Hans
Preuschoff (1905 -1989)
Journalist
im Dritten Reich
Im
Gedenken an
Hermann Orth
Chefredakteur
der „Germania“
Verlagsdirektor
der „Ermländischen Zeitung“
Gestorben
in Omsk in Sibirien
Beiheft
6 der Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands (1987)
(Historischer Verein für Ermland e.V.)
Eingescannt
für die Website der Kreisgemeinschaft Braunsberg www.braunsberg-ostpreussen.de.
Inhalt
Zum Geleit
Vorwort
Wie ich Journalist wurde
Erste
Etappe:
Ermländische Zeitung
1933‑1939
Zweite
Etappe:
Litzmannstädter
Zeitung 1940‑1942
Endstation:
Berliner Büro der
Ostzeitungen 1942‑1944
Abschied
vom Journalismus
Bibliographie
Hans Preuschoff 1946‑1987
Personenregister
Zum Geleit
Ich sage dir: nicht Skythen und Chazaren,
Die einst den Glanz getilgt der alten Welt,
Bedrohen unsre Zeit, nicht fremde Völker:
Aus eignem Schoß ringt los sich der Barbar,
Der, wenn erst ohne Zügel, alles Große,
Die Kunst, die Wissenschaft, den Staat, die Kirche
Herabstürzt von der Höhe, die sie schützt,
Zur Oberfläche eigener Gemeinheit,
Bis alles gleich, ei ja, weil alles niedrig.
Franz
Grillparzer, Ein Bruderzwist in Habsburg
Die Erkenntnis, die
Grillparzer dem alten Kaiser Rudolf II. in den Mund legt, ist dem Historiker
Hans Preuschoff seit seiner Zeit als Journalist im Dritten Reich vertraut. Der
„Bruderzwist in Habsburg", den Lothar Müthel im Jahre 1942 im
Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin inszenierte, hat ihn damals tief
beeindruckt. Die Aufführung mit Werner Krauss in der Hauptrolle war ein
Theaterereignis ersten Ranges mitten in einem Krieg, der zur Zerstörung
Deutschlands führen sollte. Preuschoff sah Grillparzers Rudolf stets als eine
historische Gestalt, die sich vergeblich den übermächtigen Kräften seiner
Zeit entgegenstellte, aber auch ihre eigene Ohnmacht erkannte. Als
leidenschaftlicher Freund des Theaters vergleicht Preuschoff das Stück gern
mit Schillers „Wallenstein" und Hauptmanns „Florian Geyer". Das
Geschichtsdrama fesselte den zeitgeschichtlich interessierten Journalisten
ebenso wie den späteren Gymnasiallehrer. Immer ging es ihm darum, die unter
der Oberfläche der die meisten Zeitgenossen chaotisch anmutenden Ereignisse
liegenden tieferen Schichten der Wirklichkeit zu erfassen und die durch
Beobachtung und Reflexion gewonnene Erkenntnis in Wort und Schrift zu
verbreiten. Die politischen Verhältnisse im Dritten Reich Hitlers kamen
allerdings einem solchen Bedürfnis kaum entgegen. Seine Sympathie für den
verantwortungsbewußten Staatsmann in der Figur des Kaisers Rudolf hat
Preuschoff damals mit manchen nachdenklichen Zeitgenossen in der deutschen
Hauptstadt geteilt. Beispielsweise erwähnte der ehemalige preußische
Finanzminister und Widerstandskämpfer Johannes Popitz das von Lothar Müthel
inszenierte Stück in einem Vortrag vor dem erlesenen Publikum der
„Mittwochsgesellschaft". Der „Bruderzwist" schien ja geradezu
unvereinbar mit den politischen Verhältnissen einer Zeit, in der es angeblich
allein auf Macht und Gewalt ankam. Damals waren auch Aufführungen von
Schillers „Wilhelm Tell" unerwünscht.
Der Lebensweg des früheren
Redakteurs der ursprünglich kirchlichen „Ermländischen Zeitung" in
Braunsberg bis zu seiner Pensionierung als Studiendirektor am Kölner Humboldt-Gymnasium
im Jahre 1970 ist sehr wechselvoll gewesen. Den Etappen seines
journalistischen Wirkens gelten die hier vorgelegten Erinnerungen des senex
Warmiensis, der in seinem sauerländischen Alterssitz an allen großen
politischen und historischen Fragen der Gegenwart noch lebhaft Anteil nimmt
und sich häufig an publizistischen Gefechten beteiligt. Ich habe deshalb
ebenso wie andere Freunde Hans Preuschoff immer wieder gedrängt, seine
zeitgeschichtlichen Erlebnisse und Erfahrungen einer größeren Öffentlichkeit
mitzuteilen. Der ehemalige „Journalist im Dritten Reich" ist für mich
zunächst vor allem ein begabter Geschichtslehrer gewesen, den ich als Schüler
im Jahre 1959 kennenlernte. Als Lehrer war er bemüht, seinen Schülern die
damalige Nachkriegsgegenwart im Zeichen der Zerstörung, Besetzung und Teilung
unseres Landes im historischen Zusammenhang verständlich zu machen und sie
dazu zu erziehen, historische Wirklichkeit wahrzunehmen, unreflektierte
Vorurteile und unklares Scheinwissen zu prüfen. Als Journalist kannte
Preuschoff die Sprachregelungen und internen Anweisungen des Goebbelsschen
Propagandaministeriums, an die er in seiner beruflichen Arbeit gebunden war,
ließ sich aber in seiner nüchternen Art nicht davon abhalten, sich seinen
eigenen Reim auf die ihm zugänglichen Nachrichten und Berichte zu machen. Er
war sich bewußt, daß die relative Ruhe, die manche Beobachter des
politischen Lebens gerade in Berlin angesichts der Kriegslage lange Zeit
verwundert wahrnahmen, der atmosphärischen Ruhe im Zentrum eines Taifuns
entsprach. Ihn überraschte weder der Fall Stalingrads noch die schließliche
Katastrophe des „tausendjährigen Reiches". In der sonst kaum überschaubaren
Literatur zur Geschichte des Dritten Reiches dürfte seinem Buch insofern
besondere Bedeutung zukommen, als er die Politik der nationalsozialistischen
Machthaber aus der Sicht eines aus der ostpreußischen „Provinz"
stammenden, zuletzt nach Berlin verschlagenen aufmerksamen Journalisten
beschreibt. Hier kann er gleichsam manches nachtragen, was er damals wußte,
aber nicht schreiben durfte, da ihm die politische Zensur ebenso wie seinen
Kollegen jedes freie Wort verbot. Das „Erinnern und Aufbewahren für alle
Zeit" im Sinne Lew Kopelews, der Ostpreußen und seine Menschen bei
Kriegsende als russischer Soldat kennenlernte, hat auch Preuschoff in den
letzten Jahrzehnten als ein wichtiges Anliegen empfunden, das er in
zahlreichen Aufsätzen und Zeitungsartikeln zu erfüllen suchte. Er ist gerade
in den Jahren seines verdienten Ruhestandes durch eine rege publizistische Tätigkeit
hervorgetreten. Auch größere Arbeiten wie die Biographie seines Landsmanns
Eduard Gehrmann entstanden in dieser Zeit. Seine Erinnerungen spiegeln ebenso
wie die früheren Arbeiten das Schicksal seiner Heimat und unseres seit über
vierzig Jahren geteilten Landes wider.
Köln, im Frühjahr 1987
Herbert Hömig
Vorwort
Helmut Herles schrieb in
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Das ist überhaupt eine der
Schwierigkeiten der Gespräche zwischen Zeitzeugen und Zeithistorikern. Die
einen sagen: `So war es´, weil sie es erlebt haben, die anderen: `So ist es´,
weil sie es erforscht haben." Als einer vom Jahrgang 1905 bin ich
Zeitzeuge. Allerdings bin ich auch Historiker, der bei Lehrern wie Friedrich
Meinecke, Erich Marcks, Hans Rothfels, Siegfried A. Kaehler in die Schule
gegangen ist. Mit Zeitgeschichte (wann beginnt sie übrigens?) habe ich mich
ex professo eigentlich nicht eingehender befaßt. Also bleibt es wohl doch
eher beim Zeitzeugen. Immerhin habe ich mich bemüht, meinen Bericht in einen
zeitgeschichtlichen Rahmen zu stellen. Dabei haben mich in meinem sauerländischen
Exil die Herren Professor Dr. Herbert Hömig (Köln) und Helmut Kunigk
(Dortmund) in geradezu rührender Weise unterstützt, wofür ich ihnen auch an
dieser Stelle herzlich danke, ebenso dem Redakteur der ermländischen
Publikationen Dr. Hans-Jürgen Karp (Marburg), der sich auch dieser Arbeit mit
großer Umsicht angenommen hat. Mein besonderer Dank gilt der Ostpreußen-Stiftung
für die finanzielle Unterstützung der Drucklegung.
Was ich hinzufügen muß:
Ich habe kein Tagebuch geführt, die Erinnerungen sind demnach aus dem Gedächtnis
aufgeschrieben, das seit dem 1. Mai 1933, als ich meine journalistische
Laufbahn begann, zwangsläufig löcherig geworden ist. Ich bin den Lesern
meines Berichtes für jede Korrektur dankbar.
Neuenrade, im Mai 1987
Hans Preuschoff
Wie ich Journalist wurde
Als neunjähriger Knirps
hatte ich 1914 meine Osterferien bei Verwandten in Dirschau an der Weichsel
verbracht. Am letzten Ferientage steckte man mich in den D-Zug, der mich in
meine Heimat- und Schulstadt Braunsberg beförderte. Als der Zug in Elbing
hielt und der Zeitungshändler an ihm entlangging, erstand ich die Danziger
Neuesten Nachrichten. Ich breitete sie auf meinem Platz aus, so daß ich völlig
hinter ihnen verschwand und nicht die gewiß amüsierten Gesichter der
Mitreisenden im Kupee, wie man damals sagte, sehen konnte. Meine Eltern, die
mich am Braunsberger Ostbahnhof in Empfang nahmen, waren ob meines
Mitbringsels eher erzürnt. Einmal deshalb, weil ich eine Zeitung gekauft
hatte, die nicht unseres Glaubens war wie die brave Ermländische. Zum anderen
wegen der großen Geldausgabe. Immerhin hatte die Zeitung 10, wenn nicht gar
20 Pfennig gekostet. Aber da das Malheur nun einmal passiert war, haben, was
mich wieder beruhigte, Vater wie Mutter die Zeitung von Anfang bis Ende selbst
gelesen.
Warum ich das Geschichtchen
hier erzähle? Weil man daraus auf meine Berufung zum Journalisten schließen
könnte. Tatsächlich bin ich von Kindesbeinen an ein eifriger Zeitungsleser
gewesen. Die Sommerferien 1914 verbrachten wir an der Ostsee in Narmeln. Die Ermländische
Zeitung wurde uns dorthin nachgeschickt. Ich sehe noch, wie der Vater, auf
der Veranda unseres Häuschens sitzend, die Nummer mit der großen Überschrift
„Erzherzog Franz Ferdinand ermordet" in den Händen hielt. Doch es wäre
übertrieben zu sagen, daß ich geradewegs auf den Journalistenberuf
zugesteuert bin. Da man allgemein der Ansicht war, ich würde Pfarrer werden,
und dies auch der Wunsch der Eltern, der Mutter vor allem, war, habe ich mich
nach dem Abitur dem Studium der Gottesgelehrtheit gewidmet. Doch im
Braunsberger Spittel, wie das Priesterseminar von seinen Insassen mehr oder
weniger liebevoll genannt wurde, erkannte ich, daß ich nicht zum Priestertum
berufen sei, und ich habe dann die Fächer studiert, in denen ich auf dem
Abiturzeugnis die besten Noten hatte: Geschichte, Deutsch, Latein.
Was ich auf der Schule
nicht gelernt hatte: Lernen. Ich nahm, was mir zuflog, ansonsten habe ich mich
durchgemogelt, vor allem in der Mathematik. So kam es dann, daß auf der
Universität Klassenkameraden, die vielleicht weniger begabt waren als ich,
aber fleißiger, an mir vorbeigezogen sind. Schließlich konzentrierte ich
mich auf meine Dissertation mit der Absicht, nach dem Doktorexamen mein
Studium abzuschließen und nun wirklich zur Presse zu gehen. Das Thema für
diese gab mir der damalige Professor für Geschichte an der Braunsberger
Akademie Philipp Funk. Da war doch der ermländische Bischof Zbaski, sagte er
zu mir, der hatte einen gewaltigen Krach mit seinem Domkapitel, schreiben Sie
darüber. Und ich schrieb und schrieb, nach den lateinischen Acta Capitularia
im Frauenburger Diözesanarchiv, das sich damals noch in einem, vorsichtig
gesagt, ungepflegten Zustande befand und einer ordnenden Hand harrte, wie sie
dann bald in Dr. Anneliese Birch-Hirschfeld, nachmals Frau Triller, gefunden
wurde. Ich geriet mit meiner Arbeit in Breslau, wo ich mein ausgiebiges
Studium zu beenden gedachte, an die falsche Adresse. Professor Manfred Zaubert
nahm sie zwar an, kümmerte sich aber nicht im geringsten darum. So kam es
dann zum Debakel. Die Arbeit wurde von der Fakultät nur unter der Bedingung
akzeptiert, daß ich sie unter der Anleitung des inzwischen nach Breslau
berufenen Ordinarius Leo Santifaller, der für derlei Themen zuständig war,
umarbeitete. Daß ich damit davonkam und auch das Rigorosum machen durfte,
verdankte ich dem Ordinarius für neuere Geschichte Siegfried A. Kaehler, der
mich von seinem Seminar her kannte. Ich habe es ihm, sei es aus Schüchternheit,
sei es aus Feigheit, nicht in der pflichtschuldigen Weise gedankt, was mich
bis an mein Lebensende bekümmern wird.
Inzwischen war mir eine
Volontärstelle an der Neisser Zeitung zugesichert worden. Doch da machte mir
meine liebe Mutter einen Strich durch die Rechnung: Du wirst doch noch das
Staatsexamen machen! Und ich habe es gemacht, und es hat sich in einer
entscheidenden Stunde als Retter in der Not erwiesen, indem es mir nach dem
Zweiten Weltkrieg, als der Journalistenberuf mir, fürs erste wenigstens,
verwehrt war, den Übergang in den höheren Schuldienst ermöglichte. Da ich
vor allem mein zweites Fach Deutsch zuletzt völlig vernachlässigt hatte,
hatte ich hier vor allem in der historischen Grammatik (Gotisch,
Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch) einen gewaltigen Nachholbedarf. Jedenfalls
rechne ich die beiden Jahre, in denen ich meine Dissertation praktisch neu
erstellte und mich auf die wissenschaftliche Prüfung vorbereitete, zu den schönsten
meines Lebens, schon darum, weil ich in ihnen wirklich arbeiten mußte. Auch
hatte ich inzwischen mit Fräulein Hedwig Rudolph meine spätere Frau
kennengelernt, die mir mit großem Verständnis für meine Lage treu zur Seite
stand und auch die Dissertation neu getippt hat. Der einzige Luxus, den wir
uns leisteten: Wir besuchten am Sonnabend eine Aufführung in einer der von
Paul Barnay glänzend geführten Breslauer Schauspielbühnen, dem Lobe-Theater
oder dem Thalia-Theater.
Teil 1:
Erste Etappe: Ermländische
Zeitung 1933-1939
Teil 2:
Zweite Etappe: Litzmannstädter
Zeitung 1940-1942
Teil 3:
Endstation: Berliner Büro der
Ostzeitungen 1942-1944
Teil 4:
Abschied vom Journalismus
Bibliographie
Hans Preuschoff 1946-1987
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Lieber Kybernaut!
Ich
habe als Sohn des Journalisten und Webmaster der Kreisgemeinschaft Braunsberg
dieses Buch ins Internet gestellt. Ich weiß nämlich, wie sehr es das Anliegen meines
Vaters war, dass sich möglichst viele Menschen unmittelbar von der
"Erlebnisgeneration" informieren, und daher hatte er auch auf seine alten Tage
aufgeschrieben, was ihm wichtig war weiterzugeben. Und er wäre gewiß glücklich
über die Möglichkeiten des Internets gewesen, hätte er davon zu seinen
Lebzeiten gewusst.