Kreisgemeinschaft Braunsberg (Ostpreußen)

Beisetzung unseres früheren Kreisvertreters und Ehrenvorsitzenden Gerhard Steffen

Der Verstorbene hatte sich eigentlich nur gewünscht, in der Heimaterde begraben zu werden, und hatte deswegen behutsam den befreundeten Pfarrer von Pettelkau Taddeus Rudzinsky gefragt, ob auf dem Friedhof von Pettelkau Platz für ihn sei. Doch der lehnte ab, nein für ihn sei da kein Platz. Und auf die Rückfrage „warum nicht“, antworte der Pfarrer „Nein, Du kommst nicht auf den Friedhof, sondern weil Du der Wiedererbauer der der nach dem Krieg Kirche bist, hast Du nach dem Kirchenrecht das Recht, in der Kirche begraben zu werden...“ Na, das war doch was, und auf Nachfrage genehmigte der damalige Erzbischof von Ermland Dr. Edmund Piszcz auch und so ließ Gerhard Steffen schon einmal vorsorglich eine Grabplatte für die Wand und eine Gruft darunter herstellen.

Auch den Transport des Sarges nach Ostpreußen hatte er vorbereitet, ein Zinksarg mit einem kleinen Fenster drin, und der Beerdigungsunternehmer aus Braunsberg musste mit dem Sarg auch erst einmal vom westdeutschen Heimatort Oberursel zum polnischen Konsulat nach Köln fahren, damit die sich dort überzeugen konnten, dass auch nur einer in dem Sarg liegt...

Zur Beisetzung in Braunsberg waren dann die Frau des Verstorbenen und alle seine Kinder – je nachdem auch mit ihren Familien - angereist.

Nachdem bereits ein Requiem in Oberursel stattgefunden hatte, begannen die Trauerfeierlichkeiten in Braunsberg mit einem weiteren Requiem in der nach den Zerstörungen des Krieges wiederaufgebauten gotischen Pfarrkirche St. Katharina mit dem prächtigen Sternengewölbe. In dieser Kirche war der Verstorbene noch im Krieg Messdiener.

Außer der Familie des Verstorbenen waren der Braunsberger Bürgermeister mit Ratsherren, der ehemalige Landrat mit Frau, die meisten Schwestern des Klosters der Katharinerinnen, eine Abordnung der Feuerwehr und natürlich der Nachfolger des Verstorbenen im Amt des Kreisvertreters Manfred Ruhnau mit Schriftführer und einige Angehörige der deutschen Minderheit und gewiss auch einige polnische Neubürger anwesend.

Der inzwischen pensionierte Erzbischof Dr. Edmund Piszcz hat die Beisetzung zusammen mit seinem Nachfolger Dr. Adalbert Ziemba und fünf weiteren Priestern der Diözese Ermland übernommen. In seiner Predigt auf deutsch kam Erzbischof Piszcz darauf, dass Gerhard Steffen ein Mensch mit tiefem Glauben und tiefer Hoffnung war und aus dieser Haltung heraus bewusst sein Leben gestaltet hatte. Auch ging er auf den Lebensweg Gerhard Steffens ein, der mit 16 Jahren Braunsberg verlassen musste, weil er als Flakhelfer eingesetzt wurde. Kurz vor Kriegsende kam er dann zur Wehrmacht, geriet in russische Gefangenschaft und kehrte 1948 krank und ausgezehrt zur Familie zurück, die inzwischen in Niedersachsen eine vorläufige Bleibe gefunden hatte. Ja, er hätte einen Groll haben können, auch auf die Polen, doch sein Glaube hat ihm gesagt, dass er das Böse durch das Gute besiegen müsste. Aus dem Glauben heraus war er eben ein Mensch des Friedens, soweit der pensionierte Erzbischof.

Von der Kirche ging dann ein Autokorso über die alte sogenannte Panzerstraße nach Pettelkau, wo die Beisetzung in der Kirche stattfand.

Und ein Zerm, also ein Begräbnismahl, gab es natürlich auch – für alle, die teilnehmen wollten.





Öffentlicher Aushang in Braunsberg





Das Requiem fand in der Braunsberger Pfarrkirche St. Katharina statt.



Beim Auszug aus der Kirche spielte die Orgel den Trauermarsch von Chopin.



Da Gerhard Steffen der Wiedererbauer der Kirche in Pettelkau war, wurde er in der Kirche beigesetzt.



Blumen über der Gruft

Zur Biografie Gerhard Steffen:

Der langjährige Kreisvertreter der Kreisgemeinschaft der Braunsberger ihr Ehrenvorsitzender starb am 18. März 2012 kurz vor seinem 85. Geburtstag

Er war Komtur des päpstlichen Silvesterordens, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Landsmannschaft Ostpreußen und Ehrenbürger der Stadt Braunsberg. Besonders die Ehrenbürgerwürde im Jahre 2006, die ihm für seinen Einsatz zur Versöhnung der alten und neuen Braunsberger, aber auch für seine Vermittlung der Unterstützung für Projekte der Stadt Braunsberg und der Stadt Frauenburg verliehen wurde, empfand der nun Verstorbene als hohe Auszeichnung und Ehre. Der Apostolische Visitator Ermland hatte ihm auch die Andreasmedaille seiner Heimatdiözese verliehen.

Gerhard Steffen war der Motor und Ideengeber unserer Kreisgemeinschaft. Im Jahre 1990 begründete er die Heimatbriefe und gab sie bis zu seinem Ausscheiden als aktiver Kreisverteter im Jahre heraus. Damit gab er der Kreisgemeinschaft ein eigenes Sprachrohr und somit neue Impulse. Seine rastlose Hingabe an die Aufgaben und Pläne der Kreisgemeinschaft Braunsberg war gespeist von seiner tiefen, echten, christlichen Frömmigkeit.

Seine Zielstrebigkeit zeichnete ihn aus.

1998 wurden von der deutsch-polnischen Stiftung Gelder für den Wiederaufbau der nach dem Kriege abgebrannten Kirche in Pettelkau bewilligt, die wir beantragt hatten. 1998 hat der damalige Erzbischof Dr. Edmund Piszcz die Einweihung vorgenommen. Als Wiedererbauer der Kirche hat Gerhard Steffen den Anspruch, in der Kirche beigesetzt zu werden.

Der inzwischen pensionierte Erzbischof Dr. Edmund Piszcz hat die Beisetzung zusammen mit seinem Nachfolger Dr. Adalbert Ziemba und fünf weiteren Priestern der Diözese Ermland übernommen. In seiner Predigt auf deutsch kam Erzbischof Piszcz darauf, dass Gerhard Steffen ein Mensch mit tiefem Glauben und tiefer Hoffnung war und aus dieser Haltung heraus bewusst sein Leben gestaltet hatte. Auch ging er auf den Lebensweg Gerhard Steffens ein, der mit 16 Jahren Braunsberg verlassen musste, weil er als Flakhelfer eingesetzt wurde. Kurz vor Kriegsende kam er dann zur Wehrmacht, geriet in russische Gefangenschaft und kehrte 1948 krank und ausgezehrt zur Familie zurück, die inzwischen in Niedersachsen eine vorläufige Bleibe gefunden hatte. Ja, er hätte einen Groll haben können, auch auf die Polen, doch sein Glaube hat ihm gesagt, dass er das Böse durch das Gute besiegen müsste. Aus dem Glauben heraus war er eben ein Mensch des Friedens, soweit der pensionierte Erzbischof.

Nach Abschluss der Schulausbildung und einem kurzen Studium trat Gerhard Steffen in den das Berufsleben bei der Deutschen Bundespost. Pflichterfüllung und Verantwortung für den Mitmenschen waren die Grundpfeiler all seines Handelns. Die angeschlagenen Gesundheit zwang ihn zur vorzeitigen Aufgabe der Berufstätigkeit.

Das Ehrenamt eines Laienrichters in der Strafjustiz übte er 16 Jahre hindurch aus. Auch im kirchlichen Bereich nahm er viele Aufgaben wahr.

Die größte Herausforderung jedoch wuchs aus der engen Verbundenheit mit seiner ostpreußischen Heimat und führte zu seiner aufopferungsvollen Mitarbeit in den kirchlichen und landsmannschaftlichen Vertriebenenverbänden.

Fünfzehn Jahre war er Mitglied der Ermländervertretung und neun Jahre Mitglied des Ermländerrats, den Beratungsgremien beim Apostolischen Visitator für die heimatlos gewordenen Gläubigen der Diözese Ermland. Ebenfalls neun Jahre vertrat er im Bundesvorstand der Landsmannschaft Ostpreußen vor allem die Belange der katholischen Ermländer.

Gerhard Steffen nahm alle diese Aufgaben sehr ernst und war stets bemüht, auf der Grundlage der geschichtlichen Wahrheit in Deutschland und in Polen ausgleichend und versöhnend zu wirken. So erwarb er sich bei beiden Völkern viele Freunde.

Wahrheit und Recht, Liebe und gemeinsames Handeln waren für ihn die Voraussetzung seines betont christlichen Wirkens. Seine Geradlinigkeit und Treue, seine Beharrlichkeit und Schaffenskraft wurden besonders geschätzt.

Große Verdienste hat sich Gerhard Steffen auch durch seinen nimmermüden Einsatz für die Aufstellung des Gedenksteins in Frauenburg erworben. Die ersten Gespräche und Verhandlungen mit dem Bürgermeister in Frauenburg hat Gerhard Steffen geführt. Der Gedenkstein hält die Erinnerung an die vielen tausend Menschen wach, die im Februar und März 1945 auf der Flucht vor den damals angreifenden Russen in Schnee und Eis umgekommen sind.

Vor allem auch die Kreisgemeinschaft Braunsberg hat Gerhard Steffen viel zu verdanken.

Wir empfehlen Gerhard Steffen der Gnade Gottes und hoffen, dass wir uns einmal bei Gott wiedersehen dürfen.

Requiescat in pace.

Predigt von Erzbischof Dr. Edmund Piszcz in der Braunsberger Pfarrkirche St. Katharina:

Verehrte Familie des verstorbenen Gerhard Steffen,
ehrwürdige Schwestern der heiligen Katharina,
geehrte Freunde des Verstorbenen,
liebe Schwestern und Brüder,

der Mensch ist das einzige Wesen, das weiß, dass es sterben muss. Andere Geschöpfe können das erahnen, eine Unruhe spüren, aber ein Bewusstsein für den Tod hat nur der Mensch. Jesus starb am Kreuz als Mensch, dass heißt - er wusste, dass er stirbt. Doch wusste er auch, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern eine Schwelle, über die man zu einem anderen Leben geht, wo es schon kein Leid mehr gibt, sondern wo eine ganz andere Wirklichkeit herrscht, die frei vom Tode ist. Diese Wahrheit und zugleich auch Hoffnung vermittelt uns der heilige Paulus , wenn er im ersten Brief an die Korinther schreibt: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden" (15,20-22).

Diese Gedanken und Worte möchte ich auf den Menschen beziehen, von dem wir heute Abschied nehmen, auf Gerhard Steffen. Er wusste, dass sein irdisches Leben ein Ende hat. Doch war er ein Mensch mit einem tiefen Glauben und einer Hoffnung, die sich auf die Aussage Christi stützt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt" (Joh 11, 25). Gerhard Steffen hat den Wunsch geäußert, dass bei seiner Beerdigung das Evangelium der Seligpreisungen (Mt 5, l-12a) gelesen wird. Wir wissen, dass das keine Gebote sind. Und auf die Frage, was die Seligpreisungen denn seien, kann man die Antwort geben, dass sie ein Vorschlag und eine Quelle des christlichen Lebens sind. Um mit ihnen zu leben, muss man sie zuerst erwählen. Hier drängt sich der Gedanke an den jungen Mann aus dem Evangelium auf, der die Gebote befolgt, aber Jesus fragte: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen" (Lk 10, 25). Die Antwort Jesu war entsprechend kurz. Sie war enthalten in dem einen Satz: „Komm und folge mir nach" (Mt 19, 21).

Im Leben muss man Entscheidungen treffen und Gerhard Steffen hat sich für den Weg des Lebens entschieden. Dieser Weg waren eben die Seligpreisungen, die ich eine Quelle des christlichen Lebens genannt habe. Aus dieser Quelle schöpfte er Kraft, um ein glaubwürdiger Zeuge Christi zu sein. Denn Jesus bat: „Ihr werdet meine Zeugen sein..." (Apg l, 8). Man kann also sagen, dass Gerhard Steffen in seinem ganzen Leben ein Zeugnis der Wahrheit und der Liebe gegeben hat. Und dieses Leben war nicht leicht. Es war voller schwerer Erfahrungen durch den Zweiten Weltkrieg. Mit 16 Jahren musste er das Ermland verlassen, Braunsberg, wo er geboren war. Vor dem Ende des Krieges wurde er noch zur Wehrmacht eingezogen, kam in russische Kriegsgefangenschaft und kehrte im Jahre 1948, krank und ausgezehrt, zur Familie zurück, die nun in Niedersachsen lebte. Er hätte einen Groll auf die Welt, auf die Menschen, auf Polen haben können, aber sein tiefer Glaube ließ ihn völlig anders auf das schauen, was er durchlebt hat. Er wusste, dass Jesus uns keine einfache, sondern eine schwierige Liebe gelehrt hat. Sicherlich hat Herr Steffen auch an die Worte des heiligen Paulus aus dem Römerbrief gedacht: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute" (12,21). Er liebte seine Heimatstadt, er liebte das Ermland und er hat viel getan, damit zwischen unseren Ländern kein Hass, sondern der Friede Christi herrscht, von dem Jesus in der Bergpredigt sagt: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden" (Mt 5, 9). Mit diesem Frieden war das Gute verbunden, das er tat. Denn er war ein Mensch des Friedens, der im Glauben begründet war. Gerade Glaube und Liebe zur Heimat ließen ihn so handeln, wie der heilige Apostel Jakobus sagt: „So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat" (Jak 2,17). Mit dem guten Wirken ging die erwähnte Sendung für den Frieden einher. Zeichen der Dankbarkeit waren die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch die Bundesrepublik Deutschland, der Andreasmedaille durch den Visitator Ermland und die Ehrenbürgerschaft durch die Stadt Braunsberg. Und auf Antrag des Erzbischofs von Ermland Wojciech Ziemba, hat Papst Benedikt XVI. Gerhard Steffen eine hohe Auszeichnung verliehen - den Orden des heiligen Silvester. Doch besonders hervorzuheben ist der erneute Aufbau der im Krieg zerstörten Kirche von Pettelkau. Die dortige Pfarrei hörte 1945 auf zu existieren. Es gab keine Kirche mehr, nur eine große Ruine. Man musste die Kirche neu aufbauen. Und das ist Dank Gerhard Steffen geschehen, der sich um die finanziellen Mittel bemüht und das Aufbauwerk bis zum Abschluss geführt hat. Es war ein denkwürdiger Sonntag in den neunziger Jahren, als ich unter Beteiligung von zahlreichen Gläubigen die Kirche erneut konsekriert habe. Damals auch hat Herr Steffen die bescheidene Bitte geäußert, in dieser Kirche seine letzte Ruhestätte finden zu dürfen. Dazu habe ich mein Einverständnis gegeben. In früheren Zeiten hatte der Stifter einer Kirche das Recht in ihr beerdigt zu werden. Es gibt keinen Zweifel, dass Herr Steffen der neue Stifter der Kirche in Pettelkau ist, und darum wird er auch dort den Tag der Auferstehung erwarten.

Lieber Herr Gerhard Steffen, wir sind Ihnen dankbar für alles Gute, für das Zeugnis des Glaubens, für das Beispiel der Liebe zur Heimat, wo Sie geboren wurden, lebten und wo Sie „bei Gott und den Menschen Gefallen fanden" (vgl. Lk 2, 52). Wir hoffen, dass Gott Sie zu sich geholt hat, in die ewige Seligkeit. Wir wissen, dass ein guter Mensch uns für immer verlassen kann. Er wird nicht mehr unter uns sein, aber sein bester Teil verbleibt für immer in uns.

Ich meine, die Worte des heiligen Paulus passen genau auf Gerhard Steffen, wenn er schreibt: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn" (Rom 14, 7-8). Wahr ist das, was wir in diesem Moment erleben, dass er, Gerhard Steffen, jetzt wirklich lebt, und wir mit jedem Tage sterben. Wahr ist auch der Satz, der auf der Todesanzeige steht: „Jesus lebt, mit Ihm auch ich; das ist meine Zuversicht!" Amen.

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