistoriker Carl Burckhardt, der den Krieg von 1866 
die große deutsche Revolution nannte (er ist nicht zu verwechseln mit dem 
Danziger Völkerbundkommissar Carl J. Burckhardt). Von allen alten Freunden 
verlassen, fand Gerlach Verständnis beim politischen Katholizismus, also der 
Zentrumspartei, die ihn zu ihrem Ehrenmitglied machte und ihm im Wahlkreis 
Siegburg zu einem Landtagsmandat und im Januar 1877 zu einem Reichstagsmandat in 
Osnabrück verhalf. Noch im selben Jahr ist Gerlach mit 82 Jahren bei einem 
Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er starb als treuer Protestant. In den 
Kulturkampf hatte er als heftigster Gegner der neuen Kirchengesetze u. a. mit 
einer Rede gegen den Kultusminister Falk im Landtag eingegriffen, während er 
selbst von seinem alten Freunde Bismarck höchstpersönlich an der gleichen Stelle 
scharf attackiert wurde.
 Im preußischen Abgeordnetenhaus hatte sich 1852 eine katholische Fraktion 
gebildet, die sich seit 1859 wegen ihrer Sitze in der Mitte des Parlaments 
Zentrumspartei nannte. Bemerkenswerterweise zerfiel diese Partei 1862, im Jahre 
des Amtsantritts Bismarcks. 1870 wurde sie von den Brüdern Reichensperger und v. 
Mallinckrodt zu neuem Leben erweckt. Ihr eigentlicher Führer wurde der frühere 
hannoversche Justizminister Ludwig Windthorst, obwohl er niemals Partei- oder 
Fraktionsvorsitzender war. Der glänzende Redner war ein erbitterter Gegner 
Bismarcks während des Kulturkampfes und auch wegen seiner Anhänglichkeit an das 
von Bismarck gestürzte Welfenhaus.
 Schließen wir das Kapitel Gerlach mit dem Zitat aus einem Artikel, den er im 
November 1851 in der „Kreuzzeitung" geschrieben hat. Er klingt geradezu 
prophetisch: „Das alles zersetzende Geld, der Repräsentant der Genußsucht und 
des Egoismus, wird als allein überlebende Macht unseren Grundbesitz und unsere 
ständische Gliederung, aber viel früher das Innere unserer Städte in Staub 
zertreten. Es wird in Verbindung mit Gesetzen, die alles Feste und Substantielle 
auflösen und zersetzen, die Ehe und die Schule, die Familie und den Sonntag, den 
Staat und die Kirche - in Verbindung mit gottloser Aufklärung und flachem 
Unglauben - die Säulen und Fundamente unseres Vaterlandes zerfressen. Nur 
mechanische Staats- und Rechtsformationen werden Doch möglich sein, Zustände - 
in denen man nach und nach jedes Ideal von Recht und Freiheit als Aberglauben 
verabschieden, den Säbel aber und zuletzt die Knute als die allein realen 
Herrscher, als die populärsten Retter der Welt begrüßen wird, bis die zum 
Untergang reifen Kulturvölker wie vor 1400 Jahren neuen Barbaren Platz machen."
 
 Otto von Bismarcks Berufung
 Nach diesem Überblick über den Versuch eines christlichen Staates unter 
Friedrich Wilhelm IV., den wir gerade unseren Lesern nicht vorenthalten wollten, 
kehren wir sozusagen wieder auf die Erde zurück. Wilhelm L, der 64jährig seinem 
Bruder auf den Thron folgte, ließ sich nach Friedrich I. als einziger 
preußischer König in Königsberg krönen und bestätigte dadurch, wie sehr er sich 
als König von Preußen fühlte - auch dann, als er deutscher Kaiser geworden war.Wilhelm I. war vor allem Soldat, und so nimmt es nicht wunder, daß sein erster 
Plan nach dem Regierungsantritt der Reform des Heeres galt. Trotz der 
angewachsenen Bevölkerung war dieses auf dem Stand von 1814 geblieben. Die 
angemessene Erhöhung der Truppenstärke hätte das Abgeordnetenhaus, das mit dem 
Herrenhaus die Mittel zu bewilligen hatte, noch hingenommen. Der eigentliche 
Konflikt zwischen dem König und der das Abgeordnetenhaus beherrschenden 
Fortschrittspartei spitzte sich auf die Dienstzeit zu. Der Kriegsminister v. 
Roon forderte die Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit, das Parlament wollte 
sich mit zwei Jahren begnügen, und als der König, dessen Auffassung Roon 
vertrat, nicht nachgab, strich das Abgeordnetenhaus die Ausgaben für das Heer 
ganz. (Das Herrenhaus hatte sie bewilligt.) So kam es schließlich zu einem 
Machtkampf zwischen König und Parlament. In dieser verfahrenen Situation berief 
auf Roons Rat Wilhelm I. als letzte Reserve 1862 den Mann zum 
Ministerpräsidenten, der es auf sich nahm, die Heeresreform auch ohne Zustimmung 
des Abgeordnetenhauses durchzuführen: Otto v. Bismarcks 4).
 War wäre geworden, fragt Haffner, wenn der König 1862 Bismarck nicht berufen 
und, wie er schon ernsthaft erwog, zugunsten seines Sohnes Friedrich abgedankt 
hätte? Dieser war mit Viktoria, der Tochter der englischen Königin, verheiratet 
und neigte unter ihrem Einfluß liberaleren Anschauungen zu. Er hätte 
möglicherweise Preußen zur parlamentarischen Monarchie gemacht. Es wäre sehr 
unwahrscheinlich gewesen, daß ein solches Preußen je hätte Deutschland gegen den 
Widerstand Frankreichs, Rußlands, Österreichs und der deutschen Mittelstaaten 
einigen können. Das alles meint Haffner, und er zieht daraus die kühne 
Folgerung: „Es ist durchaus vorstellbar, daß Preußen dann noch existierte." Wie 
sagt doch der Dichter: Die Kinder, sie hören es gerne! Die Kinder - das sind in 
diesem Falle wir Heimatvertriebenen aus dem preußischen Osten . . .
 Bismarck wurde als preußischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt zum 
erbitterten Gegner Österreichs. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 war 
der Frankfurter Bundestag wiedereröffnet worden. Österreich, das sich nach den 
Aufständen jener Zeit errafft hatte - in Ungarn allerdings nur mit russischer 
Hilfe -, wurde von Fürst Schwarzenberg geführt. Er entwickelte den Plan eines 
mächtigen mitteleuropäischen Reiches, natürlich unter der Führung Österreichs, 
das in das Reich auch seine nichtdeutschen Völker eingebracht hätte. Für Preußen 
war in diesem Konzept kein Platz. Nach Schwarzenbergs Vorstellung sollte Preußen 
erst geschwächt und dann vernichtet werden. Aus diesem hochfliegenden Plan wurde 
schon darum nichts, weil Schwarzenberg bereits 1852 starb. Als 1863 Kaiser Franz 
Joseph einen Fürstentag nach Frankfurt einberief, um eine Reform des Deutschen 
Bundes zu veranlassen, blieb Wilhelm I. auf Bismarcks Drängen diesem fern. Damit 
war der Fürstentag zur Ergebnislosigkeit verurteilt. Hatte Bismarcks Widerstand 
die Bildung eines 70 Millionen Reiches in Europa, diesmal auf der Basis eines 
echten Ausgleichs, verhindert? Schoeps möchte Bismarck diesen Vorwurf machen, 
doch muß er zugeben, daß ein solcher Vielvölkerstaat im Zeitalter des 
Nationalismus sich kaum hätte behaupten können.
 
 Noch einmal kämpften Österreich und Preußen Seite an Seite
 Noch einmal kämpften Österreich und Preußen Seite an Seite, und zwar 1864 
gegen die Dänen. Es ging dabei um Schleswig Holstein. Das ist eine verzwickte 
Geschichte, deren Darlegung wir lieber den Examenskandidaten überlassen, für die 
sie eine bei den Geschichtsprofessoren beliebte Frage ist. Jedenfalls gingen die 
Wogen der Erregung in Deutschland hoch, als  sich nach einer neuen 
Verfassung die Dänen anschickten, sich die Herzogtümer völlig einzuverleiben. Im Auftrag des Deutschen Bundes, zu dem ja 
Holstein gehörte, überzogen österreichische und preußische Truppen Dänemark mit 
einem Krieg eine Redensart, die aus dem Lateinunterricht hängengeblieben ist. 
Die Entscheidung fiel mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen durch die 
Preußen. Es war Bismarcks Staatskunst zu verdanken, daß die Aktion um die 
Herzogtümer ohne Einmischung des Auslands vor sich ging. Als England richtig 
merkte, was gespielt wurde, war schon alles passiert. Dänemark mußte die 
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen 
abtreten. Dies war keine Lösung für die Dauer, auch wenn im Gasteiner Vertrag 
von 1865 Preußen die Verwaltung von Schleswig, Österreich die von Holstein 
zugesprochen wurde. Der preußisch österreichische Bruderkrieg von 1866, der 
Deutsche Krieg genannt, hat eine Diskussion ausgelöst, die heute noch nicht 
abgeklungen ist. Wir haben bereits die bewegte Klage Ludwig v. Gerlachs über den 
Krieg und seine Folgen vernommen. Bismarck hatte 1862 in einer Rede gesagt, die 
deutsche Frage könne nur mit Blut und Eisen gelöst werden. Nichts ist ihm mehr 
nachgetragen worden als diese Äußerung, und gewiß hat er sie später bitter 
bereut. Aber es kam doch so, wie Bismarck angekündigt hatte.
 Vergessen wir nicht, worum es ihm ging: eine Landverbindung zwischen dem Zentrum 
Preußens und seinen westlichen Besitzungen herzustellen. Der führende Historiker 
Theodor Schieder, der früher an der Albertus-Universität Königsberg lehrte, hat 
allerdings gemeint, daß die preußische Staatsräson auch andere Wege hätte 
offenlassen können. Die Einverleibung Hannovers durch Preußen habe an die 
Rheinbundzeit erinnert und das monarchisch konservative Bewußtsein aufs 
schwerste erschüttert. Schoeps schiebt allerdings einen großen Teil der Schuld 
an dieser Entwicklung dem „unheilvollen Einfluß" des Justizministers Windthorst 
zu, wenn Hannover alle preußischen Neutralitäts- und Bündnisangebote abgelehnt 
habe.
 Wie dem auch immer sei: Im April 1866 stellte Bismarck beim Bundestag in 
Frankfurt den Antrag auf eine Reform der Verfassung des Deutschen Bundes durch 
Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Er wußte genau, das ein solches Wahlrecht 
für den Vielvölkerstaat Österreich tödlich sein mußte ein Ergebnis, daß er 
selbst, wie wir noch sehen werden, im Grunde gar nicht wünschte. Als dann 
Österreich in der schleswig-holsteinischen Frage den Deutschen Bundestag anrief, 
erklärte Preußen dieses als einen Bruch des Gasteiner Vertrages und trat aus dem 
Deutschen Bund aus. Nun sollte doch der Krieg entscheiden, wer die Führung in 
Deutschland hatte. Nach Königgrätz: „Die Welt stürzt ein!“ Allgemein erwartete 
man einen Sieg Österreichs, auf dessen Seite sich die meisten deutschen Staaten 
stellten. Allgemein: Gehörte dazu auch Frankreich? Der französische Kaiser 
Napoleon III., ein Neffe Napoleons L, der nach den revolutionären Wirren von 
1848 schließlich durch eine Volksabstimmung Kaiser der Franzosen geworden war, 
stützte sich, um sich behaupten zu können, auf die Kirche und die nationalen 
Bewegungen in Europa. Haffner drückt das in seiner spöttischen Art so aus: 
„Sein, Napoleons, Mittel war das Bündnis mit dem Nationalismus: zuerst dem 
italienischen, wobei er Erfolg hatte; dann dem polnischen, wobei nichts 
herauskam, schließlich sogar dem deutschen, wobei er sich das Genick brach."
 Im Deutschen Krieg ergriff Napoleon für den vermeintlich schwächeren Gegner 
Preußen Partei, zumal Bismarck ihn mit vagen Versprechungen geködert hatte. 
Durch den entscheidenden Sieg der Preußen über die Österreicher bei Königgrätz 
am 3. Juli 1866 wurde nicht nur Napoleon schockiert. Der Kardinalstaatssekretär 
Antonelli soll auf die Nachricht von der Niederlage Österreichs ausgerufen 
haben: „Die Welt stürzt ein!" Wenn bei irgendeiner Gelegenheit Bismarck sich als 
genialer Politiker erwiesen hat, dann nach der Schlacht bei Königgrätz. Für den 
König und seine Generale schien es selbstverständlich, daß nach dem Sieg die 
Preußen in der österreichischen Hauptstadt Wien einzogen. Dem widersetzte sich 
Bismarck im Hauptquartier von Nikolsburg mit aller Macht. Grollend gab der König 
schließlich nach. Bismarck wußte, daß ein Triumphzug der preußischen Truppen 
durch die Wiener Straßen Österreich, das durch die schwere Niederlage aufs 
tiefste verwundet war, dem ohnehin im Land unbeliebten Preußen niemals verzeihen 
und sich bei erstbester Gelegenheit an ihm rächen würde. Eine solche wäre ein 
Bündnis mit Napoleon gewesen, der es nicht verwinden konnte, sich getäuscht zu 
haben, und die Scharte, die sein Ansehen schwächte, auszuwetzen versuchen würde. 
Für einen Krieg mit Frankreich, den Bismarck einkalkulieren mußte, hatte Preußen 
alles zu tun, um einen Zweifrontenkrieg durch den Eintritt Österreichs auf 
seiten Frankreichs zu vermeiden. So drängte er auf einen schnellen 
Friedensschluß unter milden Bedingungen für Österreich. Er verzichtete auf jede 
Gebietsabtretung wie die von Österreich#Schlesien, was ihm der König und die 
Militärs ebenfalls verübelten. Wir wissen, daß Bismarcks Politik gegenüber 
Österreich ihre Früchte getragen hat. Es hielt sich 1870 vom 
Deutsch-Französischen Krieg fern. Bismarck kam es nur darauf an, daß Königgrätz 
endgültig den Dualismus zwischen Österreich und Preußen in Deutschland zugunsten 
des letzteren entschieden hatte. Auch sah er sehr wohl, welch große Aufgabe 
Österreich in Europa noch zu erfüllen hatte. Was sollte an seine Stelle gesetzt 
werden, wer sollte die Aufgaben übernehmen, die der österreichische Staat von 
Tirol bis in die Bukowina erfüllte? So  fragt Bismarck in seinen 
Erinnerungen. Auch DeutschÖsterreich könnten wir, fährt er fort, weder ganz noch 
teilweise brauchen. Wien sei als ein Zubehör von Berlin aus nicht zu regieren.
 Schonte Bismarck Österreich, so vereinnahmte Preußen, wie schon gesagt, 
Hannover, dazu Schleswig-Holstein, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt 
Frankfurt, der von den Militärs so hohe Kontributionen auferlegt wurden, daß ihr 
Bürgermeister Selbstmord beging. Mit der Einverleibung der genannten Länder, die 
den Sturz der angestammten Herrscherhäuser bedeutete, so der Welfen in Hannover, 
verletzte, wie bereits Schieder bemerkte, Bismarck das dynastische Prinzip, das 
Preußen für sich selbst um des Zusammenhaltes seiner so stark verschiedenen 
Landesteile willen in ganz besonderer Weise in Anspruch nahm. Der Vorwurf der 
Ländergier, der bereits durch die Besitznahme Schlesiens, Westpreußens und 
Posens gegen Preußen erhoben wurde, erhielt durch diese Eroberungen kräftigste 
Nahrung.
 
 Bismarcks Bündnis mit den Nationalliberalen
 Der seit 1862 wegen der eigenmächtigen Heeresreform Bismarcks bestehende 
Verfassungskonflikt in Preußen wurde dadurch beendet, daß unter dem Eindruck der 
Schlacht von Königgrätz der größte Teil der Fortschrittspartei unter Beteiligung 
des linken Zentrums als Nationalliberale Partei ins Lager Bismarcks 
überschwenkte (darunter auch unser Landsmann Simson) und im Landtag das sog. 
Indemnitätsgesetz beschloß, d. h., die Militärausgaben Bismarcks wurden 
gebilligt. Der Erfolg blieb auch hier der letzte Sieger. Die Nationalliberalen 
als Vertreter des deutschen Bürgertums waren dann sogar Bismarcks stärkste 
Stütze bei seiner Gründung des Deutschen Reiches.Da Bismarck Realpolitiker war, paktierte er, wenn es ihm zweckmäßig erschien, 
mit den Zeitströmungen des Nationalismus und der Demokratie, ohne allerdings in 
seinem Selbstgefühl zu fürchten, daß ihm diese eines Tages über den Kopf wachsen 
könnten. An sich war, wie Haffner mit ganz besonderem Nachdruck betont, das 
Bündnis zwischen der preußischen Staatsidee und der deutschen Nationalidee ein 
Bündnis zwischen Feuer und Wasser. Wir werden uns gerade dieser höchst 
interessanten Feststellung Haffners noch bei anderer Gelegenheit erinnern. 
Bismarck kam es auch nicht darauf an, mit Ferdinand Lassalle zu verhandeln, der 
einen Sozialismus auf nationalstaatlicher Grundlage errichten wollte. Lassalle 
fiel aber bereits 1864 in Genf in einem Duell, und der von ihm gegründete 
Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ging später in der SPD auf. Sehr bezeichnend 
für Bismarcks Einstellung war auch, daß er einmal vom Nationalitätenschwindel 
sprach.
 
 „Rache für Sadowa!"
 Zwischen Preußen und den süddeutschen Staaten wurde ein geheimes 
Schutz-und-Trutz-Bündnis geschlossen, das die gegenseitige Garantie der Gebiete 
enthielt sowie die Zusage der Süddeutschen, ihre Truppen im Kriegsfall unter den 
Oberbefehl des Königs von Preußen zu stellen. Diese überraschende Haltung der 
süddeutschen Staaten wird erklärlich durch die Ansprüche Napoleons III. auf die 
bayerische Rheinpfalz und das linksrheinische Hessen, die er unter Umständen 
auch mit Hilfe eines Krieges erwerben wollte. Napoleon stand gerade durch den 
preußischen Sieg bei Königgrätz unter besonders starkem Erfolgszwang, und so 
ließ er in Frankreich die Parole ausgeben: „Rache für Sadowa!" Sadowa war ein 
Ort in der Nähe von Königgrätz.Nach dem Krieg von 1866 erfolgte die Gründung des Norddeutschen Bundes. Dieser 
war im Gegensatz zum Deutschen Bund ein Bundesstaat unter deutscher Führung. In 
ihm ist die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 vorgeformt worden. Auf der 
Grundlage des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts, welches 
schon Bismarck vor dem Krieg von 1866 gefordert hatte und das er jetzt wohl oder 
übel übernehmen mußte, wurde ein Reichstag gewählt, der 1867 zum erstenmal in 
Berlin zusammentrat. Mit dem Zugeständnis des demokratischen Wahlrechts war aber 
angesichts der beschränkten Rechte des Reichstages - er wurde z. B. nicht an der 
Ernennung des Kanzlers beteiligt - keinesfalls die Einführung eines 
parlamentarischen Regierungssystems verbunden. Das Bundespräsidium war erblich 
bei der Krone Preußens, die den Bund völkerrechtlich vertrat, in seinem Namen 
Krieg und Frieden erklärte und Frieden und Bündnisse schloß. Die Vertretung der 
Länderregierungen war der Bundesrat, in dem Preußen 17, die übrigen Bundesländer 
zusammen 21 Stimmen hatten. Gemeinsam mit dem Reichstag hatte er das Recht, 
Gesetze zu beschließen und den Heeresetat zu bewilligen.
 Das, was Bismarck erwartet hatte, trat ein. Anlaß zum Krieg zwischen Preußen und 
Frankreich bot die in Aussicht genommene und, wie man wissen will, von Bismarck 
zunächst insgeheim begünstigte Wahl des Prinzen Leopold von der katholischen 
Sigmaringer Linie der Hohenzollern zum König von Spanien. Frankreich mochte eine 
Umklammerung durch die Hohenzollern wie einstmals durch die Habsburger 
befürchten. Auch nachdem Leopold auf das spanische Angebot verzichtet hatte, 
stellte der französische Gesandte Benedetti König Wilhelm I. auf der 
Kurpromenade von Ems und verlangte von ihm, daß er auch in Zukunft eine 
Kandidatur des Hohenzollernprinzen für die Krone von Spanien nicht zulassen 
werde. Über dieses aufdringliche Verhalten des französischen Gesandten ließ der 
König Bismarck telegraphisch in Berlin unterrichten. Aus dem Bericht strich der 
Bundeskanzler die vieldiskutierte "Emser Depesche" zusammen, die er der Presse 
übergab. Napoleon blieb daraufhin, wenn er sein Gesicht wahren wollte, nichts 
anderes übrig, als Preußen den Krieg zu erklären.
 
 Vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg
 Die süddeutschen Staaten hielten ihre Bündnisverpflichtungen ein, und so 
konnte der Krieg von 1870 wie der von 1866 nach den Plänen des preußischen 
Generalstabes unter dem genialen Strategen v. Moltke sozusagen programmäßig 
ablaufen bis zur Schlacht von Sedan am z. September. Sie endete mit einem 
völligen Sieg der preußisch-deutschen Armee, wobei der französische 
Oberbefehlshaber Mac Mahon und Napoleon selbst gefangengenommen wurden. Dem 
Kaiser wurde das Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel als „Gefängnis" zugewiesen. 1871 
wurde er nach England abgeschoben, wo er schon 1873 gestorben ist. Hatte mit 
Sedan die Entscheidungsschlacht des Krieges stattgefunden? Mitnichten! Haffner 
hatte schon zum Beginn des Krieges bemerkt, daß die süddeutschen Staaten weniger 
aus Liebe zu Preußen als aus Franzosenhaß zu Felde gezogen waren, der von den 
Erinnerung an die Zeit des ersten Napoleon gespeist war. Hatte aber nicht gerade 
Haffner Wert auf die Feststellung gelegt, daß die Napoleonischen Kriege weniger 
Volkskriege als Kabinettskriege gewesen seien? Nun aber, nachdem Napoleon III. 
abgedankt hatte und in Frankreich die Republik unter Gambetta ausgerufen worden 
war, kämpften die Franzosen erbittert weiter. Es war eine neue, für Bismarck 
erschreckende Erscheinung: „Plötzlich kämpften nicht Staaten miteinander, 
sondern Völker." Erst mit der Übergabe von Paris am 28. Januar 1871 fand der 
Krieg ein Ende. Im Frieden von Frankfurt trat Frankreich Elsaß-Lothringen an 
Deutschland ab und zahlte in drei Jahren 5 Milliarden Franken als 
Kriegsentschädigung. Diese nicht durch ehrliche Arbeit verdienten Milliarden 
haben der deutschen Wirtschaft keinen Segen gebracht. Die in der sog. 
Gründerzeit mit ihrer Hilfe erfolgten zahlreichen Neugründungen brachen zum 
erheblichen Teil schon 1873 mit großem Krach zusammen.
 Der König wollte nicht Kaiser werden
 Inzwischen war im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles König Wilhelm I. 
von Preußen zum Deutschen Kaiser ausgerufen worden. Die Kaiserproklamation 
erfolgte, was heute für uns schwer zu begreifen ist, während eines Krieges im 
Feindesland und unter Teilnahme eines einzigen Zivilisten. Dieser hieß Bismarck, 
und er hatte aus dem Anlaß auch seine geliebte Uniform der Magdeburger 
Kürassiere angelegt. Frankreich hat die Kaiserproklamation in Versailles schwer 
erbittert, und so mußte im selben Spiegelsaal am 28. Juni 1919 von der deutschen 
Delegation der Diktatfrieden unterzeichnet werden. Der Kanzler hatte darauf 
bestanden, daß die Kaiserwürde seinem König durch die deutschen Fürsten 
angetragen wurde. Der Norddeutsche Reichstag durfte lediglich vorher durch eine 
Deputation, an deren Spitze der uns schon wohlbekannte Königsberger Simson 5) 
stand, den König bitten, das Angebot der deutschen Fürsten nicht auszuschlagen. 
So paradox es klingt: Die größten Schwierigkeiten machte bei der Übertragung der 
Kaiserwürde Wilhelm I. selbst. Nicht aus Rücksicht auf Österreich, wie sie noch 
sein Bruder Friedrich Wilhelm IV. genommen hatte, sondern weil er lieber König 
von Preußen bleiben und kein Charaktermajor sein wollte. Unter einem 
Charaktermajor verstand man im alten Heer einen Hauptmann, dem man bei seiner 
Verabschiedung den Charakter eines Majors verlieh, aber nicht dessen Bezüge. So 
sah sich der König von Preußen als Deutscher Kaiser, und als ihn am Abend vor 
der Proklamation Bismarck endlich herumkriegte, sagte der König, in Tränen 
ausbrechend: „Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens. Da tragen wir das 
preußische Königtum zu Grabe." Hat er womöglich recht behalten? Haffner datiert 
von dieser Proklamation des Königs Wilhelm I. zum Kaiser „Preußens langes 
Sterben".Schließlich einigte man sich darauf, daß der Großherzog von Baden, Friedrich I., 
ein Hoch auf Kaiser Wilhelm I. ausbringen sollte. Warum gerade er? Die 
Proklamation wäre eigentlich Sache der Könige gewesen, vor allem des bayrischen, 
der nach dem Preußenkönig über das größte Herrschaftsgebiet verfügte. Aber der 
„Märchenkönig" Ludwig II. war gar nicht in Versailles anwesend, und es hatte 
Bismarck überhaupt große Mühe gekostet, ihn zum Beitritt zum Deutschen Reich zu 
bewegen. Er griff dem ewig von einer großen Schuldenlast bedrängten König # man 
denke nur an den kostspieligen Bau der Schlösser Linderhof, Neuschwanstein und 
Herrenchiemsee sowie die großzügige Förderung Richard Wagners! - mit einem 
beträchtlichen Zuschuß aus dem sog. Welfenfonds unter die Arme. Die anderen 
Fürsten überließen Friedrich von Baden die Proklamation gern als dem 
Schwiegersohn des neuen Kaisers. Seine Gattin Luise war ebenso eine Gegnerin 
Bismarcks wie ihre Mutter, die Königin und Kaiserin Augusta, und ihre 
Schwägerin, Kronprinzessin Viktoria. Man kann Wilhelm I. nur bewundern, daß er 
dieser mächtigen weiblichen Phalanx gegenüber an Bismarck festhielt, obschon ihm 
dessen Politik manch schwere Stunde bereitete.
 Die Verfassung des Deutschen Reiches wurde vom Norddeutschen Bund übernommen, 
nur daß der Bundespräsident jetzt Deutscher Kaiser hieß und der Bundeskanzler 
Reichskanzler.
 Das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht bestehen zu lassen, wird Bismarck 
besonders sauer angekommen sein. Aber die Geister, die er gerufen hatte, als er 
1866 den Antrag auf Einführung des allgemeinen Wahlrechts stellte und damit den 
Deutschen Bund sprengte, ließen ihn nicht mehr los. Er mußte jetzt wohl oder 
übel den Preis für seinen kühnen Vorstoß zahlen. So existierten bis 1918 in 
Preußen zwei Wahlsysteme nebeneinander: für das Abgeordnetenhaus das 
Dreiklassenwahlrecht, für den Reichstag das allgemeine Wahlrecht. So gab es bis 
1908 im Landtag keine sozialdemokratischen Abgeordneten, im Reichstag dagegen 
schließlich 120.
 
 War das Deutsche Reich ein Großpreußen?
 Welchen Platz nahm nun Preußen in dem von ihm gegründeten Deutschen Reich 
ein? Die einen sagen, dieses sei ein Großpreußen gewesen, zumal diese 
Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar stattfand, dem Tag, an dem 1701 
Friedrich I. zum ersten preußischen König gekrönt wurde. Dieser Ansicht sind z. 
B. von der Gablentz und der konservative Staatsphilosoph Konstantin Frantz. Und 
daß Bismarck, der Schöpfer und erste Kanzler des neuen Reiches, ein Preuße mit 
Leib und Seele war und es bis an sein Lebensende blieb, ist nicht zu leugnen. 
Sehr interessant ist eine Bemerkung, die Bismarck Wilhelm II. gegenüber machte. 
„Mit dem Deutschen Reich ist es soso lala", sagte der Kanzler. „Suchen Sie nur 
Preußen stark zu machen. Es ist egal, was aus dem andern wird." Dazu Wilhelm IL 
zu seinem Freund Fürst Eulenburg: „Ich habe eine Art Falle für mich darin 
gesehen." Wilhelm IL, vom Glanz seines Kaisertums geblendet, verstand die 
Bemerkung Bismarcks nicht, dem offensichtlich Zweifel an seiner eigenen Gründung 
gekommen waren. Wir werden davon noch mehr hören.Andere dagegen meinen, daß Preußen, wie es in einer schwachen Stunde Friedrich 
Wilhelm IV. geäußert und es auch Haffner übernommen hat, in Deutschland 
aufgegangen sei. Sie führen zur Begründung ihrer Ansicht unter anderem an, daß 
fortan kein Mensch mehr von Berlin als der preußischen Hauptstadt sprach, 
sondern nur von der Reichshauptstadt. Und da das Amt des preußischen 
Ministerpräsidenten mit dem des Reichskanzlers gekoppelt war, wurden in der 
Folgezeit eine Reihe von Nichtpreußen preußische Ministerpräsidenten, so die 
Bayern Hohenlohe und Hertling, der Mecklenburger Bülow, schließlich mit Max von 
Baden sogar das Mitglied eines nichtpreußischen Fürstenhauses. Vom preußischen 
Ministerpräsidenten war keine Rede mehr, allein vom Reichskanzler.
 
 „Der böse Dämon Deutschlands"
 Viele ausländische, besonders englische, aber auch süddeutsche Historiker 
hätten, bemerkt Haffner gewiß mit Recht, die Friedenspolitik des Urpreußen 
Bismarck nach 1871 nicht wahrhaben wollen. Für sei sie Preußen überhaupt die 
Wurzel allen Übels, der böse Dämon Deutschlands und die Ursache der Katastrophen 
gewesen, in die Deutschland sich und die Welt in der ersten Hälfte des 20. 
Jahrhunderts gestürzt habe. Preußen sei ein erobernder Staat gewesen, und es 
habe, so war die weitverbreitete Meinung, diese Eroberungspolitik dem Deutschen 
Reich vererbt, sozusagen eingeimpft. Noch im August 1939 schrieb der in 
Ostpreußen geborene Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewen: „Morgen werden 
wir den zweiten gegen die Geographie geführten Weltkrieg haben, und ich zweifle 
nicht daran, daß er, von dem ewigen Schreihals Preußen wieder an den ganzen 
Erdball erklärt, verloren ist noch vor dem ersten Flintenschuß." Dazu können wir 
nur fragen: Wer war damals der Schreihals? Und wo kam er her? Bei solchen 
Vorwürfen spielt offensichtlich die preußische Annexionspolitik, das heißt die 
Vereinnahmung einer Reihe von deutschen Staaten nach dem Krieg von 1866, eine 
besondere Rolle. Bismarck selbst macht das Zugeständnis, Preußen sei nach 1871 
satt und übersatt gewesen. Daher hat Bismarck, solange er im Reiche etwas zu 
sagen hatte, als bremsendes Element gewirkt: „Wenn Preußen die deutsche 
Führungsmacht bleiben wollte, durfte Deutschland auf keinen Fall größer werden, 
als es schon war. In einem Großdeutschland oder einer deutschen Weltmacht wäre 
seine Lage hoffnungslos gewesen." Weltmachtpolitik hat Deutschland erst nach 
Bismarcks Sturz (1890) getrieben, als Wilhelm II., der Bismarcks Warnung nicht 
verstanden hatte oder verstehen wollte, die Parolen ausgab: „Unsere Zukunft 
liegt auf dem Wasser!", und darum: „Volldampf voraus!"
 Das Schlagwort vom preußischen Militarismus
 Das zweite Argument der Kritiker Preußens ist nach Haffner der preußische 
Militarismus gewesen: „Aber es war nicht die Armee, die vor den beiden 
Weltkriegen die deutsche Politik bestimmte und zum Krieg drängte, von dem 
zweiten hat sie sogar dringend abgeraten." Ob gegen diese verallgemeinernden 
Feststellungen Haffners nicht doch Bedenken anzumelden sind? Wenn ein General 
Graf Brandenburg preußischer Ministerpräsident und ein General Graf Caprivi 
Reichskanzler wurde, so wurden sie dies gewiß nicht als Vertreter der Armee. 
Aber es gab auch einen vom preußischen Generalstab entwickelten und von den 
Politikern abgesegneten Schlieffenplan, der eine Verletzung der Neutralität 
Belgiens im Fall eines Krieges mit Frankreich vorsah. Und vor allem gab es einen 
Admiral von Tirpitz, dessen unmäßiger, vom Kaiser begrüßter Ausbau der deutschen 
Kriegsflotte England herausforderte. Aber die Kriegsmarine war Reichssache, 
nicht preußische - doch wer machte im Ausland schon diesen Unterschied? Immerhin 
war Tirpitz in der preußischen Festungsstadt Küstrin geboren. Die Flottenleitung 
setzte beim Kaiser die Entlassung des deutschen Botschafters in London, Graf 
Metternich, durch, der vor der Wirkung des Flottenbaus auf England gewarnt 
hatte. Im Ersten Weltkrieg, zu dem nach einer Äußerung des Historikers Golo Mann 
den Kaiser die Generale zu treiben suchten, gewann die Oberste Heeresleitung 
immer stärkeren Einfluß auf die Reichspolitik. Der Kaiser machte sich 
unsichtbar, nachdem er noch am Kriegsbeginn die markigen Worte gesprochen hatte: 
„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!" Gegen Ende der 
Weimarer Zeit trat mit Kurt von Schleicher ein typischer politisierender General 
hervor.Und was den zweiten Teil der Behauptung Haffners betrifft: Gewiß haben die 
Generäle Hitlers dringend von einem Krieg abgeraten, aber die Konsequenz aus 
ihrer Einsicht zog nur der Chef des Generalstabes des Heeres, Ludwig Beck, indem 
er 1938 zurücktrat. Das Buch von W. Förster über ihn trägt den bezeichnenden 
Titel „Ein General kämpft gegen den Krieg". Entschiedener Kriegsgegner war auch 
der Oberbefehlshaber des Heeres, von Fritsch. Die Gestapo schaltete ihn auf 
höheren Befehl durch eine an Gemeinheit unüberbietbare Verleumdung aus. Es ist 
kein Ruhmesblatt für die deutsche Generalität, daß sie sich nicht mit Fritsch 
solidarisch erklärte. Ihre Entschuldigung, sie habe von den Intrigen gegen ihn 
nichts gewußt, ist alles andere als überzeugend. Im Kriege nahmen die Generäle 
aus Hitlers Hand gern den Marschallstab entgegen, so daß man von einer 
förmlichen Inflation von Feldmarschällen reden konnte.
 
 Der Leutnant rangierte vor dem Professor
 Das Wort vom preußischen Militarismus hat seinen Ursprung in der Tatsache, 
daß Brandenburg-Preußen wegen seiner Streulage und seiner offenen Grenzen von 
Anfang an auf ein starkes Heer angewiesen war. So blieb es nicht aus, daß dem 
Militär eine bevorzugte Stellung eingeräumt und es schließlich gewissermaßen der 
Inbegriff des preußischen Staates wurde. in einer merkwürdigen Hofrangordnung, 
die allerdings erst unter Wilhelm II. üblich wurde, stand der Leutnant vor dem 
Universitätsprofessor. Jedenfalls haben sich die Preußen nach Schoeps, der gewiß 
alles andere als ein Preußenfresser ist, durch übertriebenes militärisches 
Gebaren, Militarisierung auch des zivilen Lebens sowie ein schroffes Auftreten 
und mangelndes Einfühlungsvermögen vor allem auch in Süddeutschland und den 
neuerworbenen Reichsländern oft sehr unbeliebt gemacht. Bismarck selbst hat 1873 
in einer Rede darüber geklagt, daß der preußische Beamte nicht dafür berühmt 
sei, in geschickter Weise Freunde zu gewinnen und unangenehme Dinge in 
liebenswürdiger Weise zu erledigen. Der dümmlich-arrogante preußische Leutnant 
mit und ohne Monokel war eine ständige Figur in der Münchener satirischen 
Zeitschrift "Simplicissimus". Die Macht der Uniform zeigte sich am Beispiel des 
Hauptmanns von Köpenick, der Carl Zuckmayer zu seiner vielgespielten Komödie 
angeregt hat. Den militärischzackigen Beamten, der von der pfiffigen Mutter 
Wolffen aufs Kreuz gelegt wird, treffen wir in der Gestalt des Amtsvorstehers 
von Werhahn in Gerhart Hauptmanns „Biberpelz" an. Trotz allem gilt für den 
preußischen Staat, was der einstige preußische Ministerpräsident Otto Braun in 
der Emigration über ihn geschrieben hat. Sowenig der preußische Staat seine 
militärische Entstehung und Entfaltung verleugnen konnte: „Er hatte eine straff 
organisierte, mustergültige Verwaltung, verfügte über eine gut durchgebildete 
unbestechliche Beamtenschaft in Justiz und Verwaltung, die ihm das Gepräge eines 
wohlgeordneten Rechtsstaats gaben. Allerdings", fügt der Sozialdemokrat Braun 
hinzu, „rekrutierte sich die regierende Oberschicht fast ausschließlich aus der 
Kaste des konservativen Landadels."
 Die Zabernaffäre von 1913
 Was immerhin vor dem Ersten Weltkrieg möglich war, beweißt der Fall Zabern 
aus dem Jahre 1913. Ich erinnere mich seiner noch sehr genau. Als Achtjähriger 
habe ich die langen Berichte darüber in der Ermländischen Zeitung verschlungen 
und bei Tisch begierig den Gesprächen der Eltern gelauscht, wenn sie sich 
darüber unterhielten. Was war geschehen? Das elsässische Städtchen Zabern hatte, 
wie der bekannte aus dem Elsaß stammende Schriftsteller Rene Schickele („Hans im 
Schnackenloch") feststellt, nach dem 70er-Krieg am schnellsten an die deutsche 
Vergangenheit angeknüpft und sogar Bismarck eine Ergebenheitsadresse übersandt. 
Ausgerechnet in dieser Stadt sagte der 20jährige Leutnant von Forstner zu einem 
wegen Messerstecherei zu zwei Monaten verknackten Rekruten: „Wenn du einen 
Elsässer Wackes zusammenstichst, erhältst du keine zwei Monate; für jeden dieser 
Dreckwackes, die du mir bringst, erhälst du zehn Mark." "Wackes", wenn es wie 
hier als Schimpfwort gebraucht wurde, entsprach dem französischen „Boche" für 
die Deutschen. Über die Äußerung des Leutnants erschien im "Zaberner Anzeiger" 
vom 9. November 1913 ein Bericht, der sie „eine skrupellose Beleidigung der 
Elsässer" nannte. Der Fall wäre durch eine schnelle Versetzung des Leutnants in 
eine andere Garnison und eine entsprechende Mitteilung an die Presse am ehesten 
erledigt worden. Aber der Regimentskommandeur von Reuter und der Kommandierende 
General von Deimling taten dies nicht, sondern stellten sich vor den Leutnant. 
So wuchs aus der Maus, wenn wir die üble Bemerkung des unreifen jungen Offiziers 
als eine solche gelten lassen wollen, ein Elefant. Es setzte eine heftige 
Pressekampagne ein, die immer größere Kreise zog. Ob von Forstner und von Reuter 
Preußen waren, weiß ich nicht, der General von Deimling, der eigentlich als 
letzte Instanz den Fall hätten bereinigen müssen, war jedenfalls Badener. Aber 
gerade er versagte vollständig. Dabei heißt ein altes badisches Sprichwort: Die 
Wackes sind uns näher als die Preußen! Beinahe zwangsläufig fiel in der 
Pressefehde auch das Wort vom preußischen Militärdünkel. Die Affäre schlug immer 
weitere Wellen, sie beschäftigte sogar den Reichstag und den deutschen 
Kronprinzen. Die Folgen, die sie für die Stimmung unter den Elsässern hatte, und 
die Reaktion, die sie vor allem in Frankreich auslöste, können wir uns nur zu 
gut vorstellen. Das alles kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges!
 Der überflüssige Kulturkampf
 So erfolgreich Bismarck auf dem Gebiet der Außenpolitik war - die 
Reichsgründung von 1871 ohne Einmischung des Auslandes war eine Meisterleistung 
-, so wenig glücklich war er in der Innenpolitik, eben weil er die Methoden der 
Außenpolitik auch auf diese übertrug. Sein Verhalten gegenüber den Katholiken 
und Sozialisten beweist dies. Wenn er beide, im Parlament vertreten durch die 
Zentrumspartei und die Sozialdemokratische Partei, als Reichsfeinde bezeichnete, 
so erscheint es gerade als eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet diese 
beiden Parteien von 1919 bis 1932 Preußen zu einer gewissen Nachblüte verhalfen.Der Kulturkampf (der Ausdruck stammt von dem berühmten Arzt und liberalen 
Politiker Virchow) war „trotz aller anderen Mitwirkenden Bismarcks persönliches 
Werk". Über seine Anfänge im Ermland haben wir in UEH 25, 2 und 3 berichtet. Die 
erste Kampfhandlung der Regierung war 1871 die Aufhebung der seit 1841 
bestehenden katholischen Abteilung im preußischen Kultusministerium. Es sei 
sogleich darauf hingewiesen, daß der Kulturkampf sich nicht nur in Preußen 
abspielte, sondern auch durch Reichsgesetze gefördert wurde.
 Was veranlaßte aber Bismarck zu seinem Vorgehen gegen den Katholizismus? Es wird 
manchem Leser unseres eben erwähnten Beitrages aufgestoßen sein, daß in den 
Kulturkampf auch das Auswärtige Amt eingeschaltet wurde. Das bestätigt die 
Auffassung, daß für Bismarck der Kulturkampf nicht zuletzt eine 
Auseinandersetzung mit der fremden Macht des Papstes in Rom war. Der Kanzler 
wollte die Bindung der katholischen Kirche an diese Macht, Ultramontanismus 
genannt, lösen. Ultramontan besagt: jenseits der Berge, in diesem Falle der 
Alpen. Ultramontanismus bedeutet laut Duden ganz genau gesagt eine streng 
päpstliche Gesinnung besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Hoffnungen 
der Regierung, in den Altkatholiken, die die vom 1. Vatikanischen Konzil 
beschlossene Lehre vom Primat und der Unfehlbarkeit des Papstes ablehnten, einen 
wichtigen Bundesgenossen zu haben, erwies sich wegen der geringen Zahl der 
Altkatholiken bald als trügerisch.
 Was Bismarck nicht sah oder nicht sehen wollte oder konnte: daß man in einem 
Rechtsstaat gegen eine geistliche Macht nicht mit Mitteln der Verwaltung 
vorgehen konnte. Dies machte ihm auch in einer Vorlesung über Kaiser Heinrich 
IV. (1056-1106) der in Berlin (vorher in Königsberg) lehrende Professor Albert 
Brackmann zum Vorwurf. Der Kaiser konnte in seinem Kampf gegen Papst Gregor VII. 
nicht ahnen, daß ihm mit diesem der Vorkämpfer einer geistlichen Bewegung 
gegenüberstand, die es in dieser Art im Mittelalter bisher nicht gegeben hatte: 
die der Kluniazenser. So verhielt sich Heinrich IV. dem Papst gegenüber wie die 
früheren Kaiser und erlitt dabei Schiffbruch. Bismarck aber hätte aus der 
Geschichte lernen müssen, ehe er den Kulturkampf begann.
 
 Die Maigesetze von 1873
 Dessen Höhepunkt bildeten die Maigesetze von 1873 über die wissenschaftliche 
Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, über die kirchliche 
Disziplinargewalt, über die Anwendung kirchlicher Straf- und Zuchtmittel und über 
den Austritt aus der Kirche: „Sie zielten auf die Zerstörung der Hierarchie und 
die Umwandlung in eine nationale Staatskirche." Wir wollen den unseligen 
Kulturkampf hier nicht in allen Einzelheiten verfolgen. In seinem Verlauf wurden 
mehrere Bischöfe für abgesetzt erklärt, darunter die Erzbischöfe von Köln und 
Gnesen-Posen. Bei der Erwähnung des letzteren sei auch auf die antipolnische 
Tendenz des Kulturkampfes hingewiesen. 1876 waren alle preußischen Bischöfe 
abgesetzt oder verhaftet oder ins Ausland geflüchtet mit Ausnahme des ermländischen Philipp Krementz, über den, wie wir schon früher berichteten, die 
Kaiserin Augusta ihre schützende Hand hielt. Das Ende des Kulturkampfes war 
gegeben, als Bismarck einsehen mußte, daß er infolge des Widerstandes des 
katholischen Volksteils seine Ziele nicht erreichen konnte und er auch für seine 
Zollpolitik die Zustimmung der Zentrumspartei brauchte. Durch die Vermittlung 
des Fuldaer, später Breslauer Bischofs Kopp kamen 1886 und 1887 die beiden 
Friedensgesetze zwischen Bismarck und dem zur Versöhnung bereiten Papst Leo 
XIII. (seit 1878) zustande. Die Zentrumspartei fühlte sich durch die direkten, 
von Kopp bewirkten Verhandlungen zwischen Berlin und dem Vatikan nicht zu 
Unrecht übergangen, nachdem sie sich während des Kulturkampfes tapfer für die 
Kirche geschlagen hatte. Von den Kulturkampfgesetzen blieben aber einige 
bestehen, so das Gesetz über die staatliche Schulaufsicht, der sog. 
Kanzelparagraph, der den Geistlichen verbot, Angelegenheiten des Staates in 
einer „den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise" zu erörtern, die Zivilehe 
und (bis 1917) das Jesuitengesetz. Bismarck erhielt nach Abbruch des 
Kulturkampfes den höchsten päpstlichen Orden, den Christusorden. Ob er ihn 
jemals angelegt hat? Für sein neues Reich war der Kulturkampf „ein immenses 
Unglück für Staat und Kirche", weil er es den Katholiken, die zwei Fünftel der 
Bewohner des Reiches ausmachten, lange erschwerte, in ihm heimisch zu werden.
 Waren die Ermländer Mußpreußen?
 Der Kulturkampf wirkte sich natürlich auch auf die größtenteils katholische 
Bevölkerung des Ermlands aus. Es kam das Wort von den Mußpreußen auf, die die 
Ermländer seien. Als die Kulturkampfgeneration abgetreten war und der Glanz des 
neuen Reiches auch auf die Ermländer ausstrahlte, erfolgte allmählich eine 
Änderung in ihrer Einstellung zu Staat und Reich. Aber noch nach dem Ersten 
Weltkrieg bezeichnete, worauf wir schon einmal hingewiesen haben, Otto Miller 
die Ermländer als Mußpreußen, wobei ihm Eugen Brachvogel zustimmte und mit ihm 
vielleicht noch heute mancher Ermländer, besonders unter unseren geistlichen 
Herren. Wir erwähnten gleichfalls, daß unser unbedingt ermlandtreuer Historiker 
Franz Buchholz Otto Miller heftig widersprochen hat, wenn er auch zugab, daß das 
frühere Königreich Preußen die Katholiken zurücksetzte. Wobei er gewiß nicht 
zuletzt daran dachte, daß an der Spitze der hochprozentig katholischen 
ermländischen Kreise in der Regel evangelische Landräte standen. Aus Franz 
Buchholz sprach der preußische Offizier des Ersten Weltkrieges. Wie denn 
überhaupt das Militär schon in Friedenszeiten viele Ermländer zu wackeren 
Preußen machte. In den Stuben auf dem Lande hingen unter Glas gerahmt die 
Urkunden oder Kompaniebilder „Zur Erinnerung an meine Dienstzeit". Besonders 
stolz waren die strammen ermländischen Bauernjungen, wenn sie zur Garde nach 
Berlin oder Potsdam eingezogen wurden. Sie brachten von dort freilich nicht nur 
schöne Erinnerungen mit, manche auch weniger angenehme Andenken an das 
Sündenbabel Berlin.Eine reizvolle, vom Gesetzgeber kaum bedachte Folge hatte die aus dem 
Kulturkampf beibehaltene Bestimmung, daß der Bewerber um eine Pfarrstelle ein 
staatlich anerkanntes Abitur nachzuweisen hatte. Man war seitens der Regierung 
doch sehr besorgt um das geistige Niveau des katholischen Klerus! Der 1873 in 
Allenstein geborene Franz Justus Rarkowski trat, ohne in seiner Vaterstadt das 
Abitur gemacht zu haben, in die Kongregation der Maristen ein und wurde 1899 in 
Brixen zum Priester geweiht. Als er aus dem Orden ausschied und in seine Heimat 
zurückkehrte, konnte er aus dem eben erwähnten Grund keine Pfarrstelle erhalten. 
Wenn er als Kuratus von Lötzen nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sich zum 
Seelsorgedienst beim Heer meldete, tat er dies gewiß nicht nur, wie B. M. 
Rosenberg annimmt, im Überschwang nationaler Begeisterung (ZGAE 39, S. 95), 
sondern auch aus der Erkenntnis, daß er im Ermland nicht Pfarrer werden konnte. 
Darum blieb er nach dem Kriege Geistlicher bei der Reichswehr, wo er die 
Stufenleiter bis zum Feldbischof emporstieg. Es war also sein Glück, daß er kein 
staatliches Abitur gemacht hatte! Mit einem solchen, das für 
Reichswehrgeistliche offensichtlich nicht verlangt wurde, hätte er es im besten 
Fall zum Erzpriester und Domherrn, aber nicht zum Mitraträger gebracht. Aber war 
es wirklich sein Glück, daß er ein solcher wurde? Nach dem Aufsatz von Hans 
Apold über Rarkowski, der auch die oben erwähnte Bemerkung von Rosenberg 
enthält, möchte man es bezweifeln.
 
 Bismarck wollte das Reich auflösen
 Durch das allgemeine Wahlrecht konnten sich, wie schon gesagt, im Reichstag 
anders als im Landtag mit seinem Dreiklassenwahlrecht auch die Sozialdemokraten 
ihre Plätze sichern. Mit dem Sozialistengesetz von 1878, das alle 
sozialistischen und kommunistischen Organisationen und Druckschriften verbot und 
das bis 1890 verlängert wurde, erreichte Bismarck wie durch die 
Kulturkampfgesetze genau das Gegenteil. Die neuformierte SPD wurde nach 
Aufhebung des Verbotes immer stärker und bei den Reichstagswahlen 1912 sogar die 
stärkste Partei. Bismarck soll sich gegen Ende seiner Regierung wegen des vielen 
Ärgers mit dem Reichstag, dessen Parteien er dadurch zu korrumpieren suchte, daß 
er sie gegeneinander ausspielte, ernsthaft mit dem absurden Gedanken getragen 
haben, das Reich wieder aufzulösen und als reinen Fürstenbund neu zu bilden. Daß 
Bismarck überhaupt einen solchen Einfall hatte, zeigt, wie wenig der alte 
Kanzler die Zeichen der Zeit erkannte. Keineswegs dachte er daran, das Reich 
etwa in Richtung einer parlamentarischen Monarchie zu entwickeln.Das war schon eher von dem Kaiser der 99 Tage, Friedrich III., zu erwarten. So 
wäre, wenn Friedrich länger am Leben geblieben wäre, Bismarcks Zeit als 
Reichskanzler noch schneller zu Ende gegangen, als es ohnehin schon der Fall 
war. Dazu kam Friedrichs unbändiger Stolz. Zu den Ehrungen anläßlich des 70. 
Geburtstages von Bismarck sagte er abschätzig: Ein Minister? Was ist ein 
Minister? Nichts als ein Beamter des Königs - dies, damit meinte er Bismarck! - 
ist aber kein Minister, sondern ein Diktator, dies ist der Untergang der 
Monarchie. Solche Äußerungen schienen sich schlecht mit den angeblich liberalen 
Anschauungen Friedrichs in Übereinstimmung bringen zu lassen. Aber seine 
abfälligen Äußerungen über Bismarck dürften der Eifersucht auf den ersten 
Ratgeber seines Vaters entstammen sowie dem Einfluß seiner Frau Viktoria. 
Friedrich lehnte es auch ab, auf seiner Reise nach San Remo in München Station 
zu machen, weil die Bayernkönige ihre Krone nur Napoleon zu verdanken hätten.
 Größere Erwartungen setzte Bismarck auf Wilhelm II. Er wußte, daß dieser wie er 
Wilhelm I. sehr verehrte. Der junge Kaiser, der sich übrigens gegen seine Mutter 
Viktoria sehr häßlich benahm, trieb mit seinem Großvater einen förmlichen Kult. 
Er wollte ihn unbedingt zu Wilhelm dem Großen machen, aber das Volk spielte 
nicht mit, sosehr es den alten Kaiser wegen seiner schlichten Art gerade auch in 
Süddeutschland schätzte. Im übrigen unterschied sich Wilhelm II. in seinem 
naßforschen Auftreten, das nur seine Minderwertigkeitsgefühle überdecken sollte, 
völlig vom Großvater. So wurde auch Bismarck bald von Wilhelm II. enttäuscht. 
Der tiefste Grund der Entzweiung zwischen Kaiser und Kanzler ist darin zu sehen, 
daß der erstere nicht seine Macht mit Bismarck teilen, sondern allein regieren 
wollte.
 
 „Es ist ein Glück, daß wir Bismarck los sind!"
 So kam es 1890 zur Entlassung Bismarcks, die auf eine beschämende Weise vor 
sich ging. Bemerkenswert ist, daß die Öffentlichkeit das Ausscheiden des alten 
Kanzlers mit einem Gefühl der Erleichterung aufgenommen hat. Selbst ein Theodor 
Fontane schrieb an einen Bekannten: „Es ist ein Glück, daß wir ihn los sind", 
derselbe Fontane, der noch 1879 gesagt hatte: „Man mag Bismarck lieben oder ihn 
hassen, so muß doch immer zugestanden werden, daß intellektuell dasselbe von ihm 
gilt, was in physischer Beziehung von ihm gesagt worden ist: ein gewaltiger 
Mann!" Aber es gibt noch andere Beispiele dafür, daß die Öffentlichkeit der 
alten Männer überdrüssig wird, wenn sie angeblich zu lange regieren. Wir nennen 
nur die Namen Friedrich der Große und Konrad Adenauer. Aber oft tritt sehr bald, 
zumal wenn die Nachfolger nicht einschlagen, ein Stimmungsumschwung ein. Das 
beste Zeichen dafür sind die Anekdoten und Legenden, die sich um die Gestalten 
der alten Regenten und Staatsmänner ranken. Im Ausland schien man übrigens 
klarer als in Deutschland zu erkennen, was die Entlassung Bismarcks bedeute. 
Erinnert sei hier nur an die berühmte Karikatur der englischen satirischen 
Wochenschrift „Punch": Der Lotse geht von Bord. Bismarck steigt die 
Schiffstreppe hinab, der Kaiser sieht ihm mit der Krone auf dem Haupte von der 
Reling nach.Grollend und düster in die Zukunft blickend, zog sich Bismarck auf seinen 
Alterssitz Friedrichsruh zurück. Den Titel eines Herzogs von Lauenburg, den ihm 
Wilhelm II. noch verliehen hatte, hat er nie geführt. Noch kurz vor seinem Tode 
am 30. April 1898 hat er geäußert: „Zwanzig Jahre nach dem Tode Friedrichs des 
Großen kam Jena, und zwanzig Jahre nach meinem Ableben wird Deutschland 
zusammenbrechen, wenn es so weiter regiert wird." Bismarcks Prophezeiung ist 
genau auf das Jahr eingetroffen, wenn man unter Zusammenbruch das Ende der 
Monarchie versteht, ohne die sich ein Bismarck kein Preußen und kein Deutsches 
Reich vorstellen konnte.
 
 Mehr Kaiser als König
 Wilhelm II. war der letzte deutsche Kaiser. Daß er auch und eigentlich in 
erster Linie König von Preußen war, wurde kaum noch wahrgenommen, obwohl wir in 
Braunsberg ein königliches Gymnasium besuchten und nebenan das Lyceum Hosianum 
1912 in Königliche Akademie umbenannt wurde, wohl weil die Bezeichnung Lyceum 
als Lyzeum von der höheren Mädchenschule in Beschlag genommen wurde und der 
Patron der Hochschule, Ermlands größter Bischof, zumindest polnischer Neigungen 
verdächtig war. Königliche Hosius-Akademie, für solch einen Namen genierte man 
sich offensichtlich. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde daraus die Staatliche 
Akademie. Immerhin führte dann unsere Schule, die ihre Anfänge auch auf den 
Bischof zurückführte, den Namen Gymnasium Hosianum, bis nach 1933 die neuen 
Machthaber an ihm Ärgernis nahmen und mit der neuen Schulform den Namen 
Hermann-von-Salza-Schule einführten eine Verlegenheitslösung. Ebensogut hätte 
die Aufbauschule in Ragnit nach dem großen Hochmeister und Staatsmann benannt 
werden können.Wilhelm II. war für uns eben der Kaiser. Als er, der ständig unterwegs war und 
darum Reisekaiser genannt wurde, einmal in seinem Auto von seinem Gut Cadinen 
bei Tolkemit nach seinem Jagdschloß Rominten durch Braunsberg fuhr, standen wir 
Schulkinder in der Langgasse Spalier und schrien laut "hurrah!", als der Kaiser 
an uns vorbeirauschte. Ich sehe ihn noch in seinem Auto hoch thronend in der 
grünen Jägeruniform sitzen. Am meisten imponierte mir der prächtige Schnurrbart, 
dessen Enden wie von unsichtbaren Drähten hochgezogen wirkten. Mir fielen die 
Onkel in Heinrichsdorf ein, die den ganzen Sonntagmorgen mit der 
Schnurrbartbinde umherliefen. Doch wenn sie diese abgenommen hatten, senkten 
sich alsbald die Spitzen ihrer Bärte wieder traurig hinab. Die Onkel waren eben 
nicht der Kaiser.
 Der Kaiser im Auto: Wilhelm II. war insofern ein moderner Mensch, als er allen 
technischen Neuerungen durchaus aufgeschlossen gegenüberstand. Vier Technische 
Hochschulen wurden in seiner Regierungszeit gegründet, darunter 1904 die 
Danziger. Das Realschulwesen wurde mächtig gefördert. Männer wie Krupp und 
Ballin, der Generaldirektor der Hapag, waren seine Freunde. Wilhelm II. war auch 
der Begründer der berühmten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der 
Wissenschaften, heute Max-Planck-Gesellschaft genannt.
 Wenn die Ära Wilhelms II. Wilhelminismus genannt wird, so ist es unbillig, ihm 
die Schuld an den negativen Erscheinungen jener Zeit allein zuzuschieben - an 
der Großmannssucht, der parvenühaften Prahlerei und Protzerei. Der Kaiser war 
so, wie die Zeit war und wie sie ihn haben wollte. Und wenn wir die Kölner 
Hohenzollernbrücke mit den Denkmälern der Kaiser und Könige erwähnten, so 
beweist das nur, daß man gerade im Westen Preußen-Deutschlands von dem 
wirtschaftlichen Aufschwung der Wilhelminischen Ära profitierte und ihm auf 
diese Weise seinen Dank abstatten wollte.
 
 Der preußische Osten Kostgänger des Reiches
 Das preußische Kernland Ostelbien, ohne das es kein Deutsches Reich gegeben 
hätte, sah sich plötzlich in die Rolle des armen Mannes und Kostgängers des 
Reiches versetzt. Seine Getreideproduktion konnte nur durch hohe Schutzzölle am 
Leben erhalten werden. So ging man dort in den Schmollwinkel. 1898 las Fontane 
den Junkern die Leviten: „In unserer Oberschicht herrscht die naive Neigung, 
alles Preußische für eine höhere Kulturform zu halten." Ähnliches meinte Golo 
Mann, wenn er sagt, daß man gerade in Preußen einen Lebensstil und 
Herrschaftsformen bewahrte, die früher ihre Verdiente und damit ihre 
Daseinsberechtigung hatten, nun aber nicht mehr in die Zeit paßten. Haffner 
nennt den letzten wunderbaren Roman Fontanes „Der Stechlin" ein Abschiedswerk in 
jedem Sinne. „Es ist auch Fontanes Abschied von Preußen."In seinem sehr beachtenswerten Roman „Die Prosna-Preußen" läßt 
Lipinski-Gottersdorf 6) einen Kreis von Adeligen aus der Nordostecke 
Oberschlesiens über den "Stechlin" diskutieren. Olga von Rewen, eine geborene 
Russin, die das Rittergut ihres Mannes, eines aktiven Offiziers, bewirtschaftet, 
will Fontane beweisen, daß der preußische Adel noch lebendiger sei als sein 
liebenswerter, aber sterbensmüder alter Stechlin. Der Besitzer von Schmongrow 
und Gastgeber von Morhaken stimmt ihr zwar zu, fordert allerdings eine 
Umstellung der Wirtschaftsmethoden. „Spezialisierung", sagt von Morhaken, 
„darauf kommt es an. Wir leben in einem Industriestaat und haben das noch nicht 
gemerkt, aber auch wir werden uns darauf einrichten müssen. Das Alte ist vorbei, 
auch in der Landwirtschaft." Morhaken beweist seinen Gästen, daß er selbst mit 
der Umstellung Ernst gemacht hat. In den ehemaligen Fohlenkoppeln - die 
Pferdezucht war ein kostspieliger Luxus, den die Herren vom Grundadel sich 
schuldig zu sein glaubten - tummeln sich mehrere hundert Läuferschweine im 
Schnee. Olga von Rewen ist aber nicht zu überzeugen. Sie meint, der Adel brauche 
sich nicht zu ändern, er habe in Preußen immer für den Staat gelebt. Eine 
Begründung, die die eben zitierten Worte von Theodor Fontane und Golo Mann 
bestätigt. Dazu noch die freche Bemerkung des Oberschlesiers August Scholtis: 
„Das Wohl des Staates scheint mir etwas, womit man rechts der Elbe gern seine 
Molke wässert." Scholtis, der zeit seines Lebens an den Enttäuschungen litt, die 
ihm das von ihm geliebte Preußen bereitete, schrieb als sein bestes Werk den 
Roman „Ein Herr aus Bolatitz", den auch der eben genannte Golo Mann mit Recht 
lobt. Der Herr von Bolatitz ist der Fürst Karl Max Lichnowsky, ein 
oberschlesischer Magnat, der 1912-1914 als Botschafter in London um eine 
deutsch-englische Verständigung bemüht war und der wegen der ohne sein Wissen 
veröffentlichten Schrift „Meine Londoner Mission 1912-1914", die das Auswärtige 
Amt in Berlin angriff, aus dem Preußischen Herrenhaus ausgestoßen wurde.
 
 „Es muß wieder ein Krieg kommen!"
 In den Ersten Weltkrieg sind die Völker Europas nach einem Wort des 
englischen Staatsmannes Lloyd George hineingestolpert. Es schien fast so, daß 
die Welt wieder reif für einen Krieg war - so unglaublich töricht sich das 
ausnimmt. Als Junge hörte ich die Erwachsenen immer wieder sagen: Das kann nicht 
mehr so weitergehen! Es muß wieder einmal ein Krieg kommen! Was nicht mehr 
weitergehen konnte, sagten sie nicht, vielleicht das gute Leben, das sie 
führten. Das Wort vom Stahlbad, das der Krieg sein sollte, ging um. Die 
Hurrastimmung bei Kriegsausbruch, wenn sie bei uns in Ostpreußen überhaupt 
aufkam, verschwand sehr bald vor der Angst vor der russischen Dampfwalze, die 
uns zu überrollen drohte. So wurde der Sieger von Tannenberg, Hindenburg, gerade 
bei uns sehr rasch eine populäre Gestalt.Der Krieg ging verloren. Der Kaiser dankte ab und floh nach Holland, das ihm 
Asyl gewährte und ihn auch nicht an die Siegermächte auslieferte, als diese es 
forderten. Daß er noch König von Preußen bleiben könnte, war eine 
Selbsttäuschung, wie sich nur zu bald herausstellte. Auch Kronprinz Wilhelm 
entsagte allen Ansprüchen auf die preußische Krone und die Kaiserwürde. Ich 
erinnere mich noch, daß in mir 13jährigem eine Welt zusammenbrach, als ich am 9. 
November 1918 auf der Straße hörte, wie eine Frau zur anderen sagte: „Der Kaiser 
hat abgedankt!" Fast zu gleicher Zeit traten die drei großen Dynastien des 
europäischen Kontinents, die Romanows in Rußland, die Habsburger in 
Österreich-Ungarn und in Deutschland die Hohenzollern, von der Weltbühne ab. 
Haben die Deutschen, vor allem die Preußen, den Hohenzollern nachgetrauert? 
Wilhelm II. war uns fremd geworden, weil er, wir sagten es schon, im Kriege kaum 
noch hervorgetreten ist. Sahen wir sein Bild einmal in der Wochenschau oder in 
einer Illustrierten, konnten wir kaum fassen, daß der über eine Karte gebückte 
alte Mann mit dem grauen Spitzbart derselbe schneidige Kaiser war, der uns noch 
vor gar nicht so langer Zeit in Glanz und Gloria gezeigt wurde. Was man vom 
Kronprinzen erzählte, war auch nicht geeignet, ihm im deutschen Volk größere 
Sympathien zu wecken, so aufgebauscht vieles auch sein mochte. Das 
Hohenzollernerbe zu hüten sahen in der Weimarer Zeit die Deutschnationalen als 
ihre besondere Mission an. Sie fühlten sich als die „echten" Preußen. Zum 
Wirtschaftsimperium, das sich ihr Vorsitzender Hugenberg aufgebaut hatte, 
gehörten der Scherl-Verlag mit dem natürlich ganz in seinem Sinne eingestellten 
Massenblatt „Berliner Lokalanzeiger" sowie die größte deutsche Filmgesellschaft, 
die „Ufa". Diese drehte mehr oder weniger kitschige Fridericus-Rex-Filme. Die 
nationalistischen Gefühle, die sie erregten, kamen aber weniger den 
Deutschnationalen als den Nationalsozialisten zugute. Zwar trat Hugenberg am 30. 
Januar 1933 mit seinen Gesinnungsgenossen ä la Papen in das Hitler-Kabinett ein 
in dem naiven Glauben, den zu wirklicher politischer Arbeit angeblich unfähigen 
„Trommler" ans Gängelband nehmen zu können. Aber Hitler zeigte sehr bald, daß er 
allein zu regieren und schon gar nicht die Macht mit den Deutschnationalen zu 
teilen gewillt war. Schwer enttäuscht schied Hugenberg alsbald aus dem Kabinett 
aus. Hitler hat ihm keine Träne nachgeweint. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit 
getan.
 Als ich neulich beim Arzt war, fragte er mich, wie weit ich mit meiner 
Preußengeschichte gekommen sei, für die er sich sehr interessiert. Er sagte mir, 
daß er soeben wieder „Die Hohenzollern" von Reinhold Schneider gelesen habe. Zu 
Hause war mein erster Schritt an das Bücherregal, wo ich mir das schon reichlich 
vergilbte Fischer-Bändchen herausholte. Welche werden fragen, wieso Reinhold 
Schneider dazu kam, gerade den Hohenzollern ein literarisches Denkmal zu setzen, 
wie man so redet. Übernehmen wir ruhig, was das Herder-Lexikon über ihn 
vermerkt: „Schneider geht es um das Problem der Macht, die Erfahrung des 
Tragischen in der Geschichte." Diese Erkenntnis hat Schneider an den drei großen 
Hohenzollernherrschern, dem Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm I. und 
Friedrich II., dargestellt. Mich bewegt am meisten die Gestalt Friedrich 
Wilhelms I., den eine simple Geschichtsbeschreibung als den Soldatenkönig mit 
den langen Kerls abgestempelt hat. Auf den großartigen Roman über ihn - „Der 
Vater" - habe ich bereits hingewiesen. Der Verfasser Jochen Klepper ist auf 
traurige Weise geendet. Ehe seine jüdische Frau und seine Tochter nach Auschwitz 
verschleppt wurden, gingen alle drei in den Tod. Ein ähnliches Schicksal erlitt 
der vor allem als evangelischer Kirchenkomponist bekannte Hugo Distler. 
Übersensibel, wie er war, hatte er eine schreckliche Angst vor dem preußischen 
Kommiß. Um ihn davor zu bewahren, machte ihn der Intendant der Berliner 
Staatsoper, Tietjen, zum Leiter des Staatsund Domchores. Als er dann doch eines 
Tages den Einberufungsbefehl erhielt, schied auch Distler aus dem Leben.
 
 „Könige müssen mehr leiden als andere"
 Es wundert mich gar nicht, warum Sebastian Haffner, wie ich schon einmal 
sagte, mit Friedrich Wilhelm I. im Grunde wenig anzufangen weiß, auch wenn er 
ihn zu den beiden großen preußischen Königen rechnet. „Könige müssen mehr leiden 
können als andere Menschen", der Ausspruch Friedrich Wilhelms ist das Motto von 
Kleppers „Vater"; „in tormentis", „unter Qualen", den Worten begegnen wir auch 
bei Reinhold Schneider. Im übrigen entziehen sich die Bücher Schneiders und 
Haffners jedem Vergleich. Schneider steigt in die Tiefen der menschlichen Seele 
hinab. Haffner, der seinen Instinkt für historische Vorgänge schon an seinen mit 
Recht gerühmten „Anmerkungen zu Hitler" bewiesen hat, liefert uns mitunter 
glänzend zugespitzte Formulierungen, die einen manchmal sogar überrumpeln können 
und darum ein wenig abgeklopft werden müssen. Das alles ist nicht abwertend 
gemeint, zumal ich selbst, wie die Leser schon bemerkt haben, mich ihrer gern 
bediene.Der Erste Weltkrieg, wir sagten es schon, ging verloren. Das Bismarckreich aber 
blieb bestehen, wenn auch durch härteste Friedensbedingungen belastet, 
einschließlich der Gebietsabtretungen, die mit Ausnahme von Elsaß-Lothringen 
sämtlich auf Kosten Preußens erfolgten. Die schmerzlichsten Verluste waren der 
von Westpreußen, wodurch der sog. polnische Korridor zwischen Ostpreußen und dem 
Reich geschaffen wurde, sowie der von Ostoberschlesien. Die Monarchie wurde 
durch eine Republik ersetzt. Die Einsicht Churchills kam zu spät: „Eine weise 
Politik hätte die Weimarer Demokratie gekrönt und gefestigt, indem ein 
konstitutioneller Fürst in der Person eines minderjährigen Enkels unter einem 
Regentschaftsrat eingesetzt worden wäre." Können wir uns Prinz Louis Ferdinand 
als einen solchen Enkel vorstellen? Man sagt, daß Friedrich Ebert gar nicht so 
begeistert war, daß Philipp Scheidemann im November 1918 die Republik ausrief. 
Die Siegermächte, die sie von vornherein gefordert hatten, taten nichts, sie zu 
stützen - im Gegenteil, durch die Bedingungen des Versailler Vertrags war ihr 
Ende fast schon vorprogrammiert, ohne mit dieser Feststellung den Nihilisten 
Hitler zu rechtfertigen. In einer Monarchie wäre auch die infame 
„Dolchstoßlegende" nicht aufgekommen.
 
 Brüning, „ein Preuße ohne Furcht und Tadel"
 Ein deutscher Politiker, den in einer Besprechung seiner Memoiren in 
„Hochland" (Mai/Juni 1971) Albert Mirgeler einen Preußen ohne Furcht und Tadel 
und einen katholischen Preußen nennt, Heinrich Brüning, erklärt in diesen 
Memoiren wörtlich: „Stets betrachtete ich mich als Treuhänder des 
Reichspräsidenten (Hindenburg). Ihn wollte ich als Staatsoberhaupt erhalten mit 
dem Ziel, die friedliche Wiedereinführung der Monarchie vor seinem Ableben zu 
ermöglichen." Wir wissen, daß Brüning schon durch seinen Sturz nicht mehr dazu 
kam, sein Ziel zu verwirklichen - wenn es überhaupt nicht nur ein Wunschtraum 
war. Ob die Arbeiterschaft eine Monarchie der NS-Herrschaft vorgezogen hätte, 
wie Brüning meinte? Niemals, sagt immerhin der Monarchist Schoeps, wäre ein 
totaler Terrorstaat möglich gewesen, wenn die legitime oberste Staatsspitze 
erhalten geblieben wäre, im schlimmsten Fall ein Führer und Reichskanzler des 
Mussolinistils 7).
 Hindenburg verpflichtete sich den Junkern
 Der ostelbische, zum großen Teil adlige Großgrundbesitz erwies sich auch nach 
dem Ersten Weltkrieg trotz aller staatlichen Hilfe vielfach als nicht mehr 
lebensfähig. Als Brüning daran dachte, die am meisten unrentablen Güter 
aufzusiedeln, wurde er von den Junkern beim Reichspräsidenten als 
Agrarbolschewist verleumdet. Die Herren hatten es geschickt angestellt: Auf 
Veranlassung v. Oldenburgs war dem bisher besitzlosen Hindenburg mit Mitteln aus 
Industriekreisen zum 80. Geburtstag das Rittergut Neudeck in Westpreußen 
geschenkt worden. So hatten die Großagrarier Hindenburg zu einem der Ihrigen 
gemacht, und so fanden sie mit ihrer Anklage gegen Brüning bei ihm ein geneigtes 
Ohr. Schlauerweise ließen die Spender von Neudeck das Gut auch gleich für den 
Fall des Todes des alten Reichspräsidenten auf seinen Sohn Oskar überschreiben. 
Dieser revanchierte sich bei ihnen dadurch, daß er in der Folgezeit bei den 
verhängnisvollen Vorgängen, die schließlich zur Machtergreifung Hitlers führten, 
eine besonders schlimme Rolle spielte.Die Beschwerde der Junker gab den letzten Anstoß zu Brünings Entlassung, nachdem 
dieser mit dem ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit Hindenburg zur Wiederwahl 
verholfen hatte. In Bert Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui", der 
natürlich Hitler ist, trat in der Aufführung des Ost-Berliner Brechttheaters eine 
Gestalt auf, die schon in der Maske Hindenburg täuschend ähnlich sah. Neudeck 
wird in dem Stück durch ein Haus am See vertreten. Zu spät erkennt der 
Hindenburg Brechts, was er angerichtet hat, als er - jetzt gebrauche ich das von 
mir an sich verpönte Wort selbst - den Faschisten an die Regierung
 geholfen hat. Von Gewissensbissen geplagt, sagt er immer wieder: „Das Haus am 
See, das hätte ich nicht nehmen dürfen!" Ich gestehe, daß ich einigermaßen 
verwirrt war, als ich das Theater am Schiffbauerdamm verließ, um vom Bahnhof 
Friedrichstraße in mein Quartier in West-Berlin zu fahren. So sympathisch wie 
der Hindenburg Brechts ist mir der wirkliche Reichspräsident Hindenburg nie 
gewesen, der als 85jähriger schließlich dem Drängen der Papen, Hugenberg und 
seines Sohnes nachgab und Hitler, den er zunächst als „böhmischen Gefreiten" 
hartnäckig abgelehnt hatte, zur Macht kommen ließ.
 
 Der Brüderstreit um den Brüningplan
 Ich denke noch daran, wie wir an einem späten Augustabend, es muß im Jahr 
1931 gewesen sein, mit dem Fuhrwerk vom Rochusfest in Neukirchhöhe nach 
Heinrichsdorf gefahren sind. Die Baumwipfel auf beiden Seiten des schmalen 
Landweges berührten einander fast, so daß wir nur einen schmalen Ausschnitt des 
Sternenhimmels zu sehen bekamen. Meine Aufmerksamkeit galt zunächst den 
zahllosen Glühwürmchen, die im Gebüsch flimmerten. Auch dachte ich daran, daß 
wir irgendwo zwischen Birkau und Dittersdorf nicht nur über die Kreisgrenze von 
Elbing und Braunsberg fuhren, sondern auch über die Grenze zwischen der alten 
Provinz Westpreußen und Ostpreußen. Dann aber mußte ich ein Streitgespräch 
anhören, das zwischen meinem Vater und seinem ältesten Bruder, Josef, Besitzer 
in Heinrichsdorf, in Gang gekommen war. (Bauern gab es bei uns nur im 
Ermländischen Bauernverein und in der NS-Zeit.) Worum ging es? Mein Vater, 
Lehrer in Braunsberg, meinte, es müsse möglich sein, wie es sich Brüning dachte, 
Arbeitslose aus dem Ruhrgebiet, die selbst oder deren Väter und Vorfahren aus 
dem Osten ins Revier abgewandert waren, zur Besiedlung der aufgelassenen Güter 
in ihrer angestammten Heimat zu bewegen. Onkel Josef widersprach ihm heftig. Er 
meinte, daß die Menschen, die vom Land in die Stadt gezogen seien, für die 
Landarbeit verloren seien, auch wenn sie m der Stadt in kümmerlichsten 
Verhältnissen leben müßten. Vor allem bezweifelte Onkel Josef, daß die 
Rücksiedler in der Lage sein würden, eine Wirtschaft zu führen, wenn sie vorher 
eine solche nicht besessen hätten. Der Streit der Brüder endete unentschieden: 
Brünings Entlassung ließ seine Absicht erst gar nicht zu den ersten Planungen 
kommen.Der Triumph, den die Junker feierten, als Brüning gestürzt war, ist längst einem 
Katzenjammer gewichen. Sie haben erleben müssen, daß statt des angeblichen 
Agrarbolschewisten ihr Land jetzt unter der Herrschaft der wirklichen 
Bolschewisten und ihrer Satelliten geraten ist und sie ihre Rittergüter, die sie 
den geänderten Verhältnissen anzupassen oder, wenn sie sie nicht mehr halten 
konnten, aufzugeben sich mit Händen und Füßen sträubten, verloren haben. Da 
nutzt es auch nichts mehr, wenn Schoeps darauf hinweist, daß Churchill und mit 
ihm andere Staatsmänner erst viel später erkannt hätten, daß als die schlimmste 
Folge des Zweiten Weltkrieges mit der Zerschlagung Preußens und der Verdrängung 
aus seinen östlichen Grenzpositionen ein Platz auf der Landkarte leer geworden 
sei. Was natürlich aus der westlichen Sicht zu verstehen ist. Hatte Adenauer 
nicht ähnliches gemeint, als er es als den größten Fehler der englischen Politik 
bezeichnete, Preußen die „Wacht am Rhein" aufgedrängt zu haben, statt daß es, 
wie wir aus Adenauers Feststellung folgern dürfen, die „Wacht im Osten" als 
historische Aufgabe hatte? Wir werden uns dieser Frage erinnern, wenn wir den 
letzten Satz dieses Ganges durch die preußische Geschichte lesen.
 
 Bismarcks „Reichsfeinde" regieren Preußen
 Kehren wir zu den Vorgängen nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Preußen war 
zunächst bereit, in einem Deutschen Reich aufzugehen. Als aber die süddeutschen 
Staaten einen solchen Einheitsstaat ablehnten, zeigte sich auch Preußen bockig 
und war nicht willens, sich in mehrere Bundesstaaten aufzulösen, wie es z. B. 
Adenauer mit dem Rheinland beabsichtigte. Adenauer war gewiß kein Separatist, 
wie Böswillige ihm nachsagen, d. h., er strebte keine Loslösung des Rheinlandes 
von Deutschland an, sondern er wollte es zu einem eigenen Bundesstaat machen, 
wie es Bayern, Württemberg usw. auch waren. Die Preußen aber wollten, nachdem es 
mit dem Einheitsstaat nichts wurde, sich nicht in Rheinländer, Westfalen, 
Niedersachsen und Ostelbier ausdividieren lassen, wie es Haffner ausdrückt. So 
hätten Sozialdemokraten, Zentrumsleute und Liberale „halb trotzig, halb 
widerwillig das Erbe der preußischen Könige angetreten", und sie haben es, wenn 
man die Umstände bedenkt, nicht schlecht verwaltet. Übrigens behielten in der 
Weimarer Republik nur das Zentrum und die SPD ihre Namen bei, die Fortschrittler 
nannten sich Deutsche Demokratische Partei (zuletzt Staatspartei), die 
Nationalliberalen Deutsche Volkspartei, die Konservativen Deutschnationale 
Volkspartei.Nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine fast hektisch zu nennende politische 
Aktivität in der Bevölkerung ein. Unsere Eltern gingen immer wieder zu 
politischen Versammlungen, vor allem natürlich zu denen des Zentrums. In diesen 
wurde besonders gegen die gottlose Sozialdemokratie gewettert. So wirkte es auf 
viele brave Zentrumsleute wie ein Schock, als nach den Wahlen das Zentrum eine 
Koalition mit den Sozialdemokraten einging. Diesem Bündnis in den oberen 
Regionen entsprach keinesfalls das Verhältnis „an der Basis", wie man heute 
sagt. Wenn ein Freund neulich meinte, man müsse schon für die damalige Zeit 
zwischen Sozialdemokraten und Sozialisten unterscheiden, so kann ich ihm nicht 
zustimmen. Bestätigt werde ich in meiner Meinung durch die Erinnerungen des 
früheren ostpreußischen Ministerpräsidenten Otto Braun, eines SPD-Mannes aus 
Königsberg („Von Weimar zu Hitler", New York 1940), der die Begriffe 
sozialdemokratisch und sozialistisch als gleichwertig nebeneinander gebraucht. 
Sooft der großmächtige Erzpriester von Braunsberg Aloys Schulz von der Kanzel 
gegen den Sozialismus donnerte, zu dem sich das Christentum wie Feuer und Wasser 
verhalte, meinte er gewiß die Sozialdemokratie, die direkt beim Namen zu nennen 
ihn möglicherweise der immer noch gültige Kanzelparagraph hinderte (er wurde 
erst 1953 aufgehoben). Und ins Katholische Vereinshaus in Braunsberg kamen die 
Sozialdemokraten auch nach 1918 mit ihren Versammlungen nicht hinein, wohl aber 
die Deutschnationalen; obwohl diese in Preußen ständig und im Reich meistens in 
Opposition zum politischen Katholizismus in Gestalt der Zentrumspartei standen. 
Sie waren eben eine bürgerliche Partei.
 
 Dr. Candidus Barzel wurde niedergeschrien
 Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Versammlung des Deutschnationalen 
Katholikenausschusses 1924 im Katholischen Vereinshaus, schon weil bei dieser 
mehrere unserer alten Lehrer in Erscheinung traten: Studienrat Ernst Krause auf 
deutschnationaler Seite, die Studienräte Franz Buchholz, Dr. Ernst Hohmann und 
Dr. Candidus Barzel auf der des Zentrums. Es ging bei dieser Versammlung für 
unsere Verhältnisse recht turbulent zu. Als Redner hatte man aus Köln Professor 
Martin Spahn geholt. Er war in Marienburg geboren worden, weil sein Vater, Peter 
Spahn, zu der Zeit dort Amtsrichter war. Als solcher hatte er von 1884 bis 1890 
den Wahlkreis Braunsberg-Heilsberg als Zentrumsabgeordneter im Reichstag 
vertreten. Er wäre gern in Altpreußen geblieben, aber seine Frau zog es zurück 
in den Westen, und so mußte er mitziehen. Seit 1869 im Justizdienst stehend, 
wurde der bedeutende Jurist Peter Spahn 1898 Reichsgerichtsrat in Leipzig und 
1905 Oberlandesgerichtspräsident in Kiel. Was damals großes Aufsehen erregte, 
war Schleswig-Holstein doch fast ausschließlich evangelisch. Die preußische 
Regierung, die sich die ständigen berechtigten Klagen über die Zurücksetzung der 
Katholiken besonders in den höheren Ämtern anhören mußte, wollte jetzt wohl 
zeigen, daß es auch andersrum ging. Peter Spahn machte ihr das insofern 
leichter, als er auf dem bürgerlich-konservativen Flügel des Zentrums stand. 
1917 bis 1918 war er, der von 1891 bis 1896 entscheidend an den Arbeiten für das 
Bürgerliche Gesetzbuch beteiligt war, sogar königlich-preußischer 
Justizminister, nachdem er von 1912 bis 1917 Fraktionsvorsitzender der 
Zentrumspartei im Reichstag gewesen war.Sein Sohn Martin wurde mit 26 Jahren vom Kaiser zum Professor der Geschichte in 
Straßburg ernannt, nach dem Verlust des Elsasses wirkte er in Köln. Nachdem er 
noch von 1910 bis 1912 im Reichstag das Zentrum vertreten hatte, trat er nach 
dem Krieg zu den Deutschnationalen über und schloß sich nach 1933 der NSDAP an. 
Seine Angriffe in der genannten Versammlung richteten sich natürlich vor allem 
gegen das Zentrum. Als in der Diskussion Dr. Candidus Barzel, der Vater Rainer 
Barzels, die Frage stellte, ob es besonders geschmackvoll sei, wenn der Redner 
gegen das Zentrum in dem Wahlkreis agiere, der seinen Vater als Abgeordneten 
dieser Partei in den Reichstag geschickt habe, wurde er niedergeschrien und 
mußte das Rednerpult verlassen. Vorsitzender des Deutschnationalen 
Katholikenausschusses im ganzen Reich war der Vorgänger Konrad Adenauers als 
Oberbürgermeister von Köln, Max Wallraf, der 1917 Staatssekretär im Reichsamt 
des Inneren wurde. Adenauer selbst war übrigens der Sohn eines aktiven 
preußischen Unteroffiziers, der nach der Schlacht bei Königgrätz wegen 
besonderer Tapferkeit vor dem Feind zum Leutnant befördert wurde, was eine ganz 
große Ausnahme war. Nach seiner Verabschiedung aus dem Militärdienst brachte 
Adenauers Vater es im Justizdienst zum obersten Verwaltungsbeamten des Kölner 
Appellationsgerichts. Jetzt sage ich eine kleine Ketzerei: Ich habe in der 
straffen Haltung Konrad Adenauers, der alles andere als ein Preußenfreund sein 
wollte, und an so manchem in seiner Art oft ein väterliches Erbteil 
festzustellen gemeint. Eine hübsche Bemerkung aus den Erinnerungen des früheren 
Kölner Generalintendanten Oskar Fritz Schuh sei bei dieser Gelegenheit noch ganz 
nebenbei zitiert. Schuh kommt natürlich auch auf den Kölner Karneval zu 
sprechen, und dazu entfährt ihm der Satz: „In der Prinzengarde steckt 
Preußengeist." Da komme noch einer und sage, die Rheinländer und speziell die 
Kölner wollten nichts von den Preußen wissen!
 
 „Braun und Severing waren Männer!"
 Ob die ehemaligen „Reichsfeinde" gern oder ungern die Aufgabe übernahmen, die 
preußische Regierung zu stellen - man muß es ihnen lassen, sie haben, wie schon 
gesagt, Preußen bis zum bitteren Ende von 1932 gar nicht schlecht regiert. 
Ministerpräsident war die meiste Zeit Otto Braun, ein geborener Königsberger, 
von Beruf Buch- und Steindrucker, Innenminister viele Jahre der Westfale Karl 
Severing. Braun wurde der rote Zar von Preußen genannt. Jedenfalls war Preußen 
gegenüber dem Reich, wo die Regierungen ständig wechselten, gewissermaßen der 
ruhende Pol. „Der Braun und der Severing, das waren Männer!" pflegte mit 
blitzenden Augen Franz Pingel, Propst von Marienburg und langjähriger 
Abgeordneter des Zentrums im Preußischen Landtag, zu sagen, wenn wir ihn in 
seiner letzten Zuflucht auf Erden, im Pfarrhaus von St. Karl Borromäus in Köln, 
besuchten. Wegen seines Eintretens für die Koalition mit den Sozialdemokraten 
hieß Pingel der „rote Propst". Der erste preußische Ministerpräsident nach dem 
Krieg, der Sozialdemokrat Paul Hirsch, hatte noch am 29. März 1919 gesagt: „Aus 
dem alten Preußen wollen wir in die Zukunft das hinübernehmen, was gut an ihm 
war: den schlichten Geist echter Pflichterfüllung und den Geist nüchterner 
Sachlichkeit. Durch eine schwere Zeit muß unser Land hindurch. Das neue Preußen 
wird sich genau wie das alte großhungern müssen." Und am 5. September 1922 
erließ der Innenminister Severing eine Verfügung zur Bekämpfung des Schlemmens 
in Gasthäusern, Dielen, Bars usw. Sie mutet uns heute angesichts der wilden 
„goldenen 20er" garadezu rührend an.
 Der Ermländer siegte über den Parteimann
 Daß in der Personalpolitik durch die Koalition zwischen Zentrum und 
Sozialdemokraten die Katholiken stärker berücksichtigt wurden, deuteten wir 
schon an. 1929 kam das Konkordat zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl 
zustande, der in Berlin durch den Nuntius Eugenio Pacelli, den späteren Papst 
Pius XII., vertreten wurde. Im kirchentreuen Ermland wurde das Konkordat 
freilich nicht mit ganz ungeteiltem Beifall aufgenommen. So mußte das Domkapitel 
zwei Stellen an das neugegründete Bistum Berlin abgeben. Vor allem verlor die 
ermländische Diözese ihre seit 400 Jahren bestehende Exemtion, d. h. ihre 
unmittelbare Unterstellung unter den Heiligen Stuhl. Sie wurde der 
neugegründeten Kirchenprovinz Breslau zugeteilt. In einem Artikel in der 
Ermländischen Zeitung beklagte sich Otto Miller, wenn ich mich nicht sehr irre, 
besonders auch darüber, daß man Bischof Augustinus Bludau über die das Ermland 
betreffenden Maßnahmen bei der Vorbereitung des Konkordats im unklaren gelassen 
habe. Die Nuntiatur antwortete auf Millers Beschwerde mit einer geharnischten 
Gegenerklärung in der Berliner katholischen Zeitung „Germania", die Otto Miller 
mit der ihm eigenen Gelassenheit hingenommen hat.Bei der Abstimmung über das Konkordat im Preußischen Landtag stimmten die 
Deutschnationalen dagegen - mit einer Ausnahme: Der Bauer Goldau aus Schönwiese 
bei Guttstadt entschied sich für das Konkordat. Der Ermländer in ihm war stärker 
als der Parteimann. Goldau wurde aus der Deutschnationalen Volkspartei 
ausgeschlossen und legte sein Landtagsmandat nieder. In der Weimarer Zeit kam es 
allen Bemühungen Pacellis zum Trotz zu keinem Reichskonkordat, erst unter Hitler 
. . .
 Auf kulturpolitischem Gebiet ist die Berufung des Königsbergers Leopold Jessner, 
der bis dahin Intendant des Neuen Schauspielhauses in seiner Vaterstadt war, zum 
Intendanten des Staatlichen Schauspielhauses am Berliner Gendarmenmarkt zu 
erwähnen. Nach dem Urteil des Dichters Carl Zuckmayer machte Jessner aus dem 
verstaubten Hoftheater in einem einzigen Jahr die bedeutendste Bühne im 
deutschen Sprachbereich. Der Berliner Universitätsprofessor Dr. Carl Heinrich 
Becker ersetzte als Kultusminister die Lehrerseminare durch die pädagogischen 
Akademien.
 
 Papens Staatsstreich von 1932
 Das Ende des preußischen „Musterstaates" war freilich alles andere als 
ruhmvoll. Immer mehr erwies sich das Nebeneinander der Reichsregierung und der 
Regierung von Preußen, das weit größer war als alle übrigen Bundesländer 
zusammen, als wenig glücklich. In der kaiserlichen Zeit waren beide durch die 
Personalunion zwischen dem Reichskanzler und dem preußischen Ministerpräsidenten 
verzahnt. So regte Otto Braun im August 1931 eine ähnliche Zusammenfassung der 
beiden Regierungen an, wobei er dem Reichskanzler Brüning den Vortritt lassen 
wollte. Aber es wurde nichts daraus. Braun blieb nur deshalb im Amt, weil sich 
auch in Preußen durch das Anwachsen der radikalen Flügelparteien eine Regierung 
mit parlamentarischer Mehrheit als unmöglich erwies. Am 4. Juni 1932 ging Braun 
erschöpft und kränkelnd mit der Absicht, nicht mehr in sein Amt zurückzukehren, 
in Urlaub, zunächst in sein Dreizimmerhäuschen in Zehlendorf. Sein 
Stellvertreter war der Wohlfahrtsminister Hirtsiefer vom Zentrum. Der 
Innenminister Severing erwies sich ohne die Rückendeckung Brauns als weitgehend 
hilflos. Jedenfalls zeigten sich die von unserem lieben Propst Pingel als Männer 
gerühmten Braun und Severing im entscheidenden Augenblick eigentlich wenig 
mannhaft. So konnte der Reichskanzler von Papen, der inzwischen Brüning abgelöst 
hatte, am 20. Juli 1932 sich vom Reichspräsidenten von Hindenburg als 
Reichskommissar für das Land Preußen bestellen lassen und als solcher Braun und 
Severing ihrer Ämter entheben. Der ganze Vorgang ist als "Papenschlag" oder 
„Preußenschlag" in die Geschichte eingegangen. Wie sollte die preußische 
Regierung darauf reagieren? Der Ministerialdirektor im preußischen 
Innenministerium Klausener hat später über den 20. Juli 1932 gesagt, die 
Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn Preußen die gesamte Polizei in die 
höchste Alarmstufe versetzt hätte und Severing zwei schwerbewaffnete 
Hundertschaften der Polizei hätte aufmarschieren lassen und in Begleitung 
mehrerer Polizeioffziere sich zur Kabinettssitzung, in der der „Preußenschlag" 
verkündet wurde, begeben hätte mit der Frage: „Was wollen Sie, Herr von Papen?" 
Diese Äußerung klingt sehr kühn, aber angesichts der schon unsicheren 
Einstellung der Polizei, besonders ihrer Offiziere, und vor allem der Haltung 
der Reichswehr auch recht problematisch. Schon am 12. Juli hatte die 
Reichsregierung beschlossen, daß für den Fall, daß Widerstand zu erwarten sei, 
über Berlin und Umgebung der militärische Ausnahmezustand zu verhängen sei. 
Tatsächlich wurde der Beschluß am 20. Juli in Kraft gesetzt, als Severing doch 
erklärte, er werde nur „der Gewalt weichen". Die spätere Rechtfertigung Brauns 
und Severings, sie hätten durch ihr Verhalten den Bürgerkrieg vermeiden wollen, 
wird man nicht so ohne weiteres vom Tisch wischen können, sosehr man ihnen einen 
besseren Abgang gegönnt hätte. Die Dienstgeschäfte des Ministerpräsidenten 
übernahm von Papen selbst, die Leitung des preußischen Innenministeriums 
übertrug er dem Essener Oberbürgermeister Bracht. Dieser wurde der 
Zwickel-Bracht genannt, weil er verfügte, daß die Badehosen mit einem Zwickel 
versehen sein müßten. Hagen Schulze nennt in seiner Biographie Otto Brauns, die 
für die Geschichte der Weimarer Zeit überhaupt wertvoll ist, das Vorgehen von 
Papens einen Staatsstreich.
 Konrad Adenauer machte nicht mit
 Otto Braun, der sich inzwischen wieder eingeschaltet hatte, ging vor den 
Staatsgerichtshof. Von den süddeutschen Staaten, die ohnehin nicht bereit waren, 
mit einer zu scharfen Reaktion den Bruch mit von Papen zu riskieren, schloß sich 
Bayern zwar der Klage Brauns an, vergaß aber nicht zu betonen, daß sich Preußen 
in der Vergangenheit immer als schärfster Gegner Bayerns erwiesen habe. Das 
Ergebnis der Klage Brauns: „Brecht hat das Recht, Bracht hat die Macht!" So hieß 
es im Volk nach dem Urteil. Brecht war der Prozeßbevollmächtigte Brauns, Konrad 
Adenauer, Präsident des Staatsrats, der Vertretung der preußischen Provinzen, 
bemühte sich vergeblich um einen Vergleich. Später, schon nach der Ernennung 
Hitlers zum Reichskanzler, erhob das preußische Staatsministerium eine Klage 
gegen die Notverordnung, die die Auflösung des Preußischen Landtags zum Ziel 
hatte. Bemerkenswerterweise wollte Adenauer in dieser Klage nicht mit aufgeführt 
werden, weil „das Ministerium Braun sich in seiner ganzen Amtszeit gegenüber dem 
Staatsrat doch so unfreundlich benommen hat, daß ich es nicht für angemessen 
halte, als Präsident des Staatsrats ihm besondere Hilfestellung zu leiten". Was 
Adenauer auch nicht vor seiner Entlassung als Oberbürgermeister von Köln durch 
Göring rettete. Am 25. März 1933 teilte der Amtliche Preußische Pressedienst den 
endgültigen Amtsverzicht der preußischen Minister der Öffentlichkeit mit, wo die 
Meldung „auf mildes Erstaunen stieß, daß es das Kabinett Braun bis jetzt noch 
gegeben habe".Am 11. April 1933 wurde Hermann Göring zum Preußischen Ministerpräsidenten und 
Innenminister ernannt. Er gab den Anstoß zur Gründung der Geheimen 
Staatspolizei, Gestapo genannt, deren Leitung er später an Himmler und Heydrich 
abtrat. Wahrscheinlich im Verein mit diesen Komplizen stellte er eine Liste für 
den Fall auf, daß, wenn Hitler gegen die SA#Führer vorgehe, gleichzeitig in 
Berlin unter den Parteigegnern aufgeräumt werden sollte. Was denn auch geschehen 
ist.
 
 Göring ließ Erich Klausener ermorden
 Am 30. Juni 1934 und in den folgenden Tagen wurden gelegentlich des 
sogenannten Röhmputsches in Berlin u. a. die beiden Generale von Schleicher und 
von Bredow ermordet sowie die engsten Mitarbeiter von Papens, von Bose und Edgar 
Jung, der für seinen Herrn eine bemerkenswert mutige Rede über die Mißstände des 
NS-Regimes ausgearbeitet hatte, die von Papen dann vor den Marburger Studenten 
hielt. Ein Opfer des Berliner Massakers wurde auch der schon genannte 
Ministerialdirektor Erich Klausener, der in seinem Amtszimmer im Berliner 
Ministerium ermordet wurde. Klausener hatte sich als sehr rühriger Vorsitzender 
der Katholischen Aktion bei der Partei höchst unbeliebt gemacht. Noch am 24. 
Juni 1934 hatte er in der Rennbahn von Berlin-Hoppegarten 60 000 Gläubige zum 
42. Berliner Katholikentag versammelt und bewegende Schlußworte an sie 
gerichtet. Da man die Reaktion nicht nur unter den Berliner Katholiken 
fürchtete, gab man vor, daß Klausener Selbstmord begangen habe. Dem 
stellvertretenden US-Hauptankläger bei den Nürnberger Prozessen, R. M. W. 
Kempner, der bis 1933 unter Klausener als Oberregierungsrat im Preußischen 
Innenministerium tätig gewesen war, hat Göring nach einigen Ausflüchten 
gestanden, daß er persönlich für die Ermordung Klauseners verantwortlich gewesen 
sei.In der Folgezeit hatte Göring als Preußischer Ministerpräsident und Minister des 
Innern sowie als Reichsstatthalter von Preußen wenig mehr zu bedeuten. Der 
„Reichsmarschall", zweiter Mann an der Seite Hitlers, bis ihn Ende des Krieges 
Bormann verdrängte, war aber ein Meister der Korruption und führte auf Schloß 
Karinhall ein verschwenderisches Leben. Die eigentliche Macht lag bei den 
Gauleitern, deren Gaue sich im Osten in den meisten Fällen mit den 
Provinzgrenzen deckten, so daß die Gauleiter zugleich Oberpräsidenten waren. Als 
solche unterstanden sie wohl Göring, aber wer sprach schon in Ostpreußen vom 
Oberpräsidenten Koch? Die Rede war nur vom Gauleiter, der im übrigen aus 
Wuppertal stammte und sich mit Hilfe der Erich-Koch-Stiftung schamlos 
bereicherte. Hitler, der seinen Gauleitern eine fast sentimentale Zuneigung 
bewahrte, nannte sie „Gau-Könige", „die nur die ganz großen Weisungen von oben 
erhalten", und zwar durch Bormann. Allerdings sollte ihr Amt nicht erheblich 
werden!
 
 Maximilian Kaller Erzbischof von Köln?
 Ein Mitspracherecht stand Göring in seiner Eigenschaft als preußischer 
Ministerpräsident in kirchenpolitischen Fragen zu. So berichtet Ulrich von Hehl 
in seinem Buch „Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln 1933 
bis 1945" (Mainz 1977), daß nach der Wahl von Joseph Frings durch das Domkapitel 
am B. März 1942 das Regierungspräsidium, das Reichsicherheitshauptamt (seine 
wichtigste Untergliederung war die Gestapo), das Reichskirchenministerium sowie 
der Ministerpräsident mit der Anfrage befaßt wurden, ob staatlicherseits gegen 
den Erwählten Bedenken erhoben würden. Solche äußerte allein Göring, die sich 
aber weniger gegen die Person von Frings richteten als gegen die angeblichen 
staatsfeindlichen Umtriebe in dem von ihm als Regens geleiteten Bensberger 
Priesterseminar. Am 17. April erging dann doch das staatliche Einverständnis mit 
der Wahl von Frings an das Domkapitel. Frings soll der achte Kandidat für den 
durch den Tod von Kardinal Schulte verwaisten Kölner Erzbischofsstuhl gewesen 
sein. Die sieben von Frings diskutierten Kandidaten scheiterten entweder an dem 
Einspruch des Staates bzw. der NSDAP oder der Kirche. Offiziell wurden die Namen 
der Kandidaten nicht bekanntgegeben, aber sie sickerten durch verschiedene 
Kanäle durch, von denen einer die Gestapo war. Als erste Kandidaten glaubte man 
den Bischof von Berlin, Graf von Preysing, und den Bischof von Ermland, 
Maximilian Kaller, nennen zu können. Daß beide den Nationalsozialisten am 
wenigsten genehm waren, läßt auch aus einer von seinem Mitarbeiter Walter Adolph 
am 4. Februar 1938 aufgezeichneten Bemerkung von Preysings erkennen: „Klar sähen 
nur noch Kaller und er." Dennoch scheint von Preysing mit seiner Versetzung nach 
Köln gerechnet zu haben. Und Maximilian Kaller? Bischof Wienken, der Kontakte zu 
Regierungs- und Parteistellen besaß, hatte schon 1937 oder Anfang 1938 auf dem 
Geheimen Staatspolizeiamt erfahren, daß Kaller noch vor Graf Galen der 
bestgehaßte Bischof sei.
 „Königlich-Preußischer Generalmusikdirektor"
 Zuständig war Göring als preußischer Ministerpräsident noch für die 
Preußischen Staatstheater, die er dem Zugriff des eigentlichen Theaterministers, 
seines Intimfeindes Goebbels, entzog wir dürfen sagen, nicht zu ihrem Schaden. 
Göring führte sich auf wie ein Pascha, und als solcher brauchte er zu seiner 
Selbstdarstellung „das beste Theater der Welt". Den Generalintendanten Heinz 
Tietjen, einen hervorragenden Theatermann, der vor allem für die Staatsoper 
zuständig war, ließ er in seinem Amt. In den folgenden Jahren soll Goebbels 
elfmal vergeblich versucht haben, Tietjen zu stürzen. Das Staatliche 
Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt war nach der Machtergreifung durch die 
Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 zunächst zwei alten Parteigenossen 
ausgeliefert worden. Als diese beiden nicht das Theater machten, wie er es sich 
vorstellte, jagte Göring sie zum Tempel hinaus. Auf den Rat von Tietjen berief 
er zum allgemeinen Erstaunen einen Mann, der nun wirklich alles andere als ein 
typischer Nationalsozialist war: den 34jährigen Gustaf Gründgens. Dieser folgte 
in seiner Tätigkeit als Intendant des Schauspielhauses den Spuren des in 
Königsberg geborenen Leopold Jessner und übernahm von diesem auch das großartige 
Ensemble mit dem genialen Regisseur Jürgen Fehling. Goebbels schäumte vor Wut. 
Gründgens war davon überzeugt, daß dieser ihn sofort ins KZ steckte, wenn er nur 
an ihn herankam. Aber Göring hielt seine schützende Hand über ihn. Mit Hilfe von 
Görings Frau, der früheren Schauspielerin Emmy Sonnemann, und der bei Göring gut 
angeschriebenen Schauspielerin Käthe Dorsch gelang es Gründgens, eine Anzahl von 
Schauspielern, die jüdische Frauen hatten, am Staatstheater zu halten, ohne daß 
sie sich von ihren Frauen trennen mußten. Man hat Gründgens vorgeworfen, er habe 
durch sein künstlerisches Genie nicht nur seinem eigenen Ruhm, sondern auch dem 
des Nationalsozialismus genutzt. Sein ehemaliger Schwager Klaus Mann tut dies z. 
B. in seinem Schlüsselroman „Mephisto", der als Theaterstück auch auf unseren 
Bühnen aufgetaucht ist. Wir Theaterfreunde, die wir in den „tausend Jahren" 
nicht emigrieren konnten, waren glücklich, daß Gründgens bei uns geblieben war. 
Wenn ich in den herrlichen Schinkelbau am Gendarmenmarkt ging, hatte ich das 
Gefühl, ich beträte eine Oase der geistigen Freiheit. Heute gehe ich nur noch 
mit einem Gefühl der Angst in ein Theater, weil ich befürchten muß, daß mir 
entweder ein Klassikermord oder ein Tendenzstück oder auch beides zusammen 
zugemutet wird.An der Berliner Staatsoper dirigierte bis 1937 der Volljude Leo Blech. Als er 
nach dem Krieg über Riga und Stockholm nach Berlin zurückgekehrt war, stand in 
der Todesanzeige unter seinem Namen: „Königlich-Preußischer 
Generalmusikdirektor."
 
 Träger alter preußischer Namen
 Die Feststellung, daß die Generale gern aus Hitlers Hand den Marschallstab 
entgegennahmen (vgl. oben, Seite 53), ist dahingehend zu ergänzen, daß einer von 
ihnen, Erwin von Witzleben, der von den Widerstandskämpfern als Oberbefehlshaber 
der Wehrmacht vorgesehen war, nach dem mißglückten Attentat auf Hitler am 20. 
Juli 1944 vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und hingerichtet wurde. Die 
Feldmarschälle Erwin Rommel und Günther von Kluge verübten Selbstmord, um dem 
Bluthund Freisler zu entgehen. Bemerkenswert gerade im Hinblick auf die soeben 
getroffene Feststellung ist die Äußerung über von Kluge (Publikation „20. Juli 
1944" der Bundeszentrale für Heimatdienst Bonn): „Er lehnte Hitler ab, fühlte 
sich aber doch immer wieder an ihn gebunden - vielleicht sprach das 
verpflichtende Gefühl mit, das ihm aus der Annahme besonderer Ehrungen aus der 
Hand Hitlers erwuchs." Solche Gründe werden andere für Hitlers Gegner gehaltene 
Feldmarschälle bewogen haben, sich nicht am aktiven Widerstand gegen den 
„Führer" zu beteiligen. Wenn dem so ist, wäre es ein Beweis für Hitlers 
gerissene Taktik im Umgang mit Menschen, die er brauchte. Unter den 
Widerstandskämpfern, die nach dem 20. Juli 1944 gleichfalls vom Volksgerichtshof 
zum Tod verurteilt und hingerichtet wurden, finden sich Träger alter preußischer 
Namen wie Dohna, Lehndorff, Kleist, Schulenburg, Moltke, Schwerin, York von 
Wartenburg. Doch ging es ihnen nicht mehr um Preußen, sondern, wie der Bayer 
Graf von Stauffenberg - man sagt, er sei ein Nachkomme Gneisenaus gewesen - kurz 
bevor ihn wegen seines Anschlages auf Hitler die tödliche Salve traf, ausrief, 
um das „heilige Deutschland". Eines dürfen wir nicht vergessen: Wäre das 
Attentat geglückt, wäre unweigerlich eine zweite Dolchstoßlegende aufgekommen. 
Denken wir nur an das viele Geschwätz von den Wunderwaffen, die der Führer noch 
als letzte Reserve besitze und die er im Fall eines gelungenen Attentats nicht 
mehr habe einsetzen können. Er hat sie auch so nicht eingesetzt - weil er sie 
nicht hatte.War nach dem Ersten Weltkrieg das Deutsche Reich und mit ihm Preußen am Leben 
gelassen worden, so gibt es heute kein Deutsches Reich und kein Preußen mehr. 
Letzteres war, wie wir sahen, in der NS-Zeit ohnehin fast schon zur Attrappe 
geworden, nachdem Hitler noch einmal durch die makabre Beschwörung des Geistes 
von Potsdam mit dem Komödienspiel in der Garnisonskirche den alten 
Reichspräsidenten von Hindenburg, der von ihm die Wiederherstellung der 
Monarchie erwartete, eingelullt hatte. Wieder ist die Elbe zur Scheidelinie 
geworden, wie nach dem Frieden von Tilsit 1807. Blieb damals das alte preußische 
Gebiet östlich der Elbe dem Königreich erhalten, so ist gerade dieses jetzt für 
die freie Welt verloren. Was die Sowjets und Polen nicht für sich beanspruchten, 
wurde der Kern der moskauhörigen „Deutschen Demokratischen Republik", aus der 
als eine Insel der Freiheit Westberlin herausragt. Das Neupreußen westlich der 
Elbe und der Werra wurde auf die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, 
Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz verteilt. Mit Bayern, 
Baden-Württemberg, Hamburg und Bremen bilden diese Länder, zu denen dann 1957 
das Saarland trat, die Bundesrepublik Deutschland.
 
 Der Arbeitssohn und der Graf
 Bewegend ist der Briefwechsel, der nach der Katastrophe zwischen zwei 
standes- und wesensverschiedenen Menschen zustande gekommen ist. Was sie einte, 
war die Liebe zur gemeinsamen ostpreußischen Heimat. Der eine der Briefschreiber 
war der frühere Ministerpräsident Otto Braun, der seit März 1933 im 
schweizerischen Ascona lebte. Während viele seiner Genossen unter „dem Zwiespalt 
zwischen der evolutionären sozialistischen Ideologie der Partei und dem 
unüberwindbaren Kompromißcharakter des liberalen Parteistaates litten" (H. 
Schulze), hatte Braun solche Komplexe nicht. Er sei davon überzeugt gewesen, 
schreibt Schulze weiter, daß sein Rezept für die Arbeiterklasse ebenso wie für 
das Volksganze richtig gewesen sei: „ein demokratisch-parlamentarischer Staat 
auf strikt rechtlichen Grundlagen, bestimmt, das demokratische Bürgertum und die 
sozialdemokratische Arbeiterschaft, den politischen Katholizismus und die 
kirchlich nicht gebundene Linke für die Dauer zusammenzuführen." Schulze zitiert 
dazu den schon genannten Historiker Golo Mann, Sohn von Thomas Mann, vor allem 
durch seine „Wallenstein"-Biographie bekannt geworden. „Vielleicht ist nie seit 
dem Freiherrn von Stein den Deutschen ein anständigerer Begriff politischen 
Zusammenlebens angeboten worden." Da hat unser Propst Pingel mit seinem Lob für 
Braun doch so unrecht nicht gehabt. Der Briefpartner Brauns war der frühere 
Reichsernährungsminister Graf Kanitz, den älteren Ermländern zumindest dem Namen 
nach bekannt. Er war keiner von den reaktionären Junkern, was sein Übertritt von 
den Deutschnationalen zur liberalen Deutschen Volkspartei beweist. Wir sind ihm 
bereits in dem Beitrag „In schwerer Zeit bewährt" (UEH 24,4) als 
Entlastungszeugen für den von den Nationalsozialisten entlassenen Landrat von 
Pr. Holland, Dr. Robert-Tornow, begegnet. Seit Rittergut Podangen lag im Pr. 
Holländer Kreis an der ermländischen Grenze in der Nähe von Wormditt. Graf 
Kanitz schüttete dem Königsberger Arbeitersohn sein „schmerzerfülltes 
Preußenherz hemmungslos aus", und Braun redete ihm gut zu. Es handele sich zur 
Zeit, schrieb er Kanitz, darum, ob man ein geschichtliches Faktum anerkennen 
oder weiter seinen Wünschen nachhängen wolle. „Tatsache ist, daß die 
Siegermächte unter Ausnutzung des in der ganzen Welt grassierenden 
Preußenkollers Preußen als Staatsbegriff z. Z. von der Landkarte ausgestrichen 
haben. Die Frage, ob es gerechtfertigt war, ob es klug und politisch weitsichtig 
war, spielt z. Z. keine Rolle." Wir haben früher auf die zu späten Einsichten 
Churchills und anderer westlicher Staatsmänner hingewiesen. Braun fährt fort: 
Man könne nur für eine gerechte historische Beurteilung Preußens werben. Aber 
auch dafür sei die politische Atmosphäre noch zu vergiftet, „da alles Unheil, 
das die Naziverbrecher über Deutschland und die Welt gebracht haben, unter 
Mißachtung des tatsächlichen Verhältnisses auf Preußen zurückgeführt wird. 
Also", schließt Braun seinen Brief, „mein lieber Graf, wir müssen uns noch 
gedulden."Schieben wir schnell zwei Sätze aus den „Erinnerungen" des großen 
Sozialdemokraten Professor Carlo Schmid ein, der im letzten Krieg als 
Militärverwaltungsrat in Lille in Nordfrankreich eingesetzt war. Schmid, in 
Frankreich geborener Sohn eines schwäbischen Vaters und einer französischen 
Mutter, schreibt: „Der bisherige Oberfeldrichter wurde durch Wilhelm Klinkert, 
einen schwerverwundeten Reserveoffizier und Rechtsanwalt aus Kolberg in Pommern, 
abgelöst. Wir verbrachten viele Abende zusammen, und ich lernte in ihm einen 
Preußen kennen, der mit Leib und Seele Soldat war, aber - und das war auch 
preußisch an ihm - nicht das geringste für den Nationalsozialismus übrighatte."
 
 „Der preußische Traum"
 Erwähnen wir noch die Worte, die Henning von Tresckow an seine Söhne 
anläßlich ihrer Konfirmation gerichtet hat. Tresckow war beim Überfall auf Polen 
erster Generalstabsoffizier der 228. Landwehr-Infanterie-Division. Zu ihr 
gehörte auch das im Raum Braunsberg aufgestellte Infanterieregiment 356. Als die 
13. Kompanie diese Regimenter im August 1939 von ihrem Sammelpunkt Huntenberg 
durch die nächtlichen Straßen Braunsbergs zum Bahnhof zog, um ins 
„Übungsgelände" an der polnischen Grenze verladen zu werden, war ich 
buchstäblich der letzte Schütze dieser Kompanie. Hinter mir kam nur noch der 
Spieß, bei unserer bespannten Kompanie hoch zu Roß. Tresckow war, wie Bodo 
Scheurig in seiner kürzlich auch als Ullstein-Taschenbuch erschienenen 
Biographie bemerkt, zunächst als aktiver Offizier wie viele seiner Potsdamer 
Kameraden von Hitler und dem Nationalsozialismus angezogen worden. Seine 
Wandlung wurde durch die Ereignisse vom 30. Juni 1934 bewirkt. Scheurig drückt 
seine Reaktion mit folgenden Worten aus: "Ungeheuerliches war geschehen. Der 
Führer des Staates und seine Regierung hatten ungestraft gemordet." Seitdem 
entwickelte sich von Tresckow zu dem neben Graf. Stauffenberg unbedingtesten und 
aktivsten Vorkämpfer des militärischen Widerstandes gegen Hitler.In seiner Ansprache an die beiden Söhne am 11. April 1943 erinnerte von Tresckow 
sie zunächst daran, daß ihre Einsegnung an einer besonders ehrwürdigen Stätte 
des Preußentums erfolge, in der Potsdamer Garnisonskirche. Dieses Preußentum, 
fuhr er fort, „birgt eine große Verpflichtung in sich, die Verpflichtung zur 
Wahrheit, zur innerlichen und äußerlichen Disziplin, zur Pflichterfüllung bis 
zum Letzten. Aber man soll niemals vom Preußentum sprechen, ohne darauf 
hinzuweisen, daß es sich damit nicht erschöpft. Es wird so oft mißverstanden. 
Vom wahren Preußentum ist der Begriff der Freiheit niemals zu trennen. Wahres 
Preußentum heißt Synthese zwischen Bindung und Freiheit, zwischen 
selbstverständlicher Unterordnung und richtig verstandenem Herrentum, zwischen 
den Stolz auf das Eigene und Verständnis für anderes, zwischen Härte und 
Mitleid. Ohne diese Verbindung läuft es Gefahr, zu seelenlosem Kommiß und 
engherziger Rechthaberei herabzusinken. Nur in der Synthese liegt die deutsche 
und europäische Aufgabe des Preußentums, liegt der preußische Traum!"
 
 Der letzte Pfeiler weggerissen
 Seinem Nachwort von 1933 hat Reinhold Schneider in seinem Hohenzollernbuch 
noch ein zweites hinzugefügt, das die Zeit von 1933 bis 1945 umfaßt. Alles, was 
über die Tragödie der zwölf Jahre zu sagen sei, schreibt Schneider, stehe in den 
wenigen Zeilen, die der am 5. September 1939 im Alter von 24 Jahren in Polen 
gefallene Prinz Oskar von Preußen, ein Enkel Wilhelms II., in der Erleuchtung 
frühen Todes mit der Genialität des Abberufenen geschrieben habe: „. . . Jetzt 
sind wir am Ende. Vor uns dehnt sich die Steppe ohne Maß, ohne Halt, und scheint 
im Osten drohend zu glühen. Rauch steht am Himmel. Es gibt nur noch ein 
Vorwärts, zu den fernen Linien, hinter denen sich unser Schicksal schwer und 
dumpf fertig schreibt. Wir werden ihm nicht entgehen. Mit uns tragen wir das 
Bild von zwei Jahrtausenden glanzvoll ragender Geschichte, und nur ein stilles 
Leuchten blieb von den Kränzen und Bändern, die sie gewunden . . . Wir stehen 
vor den brennenden Toren Europas und ziehen hinein in unser Ragnarök, und ein 
Schauer des Glaubens verklärt unsere Züge, von dem, der da sagt, daß er bei uns 
sein wolle bis an der Welt Ende." Ragnarök, das ist der in einem Lied der Edda 
geschilderte Weltuntergang. Wie Prinz Oskar ist auch sein Vetter Wilhelm, der 
älteste Sohn des Kronprinzen, im Zweiten Weltkrieg gefallen. Später verfügte 
Hitler, daß die Mitglieder früherer Herrscherhäuser wehrunwürdig seien. 
Daraufhin übernahm der zweite Sohn des Kronprinzen, Prinz Louis Ferdinand, den 
kaiserlichen Privatbesitz Cadinen. Durch seine Heirat mit der Tochter des 
Großfürsten Kyrill, der sich nach der Ermordung Nikolaus' II. durch die 
Bolschewisten selbst als Zar bezeichnete, war Louis Ferdinand mit seiner Familie 
beim Einmarsch der Sowjets besonders gefährdet. Doch gelang es ihm, mit seinen 
Arbeitern den rettenden Westen zu erreichen.Geben wir Reinhold Schneider selbst das Schlußwort unseres Ganges durch die 
preußische Geschichte: „So war das Ende vorweggenommen, das sich am 14. 
September des Jahres 1952 auf der Burg Hohenzollern in einer Sichtbarkeit 
darstellte, die dem Ende einer Machtform nur selten gewährt wird. In der oberen 
Kapelle erklang bei geöffneten Fenstern die Flötenmelodie Friedrichs noch 
einmal, das Solo von Sanssouci, Gegenwart einer königlichen Seele. Sie schwang 
sich in den grenzenlosen Herbsthimmel über dem schwäbischen Land, dem, wie der 
Hohenzollern, der Hohenstaufen entsteigt; sehr fern waren auch die Habsburger 
nicht, und die Herzogsburg Urach, und es war das Fest der Kreuzerhöhung, der 
Tag, der als einzig mögliche Verheißung dem schweren Sterben Philipps II. 
folgte, der Agonie der spanischen Macht. In der unteren Kapelle, die noch den 
Namen des alten Glaubens der Erbauer führt, standen unter Blumen die Särge 
Friedrich Wilhelms und seines Sohnes, an den Ursprung zurückgeschleudertes 
Strandgut. Vom Königreich war nicht soviel Erde geblieben, wie die Särge 
beanspruchten, eben die Särge, über denen im März des Jahres 33 Ragnarök 
aufgenommen war. Die stärkste Form, die sich in die östliche Flut gestellt 
hatte, war geborsten, der letzte Pfeiler weggerissen.“
 
 _______________
 
 1)Hier sei noch auf zwei Hinweise eingegangen, die zum ersten Beitrag den 
Verfasser erreichten. Dr. Ernst Manfred Wermter schreibt zu der Bemerkung von O. 
H. von der Gablentz, daß es in Preußen keine Heilige und Märtyrer gegeben habe, 
daß die heilige Dorothea von Montau für kurze Zeit wie ein leuchtender Stern 
über dem Lande gewesen sei. Ich stehe nicht an, hier den Satz des bedeutenden 
Dorotheenforschers Dr. Richard Stachnik zu zitieren: „Nach ihrem Tode am 25. 
Juni 1394 aber wurde sie (die hl. Dorothea) mit einem Schlage die populärste 
Frau des Weichsel-Ostsee-Kulturkreises, die Patronin des Preußenlandes, weit 
über die Grenzen ihrer Heimat hinaus verehrt und gepriesen." Gablentz wiederum 
sei Gerechtigkeit widerfahren mit dem Hinweis auf seine Feststellung, daß 
Preußen aus der christlichen Führerschicht keinen Fürbitter gefunden habe, der 
es vor Gott vertrete in den oberen Rängen. Wobei ihm die Frage entgegengehalten 
werden kann, ob der Fürbitter gerade aus den „oberen Rängen" kommen mußte. Einen 
besonders interessanten Hinweis gab mir Domherr Prälat Leo Kaminski, und zwar zu 
der Reise des Bischofskandidaten Johannes Stryprock mit dem Prußen Nikolaus 
Gerke von Hohenberg zu Papst Innozenz VI. 1355 nach Avignon, wobei es sich 
offensichtlich um einen wirklichen Vorgang gehandelt hat. Der Pruße, den der 
Papst zum ermländischen Bischof machen wollte, habe ursprünglich "Klauko" 
geheißen. Bischof Stryprock, zu dessen Gunsten der prußische Edle auf die 
ermländische Kathedra verzichtete, habe ihm nach der Heimkehr ein Rittergut von 
etwa 2000 Morgen verliehen, das nach ihm Adl. Klaukendorf genannt wurde. Dazu 
kamen sechs Hufen Pfarrland und das Patronatsrecht über die Kirche, das den 
Besitzern des Rittergutes bis zuletzt zustand und auf Grund dessen auch Prälat 
Kaminski 1932 Pfarrer von Klaukendorf geworden ist.
 2) Vgl.die ausführliche Schilderung der Totenfeier im Ermländischen Kalender 
1955, S. 41.
 3) In der „DDR" ist man freilich anderer Meinung. Hier sucht man vielleicht auch 
im Hinblick auf unsere Geschichtslosigkeit, die von Männern wie Walter Scheel 
und Karl Carstens beklagt wird, neuerdings den Anschluß an die 
preußisch-deutsche Geschichte, die zu bestimmten Zwecken ausgedeutet, wir können 
ruhig sagen manipuliert, wird. In dem Vorwort zur ersten Auflage des Buches 
“Befreiungskriege, Erläuterungen zur deutschen Geschichte" erschienen im 
Berliner Volkseigenen Verlag „Volk und Wissen", das in der mir vorliegenden 7. 
Aufl. von 1976 zitiert wird, heißt es: „Die Befreiungskriege waren nach dem 
Bauernkrieg die erste große politische Massenbewegung in Deutschland. Im Kampf 
gegen die napoleonische Fremdherrschaft erstarkte das Nationalbewußtsein; das 
politische Denken der Volksmassen wurde revolutioniert. Zugleich entstand eine 
umfangreiche und wirkungsvolle politische Literatur, die diese Prozesse 
vorbereitete und förderte. Die bedeutendsten literarischen Leistungen wurden 
dabei von jenen Schriftstellern geboten, die mit dem Kampf für die nationale 
Unabhängigkeit Deutschlands die Forderungen nach politischer Freiheit und 
sozialer Gerechtigkeit verbanden. Ihre Werke sind für die sozialistische 
Gesellschaft ein wichtiges Erbe, dessen Behandlung im Deutschunterricht 
wesentlich zur patriotischen Erziehung der Jugend beitragen kann." In den 
Leseproben des Buches werden neben Stellen aus Fichtes „Reden an die deutsche 
Nation" u. a. Gedichte von Ernst Moritz Arndt („Der Gott, der Eisen wachsen 
ließ" und „Was ist des Deutschen Vaterland?"), Theodor Körner („Das Volk steht 
auf, der Sturm bricht los!", „Du Schwert an meiner Linken", „Was glänzt dort vom 
Walde im Sonnenschein?", "Frischauf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen"), 
Max v. Schenkendorf („Freiheit, die ich meine" und „Muttersprache, Mutterlaut") 
im vollen Wortlaut wiedergegeben. Diese zum größten Teil martialischen Gedichte 
haben wir Alten in der Schule gelernt oder zum mindesten kennengelernt. Was 
würden ihre Verfasser dazu sagen, wenn sie wüßten, wozu sie heute gebraucht 
werden?
 4) Bismarck, 1815 in Schönhausen in der Altmark geboren, war von Hause aus ein 
preußischer Junker. Seine Mutter war allerdings eine Bürgerliche aus einer 
angesehenen Familie. Seine Kindheit verbrachte er in Kniephof in Pommern, wo er 
später einem Kreis von Pietisten nahetrat. Aus diesem wählte er seine Frau 
Johanna v. Puttkamer. Er wollte eigentlich die höhere Beamtenlaufbahn 
einschlagen, aber nach dem Referendarexamen entschloß Bismarck sich, auf die 
„Ochsentour", wie er sie nannte, zu verzichten. Er zog das freiere Leben eines 
Gutsherrn vor, der die Familiengüter bewirtschaftete. Aber die Politik nahm ihn 
bald gefangen. Er war Mitglied des Vereinigten Landtags und der Zweiten Kammer, 
wo er auf dem äußersten rechten Flügel saß. Friedrich Wilhelm IV. ernannte ihn 
auf Rat der Kamarilla zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt 
(18511859), wo er eine für ihn sehr wichtige Lehrzeit auf dem Gebiet der großen 
Politik durchmachte. 1859-1861 war er preußischer Gesandter in St. Petersburg, 
im Frühjahr 1862 kam er als solcher nach Paris. Wilhelm I. wollte von ihm 
zunächst nichts wissen, weil er ihm in seiner ganzen Art zu dynamisch war. Noch 
unheimlicher war er der Königin Augusta, die zeitlebens, wenn der Ausdruck 
erlaubt ist, seine Intimfeindin geblieben ist wie übrigens auch ihre 
Schwiegertochter Viktoria. Der König spürte aber die unbedingte Ergebenheit 
Bismarcks ihm gegenüber.
 5) Eduard Martin Simson, der 1810 in Königsberg geboren wurde, war später auch 
der erste Präsident des Deutschen Reichstages. Bei der Errichtung des 
Reichsgerichts in Leipzig wurde er 1879 zu dessen erstem Präsidenten berufen. Es 
ist bemerkenswert, daß Kaiser Friedrich III., dem man liberale Neigungen 
nachsagte, während seiner kurzen Regierungszeit 1888 dem alten Liberalen Simson 
den Schwarzen Adlerorden verlieh, mit dem der Erbadel verbunden war.
 6) Hans Lipinski-Gottersdorf stammt selbst aus der Nordostecke Oberschlesiens, 
in der der Roman spielt, den einzigen evangelischen Kreisen der Provinz 
Rosenberg und Kreuzburg. Durch die Gemeinsamkeit der Konfession wurde hier den 
Menschen der Zugang zum Preußentum erleichtert. So widmet der Verfasser sein 
Buch dem Andenken seines Vaters, der als Offizier, Beamter und letzter Herr 
eines alten Familienbesitzes sein Leben lang nach Haltung und Gesinnung ein 
slawischer Preuße gewesen sei.
 7) Es wird manchen wundern, daß Schoeps hier offensichtlich einen Unterschied 
zwischen dem Stil Hitlers und dem Mussolinis macht. Auf eine 
Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Diktatoren sei hier wenigstens 
hingewiesen: Mussolini riet Hitler immer wieder, nicht so hart gegen die Kirchen 
vorgehen, vergeblich. Vor allem: Mussolini wurde zwar vom italienischen König 
berufen, aber auch von ihm ab- und gefangengesetzt, allerdings nach einem 
Beschluß des Faschistischen Großrats.
   Benutzungshinweise: Lieber Kybernaut!Ich bin als Sohn des Journalisten und Webmaster der Kreisgemeinschaft Braunsberg 
in einem argen Dilemma: Auf der einen Seite weiß ich, wie sehr es das Anliegen 
meines Vaters war, daß sich möglichst viele Menschen unmittelbar von der 
"Erlebnisgeneration" informieren, und daher hatte er auch auf seine alten Tage 
aufgeschrieben, was ihm wichtig war weiterzugeben. Und er wäre gewiß glücklich 
über die Möglichkeiten des Internets gewesen, hätte er davon zu seinen Lebzeiten 
gewußt. Auf der anderen Seite stehen allerdings die wirtschaftlichen Interessen 
des Vereins, der seine Arbeiten herausgegeben hat, dem entgegen: Dort gibt es 
ganz offensichtlich die Befürchtung, daß durch eine Internetveröffentlichung 
mögliche Kunden für die noch vorhandenen gedruckten Ausgaben wegbleiben.
 Sollten Sie also zu denen zählen, die eigentlich eine der Arbeiten gekauft 
hätten, doch aufgrund dieser Veröffentlichung das nicht mehr nötig hatten, so 
bitte ich um Mitteilung, damit ich dem Verein den entgangenen Schaden ersetzen 
kann. Sollten Sie allerdings durch Zufall (etwa über Suchmaschinen) auf diese 
Arbeiten gestoßen sein, von denen Sie sonst nie eine Ahnung bekommen hätten, 
wären Sie natürlich auch sowieso nie Kunde geworden und das Problem eines 
Schadens für den Verein gibt es von vornherein nicht. Und sollten Sie durch die 
Internetrepräsentation jedoch sogar zum Kauf angeregt worden sein, bitte ich 
allerdings um Information,
denn das wäre ja auch für den Verein ein Argument für die Veröffentlichung hier!
 Die Arbeit wurde mit größter Sorgfalt von dem gedruckten Werk gescannt und 
durchgesehen, dabei wurden auch offensichtliche Druckfehler korrigiert. Dennoch ist es nicht auszuschließen, daß Übertragungsfehler 
übersehen wurden. Für wissenschaftliche Verwendung empfehle ich daher unbedingt 
die gedruckte Ausgabe.
Sie ist zu erhalten bei:
 Historischer Verein für Ermland e.V.Brandenburger Str. 5
 35041 Marburg
 
 oder
 Geschäftsstelle des
 Historischen Vereins für Ermland e. V.
 Ermlandweg 22
 48159 Münster
 
 e-Mail: 
info@historischer-verein-ermland.de
 Webseite: 
http://www.historischer-verein-ermland.de/
 
 Und nun viel Freude bei der Lektüre!
 Ihr Webmaster Braunsberg (Ostpreussen)
 Michael Preuschoff
 
 www.braunsberg-ostpreussen.de
 
 
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